Jürgen Habermas und Erbkrankheit: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:JuergenHabermas retouched.jpg|miniatur|left|Habermas 2007 an der [[Hochschule für Philosophie München]]]]
<gallery perrow="1" class="float-right" caption="Beispiele für Erbgänge" widths="200" heights="200">
'''Jürgen Habermas''' (* 18. Juni 1929 in Düsseldorf) ist einer der weltweit meistrezipierten [[Philosoph]]en und [[wikipedia:Soziologe|Soziologe]]n der Gegenwart. In der philosophischen Fachwelt wurde er bekannt durch Arbeiten zur [[Sozialphilosophie]] mit [[wikipedia:Diskurstheorie|diskurs-]], [[wikipedia:Handlungstheorie (Philosophie)|handlungs-]] und [[rationalität]]stheoretischen Beiträgen, mit denen er die [[wikipedia:Kritische Theorie|Kritische Theorie]] auf einer neuen Basis weiterführte. Für Habermas bilden [[wikipedia:kommunikativ|kommunikativ]]e [[wikipedia:Interaktion|Interaktion]]en, in denen rationale Geltungsgründe erhoben und anerkannt werden, die Grundlage der [[wikipedia:Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]].
Datei:Autosomal dominant - de.svg|Autosomal-dominanter Erbgang
Datei:Autosomal recessive - de.svg|Autosomal-rezessiver Erbgang
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== Überblick ==
Als '''Erbkrankheit''' (oder ''genetisch bedingte Krankheit'') werden Erkrankungen und Besonderheiten bezeichnet, die entweder durch eine [[Mutation]] (Genvariante) in einem [[Gen]] ([[Monogenie|monogen]]) oder durch mehrere Mutationen (Genvarianten) in verschiedenen Genen ([[Polygenie|polygen]]) ausgelöst werden können und die zu bestimmten Erkrankungs[[Disposition (Medizin)|dispositionen]] führen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von [[Monogenetische Erkrankung|monogenetischer]] bzw. [[Polygenie|polygenetischer Erkrankung]].
Habermas ist der bekannteste Vertreter der nachfolgenden Generation der [[wikipedia:Kritische Theorie|Kritischen Theorie]]. Vom hegelianisch-marxistischen Ursprung der [[wikipedia:Frankfurter Schule|Frankfurter Schule]] hat er sich durch die Rezeption und Integration eines breiten Spektrums neuerer Theorien gelöst. Nicht zuletzt durch regelmäßige Lehrtätigkeiten an ausländischen Universitäten, vor allem in den USA, sowie aufgrund von Übersetzungen seiner wichtigsten Arbeiten werden seine Theorien weltweit diskutiert.


Wegen der Vielfalt seiner philosophischen und sozialwissenschaftlichen Aktivitäten gilt Habermas als ein produktiver und engagierter Intellektueller.<ref>Laut Michael Funken ist er „der meistzitierte deutsche Philosoph der Gegenwart, und zwar mit Abstand“ und [[wikipedia:Ralf Dahrendorf|Ralf Dahrendorf]] sieht in ihm „den bedeutendsten Intellektuellen meiner Generation“. In: Michael Funken (Hrsg.): ''Über Habermas. Gespräche mit Zeitgenossen'', Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, S. 7 und 124.</ref> Er verband den [[wikipedia:Historischer Materialismus|historischen Materialismus]] von [[Karl Marx|Marx]] mit dem amerikanischen [[Pragmatismus]], der [[Entwicklungstheorie]] von [[wikipedia:Jean Piaget|Piaget]] und [[wikipedia:Lawrence Kohlberg|Kohlberg]] und der [[Psychoanalyse]] von [[Sigmund Freud|Freud]]. Zudem beeinflusste er maßgeblich die deutschen [[wikipedia:Sozialwissenschaft|Sozialwissenschaft]]en, die [[Ethik|Moral]]- und [[Sozialphilosophie]]. Meilensteine waren vor allem seine ''[[wikipedia:Theorie des kommunikativen Handelns|Theorie des kommunikativen Handelns]]'' und, wiederholt inspiriert durch die diskurstheoretische Auseinandersetzung mit [[wikipedia:Karl-Otto Apel|Karl-Otto Apel]], seine [[Diskurs]]theorie der Moral und des Rechts.
Im engeren Sinne zählt man jedoch nur jene Erkrankungen und Besonderheiten zu den Erbkrankheiten, die durch von Anfang an untypisch veränderte Gene ausgelöst und durch [[Vererbung (Biologie)|Vererbung]] von den Vorfahren auf ihre Nachkommen übertragen werden. Die früheste Methode zur Erforschung der Vererbungswege war die [[Stammbaumanalyse]] bei Familienstammbäumen, in denen beispielsweise die [[Hämophilie#Geschichte|Bluterkrankheit]] oder die [[Farbenblindheit]] usw. gehäuft auftraten.<ref>Ulrich Weber: ''Biologie Oberstufe. Gesamtband.'' Cornelsen, Berlin 2001, ISBN 3-464-04279-0, S. 180–182.</ref>


