Energie

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Energie (griech. ἐνέργεια énérgeia = Aktion, Tätigkeit, Verwirklichung; abgeleitet von ἐν = in, innen und ἔργον = Werk, Wirken) ist eine physikalische Größe, mit der - nach einer älteren, aber nicht allgemeingültigen Definition - die Fähigkeit eines Systems, Arbeit zu verrichten, quantitativ beschrieben wird. Die Maßeinheit der Energie im SI-System ist das Joule. Konkret erscheint die Energie in verschiedensten Energieformen, die sich ihrem Wesen nach grundsätzlich voneinander unterscheiden, wie etwa Wärmeenergie, mechanische Bewegungsenergie, elektrische Energie, Kernenergie usw.

Energieerhaltungssatz

Für die abstrakte Maßzahl der Energie gilt der Energieerhaltungssatz, der erstmals 1842 von dem deutschen Arzt Julius Robert von Mayer (1814-1878) formuliert wurde, nachdem er empirisch festgestellt hatte, dass die mechanische Bewegungsenergie bei vollständiger Umwandlung in Wärme stets die gleiche Wärmemenge ergibt und damit das sog. mechanische Wärmeäquivalent quantitativ bestimmt hatte. Endgültig ausformuliert wurde der Energieerhaltungssatz von Hermann von Helmholtz, der am 23. Juli 1847 in Berlin über die „Konstanz der Kraft“ berichtete.[1]. Tatsächlich folgt der Energieerhaltungssatz nach dem Noether-Theorem[2] aus der angenommenen Zeitinvarianz der Naturgesetze. Der Energieerhaltungssatz besagt, dass die Gesamtsumme der Energie in einem abgeschlossenen System erhalten bleibt.

Rudolf Steiner hat öfters vor einer Fehlinterpretation des Energieerhaltungssatzes gewarnt, wonach Energie weder erzeugt noch vernichtet werden könne. Erhalten bliebe sehr wohl die Maßzahl der Energie, nicht aber ihre konkrete wesenhafte Erscheinungsform. Durch die Tätigkeit des Geistes wird beständig Energie und auch Materie vollständig vernichtet - und in gleichem Maß schöpferisch neu erzeugt. Nur so ist auch die Freiheit des Menschen denkbar.

"Ein gewisses Ideal naturwissenschaftlicher Denkungsart ist, alles, wie man sagt, unter den Kausalbegriff zu bringen, alles nach Ursachen und Wirkungen zusammenzudenken. Und eine sehr beliebte Verallgemeinerung ist - ich habe das schon hier erwähnt - das Gesetz von der Erhaltung der Kraft und der Erhaltung des Stoffes. Bilden Sie sich eine Weltanschauung so, daß Sie dazu nur die Begriffe von Ursache und Wirkung im naturwissenschaftlichen Sinne verwenden oder von der Erhaltung der Kraft und des Stoffes, so können Sie nur entweder weltanschaulich unehrlich sein, oder Sie müssen sagen: Innerhalb einer solchen Weltenordnung, in welcher nur das Kausalitätsgesetz, nur das Ursachengesetz gilt, oder in welcher das Gesetz von der Erhaltung des Stoffes und der Kraft gilt, in einer solchen Welt ist alles, was Ideale sind, was Ideen sind, was moralische Begriffe sind, im Grunde genommen eigentlich nur Spaß. - Denn für eine Weltanschauung, welche etwa das Gesetz von der Erhaltung der Kraft und des Stoffes universell denkt, hat nichts anderes Sinn, als sich zu sagen: Nach diesem Gesetze von der Erhaltung der Kraft und des Stoffes entwickelt sich unsere Weltenordnung." (Lit.: GA 183, S. 124f)

"Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts, da der Mensch im schattenhaften Verstande lebt und eigentlich auch sein ganzes Seelendasein als ein Schattenhaftes erlebt, seit dieser Zeit war der Mensch ganz angewiesen auf die äußere Natur. Und so kam er allmählich dazu, die äußeren Erscheinungen der Natur experimentell nicht nur so zu untersuchen, wie sie Goethe, der noch zugleich von antikem Geiste durchseelt war, untersuchte, sondern hinter den Phänomenen etwas zu suchen, was im Grunde genommen auch nur eine Art Phänomen ist, was aber da nicht hineinversetzt werden darf. Der Mensch kam zum Atomismus. Der Mensch kam dazu, hinter der Sinneswelt noch eine andere, unsichtbare Sinneswelt, kleinere Wesen, dämonische Wesen, die Atome zu denken. Statt zu einer geistigen Welt überzugehen, ging er zu einem Duplikat der sinnlichen Welt, wiederum zu einer sinnlichen, aber fiktiven Welt über, und dadurch erstarrte sein Erkenntnisvermögen für die äußere Sinneswelt. Und dieses brachte im Laufe des 19. Jahrhunderts immer mehr etwas hervor, was schon immer gespukt hat, was aber eben aus diesem völligen Erstarren des Erkenntnisvermögens für die äußere Sinneswelt im 19. Jahrhundert erst mit vollem Radikalismus hervortrat, und das war die Ausspintisierung des Gesetzes von der Erhaltung der Energie, von der Erhaltung der Kraft. Man sagte: Im Weltenall entstehen nicht neue Kräfte, sondern die alten wandeln sich bloß um; die Summe der Kräfte bleibt konstant. Wenn wir irgendeinen Augenblick ins Auge fassen, gewissermaßen herausschneiden aus dem Weltgeschehen, dann war bis zu diesem Augenblick eine gewisse Summe von Energien da; im nächsten Augenblick haben sich diese Energien etwas anders gruppiert, sie sind anders durcheinandergefahren, aber die Energien sind dieselben; sie haben sich nur gewandelt. Die Summe der Energien des Kosmos bleibt dieselbe. - Man konnte zwei Dinge nicht mehr unterscheiden. Man hat ein völliges Recht gehabt, zu sprechen davon, daß Maß, Zahl und Gewicht in den Energien dieselben bleiben. Aber das verwechselt man mit den Energien selber. Nun, wenn diese Energienlehre, dieses Gesetz von der Konstanz der Energie, das heute die ganze Naturwissenschaft beherrscht, richtig wäre, dann gäbe es keine Freiheit, dann wäre jede Idee von Freiheit eine bloße Illusion. Daher wurde auch für die Anhänger des Gesetzes von der Konstanz der Energie die Freiheit immer mehr eine Illusion." (Lit.: GA 325, S. 158f)

"Ich weiß alles, was eingewendet werden kann gegen die Sätze, die ich in diesem Augenblick ausspreche, aber das intuitive Erkennen führt dahin in bezug auf das Materielle, einzusehen, daß dort, wo das Denken sich entwickelt, ein Nichts vom Materiellen zu erblicken ist. Es führt dahin, zu sagen: Indem ich denke, bin ich nicht, wenn ich das materielle Sein, das man sonst als das maßgebende anerkennt, als einziges Sein gelten lasse. Es muß erst die Materie sich zurückziehen im Organismus und Platz machen dem Denken, dem Vorstellen; dann sieht dieses Denken, dieses Vorstellen, die Möglichkeit seiner Entfaltung im Menschen. Dort also, wo wir das Denken in seiner Wirklichkeit wahrnehmen, nehmen wir Abbau, Vernichtung des materiellen Daseins wahr. Wir schauen hinein, wie die Materie ins Nichts übergeht.

Hier ist es, wo wir an der Grenze des Gesetzes von der Erhaltung der Materie und der Kraft stehen. Man muß den Ausdehnungsbereich dieses Gesetzes von Materie und Kraft erkennen, damit man den Mut fassen kann, ihm dann zu widersprechen, wenn es nötig ist. Niemals kann irgend jemand die Wesenheit des Denkens unbefangen an der Stelle, wo Materie sich selbst vernichtet, durchschauen, der das Gesetz von der Erhaltung des Stoffes als ein absolutes anerkennt, der nicht weiß, daß es gilt im Bereich dessen, was wir äußerlich überschauen im physischen, im chemischen Felde und so weiter, daß es aber nicht gilt dort, wo unser Denken auf dem Schauplatze unserer eigenen menschlichen Organisation auftritt. Wenn es nicht nötig wäre, aus gewissen Untergründen heraus diese Erkenntnis heute vor die Welt hinzustellen, man würde sich nicht all den Spöttereien und all den Einwänden aussetzen, die ganz begreiflicherweise kommen müssen von denjenigen, die aus den bekannten Voraussetzungen heraus das Gesetz von der Erhaltung der Materie und der Kraft für absolut halten, für ausnahmslos geltend." (Lit.: GA 078, S. 142f)