Als übergeordnetes Motiv seines multidisziplinären Werks gilt ihm „die [[wikipedia:Versöhnung|Versöhnung]] der mit sich selber zerfallenden [[wikipedia:Moderne|Moderne]]“.<ref>Habermas: ''Die neue Unübersichtlichkeit'', S. 202.</ref> Dazu verfolgt er die Strategie, anders als Apel generell auf [[wikipedia:Letztbegründung|Letztbegründung]]en zu verzichten und „die universalistischen Fragestellungen der [[Transzendentalphilosophie]], bei gleichzeitiger Detranszendentalisierung des Vorgehens und der Beweisziele, aufzunehmen“.<ref>Habermas: ''Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns'', S. 505 f.</ref> Habermas war an allen großen theoretischen Debatten der Bundesrepublik beteiligt und bezog zu gesellschaftspolitischen Kontroversen, wie [[wikipedia:Historikerstreit|Historikerstreit]], Bioethik, deutsche Vereinigung, Europäische Verfassung und Irak-Krieg, mit dem Engagement eines „öffentlichen Intellektuellen“<ref>Stefan Müller-Doohm: ''Jürgen Habermas'', Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008, S. 130.</ref> [[wikt:prononcieren|prononciert]] Stellung.
[[Syndrom]]e wie Formen von [[Trisomie]], bei denen sich nicht die übliche Zahl von 46 [[Chromosom]]en im menschlichen [[Genom]] findet, können somit genau genommen nicht als Erbkrankheit gezählt werden, da sie zumeist spontan erst bei der Zellteilung des [[Embryo]]s auftreten und daher selten von einem Elternteil geerbt werden.


Obwohl er sich selbst als "religiös unmusikalisch" bezeichnete, vertritt '''Habermas''' in der Gentechnikdebatte eine Position, die sich explizit auf die religiös notwendige Bewahrung der Schöpfung beruft.  
== Verschiedene Formen ==
Erbkrankheiten folgen verschiedenen [[Erbgang (Biologie)|Erbgängen]] und sind mit unterschiedlichen Vererbungs-, Wiederholungs- und Erkrankungswahrscheinlichkeiten verbunden. Man unterscheidet autosomal-rezessive und [[Autosomal-dominanter Erbgang|autosomal-dominante]] von gonosomalen und mitochondrialen Erbgängen.


"Dass der Menschen-Gott, der die Liebe ist, in Adam und Eva freie Wesen schafft, die ihm gleichen, muss man nicht glauben, um zu verstehen, was mit Ebenbildlichkeit gemeint ist. Liebe kann es ohne Erkenntnis in einem anderen, Freiheit ohne gegenseitige Anerkennung nicht geben.
=== Autosomal-rezessive Erbgänge ===
Dieses Gegenüber in Menschgestalt muss einerseits frei sein, um die Zuwendung Gottes erwidern zu können. Trotz seiner Ebenbildlichkeit wird freilich auch dieser Andere als Geschöpf Gottes vorgestellt. Hinsichtlich seiner Herkunft kann er Gott nicht ebenbürtig sein. Diese Geschöpflichkeit des Ebenbildes drückt eine Intuition aus, die in unserem Zusammenhang auch dem religiös Unmusikalischen etwas sagen kann. Hegel hatte ein Gespür für den Unterschied zwischen göttlicher 'Schöpfung' und dem bloßen 'Hervorgehen' aus Gott. Gott bleibt nur solange ein "Gott freier Menschen", wie wir die absolute Differenz zwischen Schöpfer und Geschöpf nicht einebenen. Nur so lange bedeutet nämlich die göttliche Formgebung keine Determinierung, die der Selbstbestimmung des Menschen in den Arm fällt."<ref>Jürgen Habermas "Dank", In: Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2001 Jürgen Habermas,
[[Datei:Autorecessive 01.png|mini|Der autosomal-rezessive Erbgang]]
ISBN 3-7657-2447-5, S. 54</ref>


==Einzelnachweise==
Die Besonderheit tritt nur dann in Erscheinung, wenn sich auf jeweils beiden [[Chromosom]]en eine Veränderung ([[Mutation]]) in beiden Kopien eines bestimmten [[Gen]]s findet, d.&nbsp;h., wenn der betreffende Mensch jeweils eine Veränderung von seinem biologischen Vater und eine von seiner biologischen Mutter geerbt hat. Die Eltern müssen dabei nicht betroffen sein, der [[Phänotyp]] tritt also nicht in jeder Generation auf. Die Mutation muss dabei nicht identisch sein. Führen zwei molekulargenetisch unterscheidbare Mutationen zu dem gleichen Funktionsverlust in einem Gen, so spricht man von ''[[Komplexe Heterozygotie|Compound Heterozygotie]]''. Beispiele für autosomal-rezessive Erbgänge sind [[Mukoviszidose]], [[Albinismus]] und [[Phenylketonurie]] (PKU) (Defekt der Phenylalaninhydroxylase).


<references />
Ursachen für scheinbare Abweichungen autosomal rezessiver Vererbung sind [[Pseudodominanz]], [[Heterogenie]], [[Isodisomie]] und das Nichteinrechnen von [[Heterozygot]]en mit gesunden Kindern. Typische Beispiele sind:
* [[Adrenogenitales Syndrom]] (AGS),
* [[Ahornsirupkrankheit]],
* [[Albinismus]],
* [[Alkaptonurie]],
* [[Alpha1-Antitrypsinmangel]],
* [[Galaktosämie]],
* [[Hereditäre Fruktoseintoleranz]]
* [[Hämochromatose]]
* [[Joubert-Syndrom]],
* [[Kretinismus]],
* [[Kurzripp-Polydaktylie-Syndrom]] (Typ I, II, III, IV),
* [[Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndrom]] ([[LMBB-Syndrom]]),
* [[Lippen-Kiefer-Gaumenspalte]]
* [[Morbus Wilson]]
* [[Mukopolysaccharidose]]n (MPS),
* [[Mukoviszidose]] bzw. ''Zystische Fibrose'',
* [[Nephrotisches Syndrom|Nephrotisches Syndrom vom finnischen Typ]],
* [[Peters-Plus-Syndrom]],
* [[Phenylketonurie]] (PKU),
* [[Ribbing-Syndrom]],
* [[Thalassämie]] und
* [[Xeroderma pigmentosum]].
* [[Zystenniere#Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung|Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD)]]
 
=== Autosomal-dominante Erbgänge ===
[[Datei:Autodominant 01.png|mini|Der autosomal-dominante Erbgang]]
 
Hier führt bereits ein verändertes [[Allel]] (Allele sind die einander jeweils und gleichzeitig gegensätzlich entsprechenden Gene eines [[diploid]]en Chromosomensatzes) auf einem der beiden homologen Chromosomen zur Merkmalsausprägung. Die genetische Information liegt auf einem der 44 [[Autosom]]en vor und wird unabhängig vom [[Genetisches Geschlecht|Geschlecht]] vererbt. Frauen und Männer sind also gleichermaßen betroffen. Der [[Phänotyp]] tritt in jeder Generation auf. Beispiele sind:
* [[Achondroplasie]],
* [[Apert-Syndrom]],
* [[Brachydaktylie]],
* [[Chorea Huntington]] („Veitstanz“),
* [[Ehlers-Danlos-Syndrom]] (Typen I–IV, VII A/B, VIII),
* [[Engelmann-Syndrom]],
* [[Erythropoetische Protoporphyrie]],
* [[Faktor-V-Leiden-Mutation]]
* [[Familiäre Hypercholesterinämie]],
* [[Hereditäre motorisch-sensible Neuropathie|HMSN]] Typ I ([[Morbus Charcot-Marie-Tooth]]),
* [[Maligne Hyperthermie]],
* [[Marfan-Syndrom]],
* [[Multiple kartilaginäre Exostosen]]
* [[Myotone Dystrophie Typ I]],
* [[Neurofibromatose]] (Morbus Recklinghausen),
* [[Osteogenesis imperfecta]] (Typ I),
* [[Piebaldismus]],
* [[Polydaktylie]],
* [[Retinoblastom]],
* [[Ruvalcaba-Myhre-Smith-Syndrom]] und
* [[Sichelzellenanämie]].
* [[Zystenniere#Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung|Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD)]]
 