"Anthroposophie lehrt uns gerade im menschlichen Organismus erkennen, daß nicht nur Materie vorhanden ist und sich umwandelt, lehrt uns nicht nur Metamorphosen der Materie erkennen. Außerhalb des menschlichen Organismus, in der übrigen Natur, da gilt das Gesetz der Erhaltung der Kraft und des Stoffes, im Menschen selber aber lehrt uns Anthroposophie ein vollständiges Verschwinden der Materie und ein Wiederauferstehen von neuer Materie aus dem bloßen Räume. Und anthroposophische Geisteswissenschaft darf, wenn ich einen trivialen Vergleich gebrauchen darf, darauf hinweisen, daß es mit der gewöhnlichen Vorstellung von Stoff und Kraft im menschlichen Organismus so ist, wie wenn jemand etwa sagen würde, er habe abgezählt, wieviele Banknoten man in eine Bank trage und wieviele man wieder heraustrage, und wenn man genug große Zeiträume ins Auge fasse, so seien es gleich viele. So verfährt man auch bei dem Studium des Gesetzes von der Erhaltung des Stoffes und der Kraft: Man sieht, daß ebensoviel Energien in den Stoff hineingehen wie herausgehen. Aber wie man nicht annehmen darf, daß in der Bank die Banknoten als solche umgewandelt werden, sondern vielmehr dort selbständige Arbeit geleistet werden muß - die Banknoten können sogar umgeprägt werden und es können ganz neue herauskommen —, so ist es auch im menschlichen Organismus: Es findet Stoff- und Kraftvernichtung, Stoff- und Kraftschöpfung statt.

Das ist etwas, was nicht in leichtsinniger Weise phantasiert wird, sondern was durchaus innerhalb strenger anthroposophischer Forschung erkannt wird. Nun gilt zwar dasjenige, was für die Außenwelt das Gesetz der Erhaltung des Stoffes und der Kraft ist, allerdings für die mittlere Entwickelungsetappe; wenn wir aber an das Erdenende gehen und mit einer gewissen Berechtigung den Wärmetod annehmen dürfen, dann sehen wir nicht einen großen Friedhof, sondern wir sehen, daß alles das, was der Mensch ausgebildet hat an sittlich-ethischen Idealen, an göttlich-geistigen Überzeugungen, sich in ihm wirklich vereinigen kann mit dem neu entstehenden Stofflichen, und daß folglich man es zu tun hat mit einem realen Keim der Fortbildung. Es wird durch das, was gerade im Menschen entsteht, der Tod des äußeren Stoffes überwunden." (Lit.: GA 079, S. 211f)

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Potsdam-Wiki: Hermann von Helmholtz, abgefragt am 23. Juli 2011
  2. Das 1918 vom Emmy Noether formulierte Theorem besagt, dass zu jeder kontinuierlichen Symmetrie eines physikalischen Systems eine Erhaltungsgröße gehört. Aus der zeitlichen Symmetrie der Naturgesetze folgt dabei unmittelbar die Erhaltung der Energie, aus der räumlichen Invarianz der Impulserhaltungssatz und aus der Rotationsinvarianz der Drehimpulserhaltungssatz.

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Anthroposophie, ihre Erkenntniswurzeln und Lebensfrüchte, GA 78 (1986), ISBN 3-7274-0780-8 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Die Wissenschaft vom Werden des Menschen, GA 183 (1990), ISBN 3-7274-1830-3 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  3. Rudolf Steiner: Die Naturwissenschaft und die weltgeschichtliche Entwickelung der Menschheit seit dem Altertum, GA 325 (1989), ISBN 3-7274-3250-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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