=== Gonosomale Erbgänge ===
[[Gonosom]]ale Erbkrankheiten, also solche, bei denen die Veränderung die Geschlechtschromosomen X bzw. Y betrifft, liegen in den meisten Fällen auf dem [[X-Chromosom]], da das [[Y-Chromosom]] weniger Gene enthält. Das X-Chromosom hat 155 Megabasen, das Y-Chromosom 59 Megabasen<ref>[http://www.ensembl.org/Homo_sapiens/Location/Genome Ensembl Datenbank], abgerufen am 11. Februar 2017.</ref> Am Beispiel der X-chromosomalen Vererbung werden folgende Besonderheiten deutlich:
 
==== X-chromosomal-rezessiv ====
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Datei:X-chromosomal-rezessive-Mutter.png|X-chromosomal-rezessiver Erbgang (Mutter ist Konduktor)
Datei:X-chromosomal-rezessive-Vater.png|X-chromosomal-rezessiver Erbgang (bei krankem Vater)
</gallery>
 
Mädchen/Frauen sind nur betroffen, wenn beide X-Chromosomen geschädigt sind, ansonsten sind sie nur Anlageträger ([[Konduktor]]en), d.&nbsp;h., sie können das veränderte X-Chromosom an ihre Kinder weitervererben, bilden selbst aber keinen entsprechenden Phänotyp aus. Mädchen/Frauen können vielfach die Veränderung auf einem X-Chromosom durch ihr zweites X-Chromosom ausgleichen, wenn es nicht verändert ist. Jungen/Männer sind dann betroffen, wenn sie das eine veränderte X-Chromosom von der phänotypisch gesunden Mutter, oder eines von beiden veränderten X-Chromosomen einer phänotypisch erkrankten Mutter vererbt bekommen, da Jungen/Männer ja ein X-Chromosom auf jeden Fall von der Mutter bekommen und auch nur dieses eine besitzen. Phänotypisch sind Jungen/Männer also häufiger betroffen, da Mädchen/Frauen den Defekt durch das andere X-Chromosom ausgleichen. Beispiele sind [[G6PD-Mangel|Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel]] (G-6-PD-Mangel), [[Hämophilie]] A und B (Bluterkrankheit), [[Lesch-Nyhan-Syndrom]], [[Morbus Fabry]], [[Mukopolysaccharidose]] Typ II, [[Muskeldystrophie]] (Typ Duchenne, Typ Becker-Kiener), [[Norrie-Syndrom]], [[Retinitis pigmentosa]], [[Rot-Grün-Blindheit]], [[Septische Granulomatose]], [[X-SCID]] (severe combined immune deficiency) und [[Ornithin-Transcarbamylase]] (OTC)-Mangel<ref>J. E. Wraith: ''[http://adc.bmj.com/cgi/content/full/84/1/84 Ornithine carbamoyltransferase deficiency.]'' In: ''Archives of Disease in Childhood.'' Januar 2001, Band 84, Nr. 1, S. 84–88: ''Review.'' PMID 11124797.</ref> ([[Harnstoffzyklusdefekt]])
 
==== X-chromosomal-dominant ====
<gallery perrow="2" class="float-right" caption="" widths="200" heights="200">
Datei:X-chromosomal-dominant-Vater.png|X-chromosomal-dominanter Erbgang (bei krankem Vater)
Datei:X-chromosomal-dominant-Mutter.png|X-chromosomal-dominanter Erbgang (bei kranker Mutter)
</gallery>
 
Jungen/Männer sind zu 50 % betroffen, wenn ihre Mutter Trägerin eines kranken X-[[Chromosom]]s ist. Trägt eine Mutter dagegen 2 kranke X-Chromosomen, so sind alle Kinder betroffen. Mädchen/Frauen sind insgesamt häufiger betroffen, da die Wahrscheinlichkeit, ein verändertes X-Chromosom zu erhalten, bei zwei X-Chromosomen (eins vom Vater, eins von der Mutter) höher ist als bei Jungen/Männern (Eines von der Mutter). Beispiele sind [[Phosphatdiabetes|Familiäre phosphatämische Rachitis]] (auch ''idiopathisches Debré-de-Toni-Fanconi-Syndrom'' oder ''Vitamin-D-resistente [[Rachitis]]'' genannt), [[Rett-Syndrom]] und [[Oro-fazio-digitales Syndrom Typ 1]].
 
=== Mitochondriale bzw. Extrachromosomale Erbgänge ===
Etwa 0,1 Prozent der [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]] einer menschlichen Zelle befinden sich nicht im Zellkern, sondern in den [[Mitochondrien]]. Da Eizellen im Gegensatz zu Spermien mehrere hunderttausend Mitochondrien besitzen, werden Mutationen in der Mitochondrien-DNA nur mütterlicherseits vererbt. Gleiches gilt für die [[Chloroplast]]en photosynthetisch aktiver Organismen.
 
Siehe auch [[Vererbung (Biologie)#Extrachromosomale Vererbung|Extrachromosomale Vererbung]]
 
== Diagnose und Behandlung ==
Bei Verdacht auf eine Erbkrankheit kann eine [[Humangenetik|humangenetische]] Untersuchung Klarheit verschaffen. Dabei werden die Chromosomen auf zahlenmäßige und strukturelle Veränderungen überprüft. Besteht dringender Verdacht auf einen bestimmten genetischen Defekt ist auch eine weitergehende, aufwändige Untersuchung einzelner Genkonstellationen möglich. Die Ergebnisse können dann bei der Risikoabschätzung bzgl. einer Vererbung hilfreich sein.
 
[[Therapie|Therapeutisch]] kann bei einer vorliegenden Besonderheit des Erbguts mit den heutigen medizinischen Möglichkeiten nicht auf die Ursachen eingewirkt werden. Es werden daher meist Ratschläge in Bezug auf die Lebensweise, Aufklärung über Risikofaktoren und [[symptom]]atische Maßnahmen getroffen. Dies sind dann individuelle Entscheidungen, zumal es sich nicht immer um eine Krankheit, sondern oft um eine [[Disposition (Medizin)|Disposition]] handelt.
 
== Geschichte ==
Der erst seit dem 20. Jahrhundert in der Bedeutung ''genetische Krankheit'' verwendete Begriff der Erbkrankheit<ref>Werner Sohn: ''Erbkrankheiten.'' In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 366 f.; hier: S. 366.</ref> wurde in der ersten Hälfte des [[20. Jahrhundert]]s auch häufig falsch verwendet, unter anderem für angebliche „Krankheiten“ wie „kriminelle Neigung“ oder „Asozialität“.<ref>Wolfgang Ayaß: ''[http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hebis:34-2007013016913 „Asozialer Nachwuchs ist für die Volksgemeinschaft vollkommen unerwünscht“. Die Zwangssterilisationen von sozialen Außenseitern].'' In: Margret Hamm (Hrsg.): ''Lebensunwert - zerstörte Leben. Zwangssterilisation und „Euthanasie“.'' Verlag für akademische Schriften (VAS), Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-88864-391-0, S. 111–119.</ref> Dieses Denken beeinflusste [[Sterilisation]]s-Programme und den [[Euthanasie]]-Gedanken und fand seine extreme Ausprägung im deutschen [[Nationalsozialismus]], war aber zum damaligen Zeitpunkt auch in vielen anderen Ländern wie den USA, England und Frankreich vorhanden. Heute werden nur noch solche Krankheiten als Erbkrankheiten bezeichnet, die möglichst klar abgrenzbar sind und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf Gendefekte zurückgehen.
 
== Sonstige Erbkrankheiten und Besonderheiten ==
* [[Erbkrankheiten in endogamen Populationen]]


==Werke==
* [[Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom]]
* [[Spastische Spinalparalyse|Hereditäre Spastische Spinalparalyse (HSP/FSP)]]
* [[Hypophosphatasie]]
* [[Ichthyose]]
* [[Katzenaugen-Syndrom]]
* [[Retinitis pigmentosa]], [[Usher-Syndrom]]
* [[Tuberöse Sklerose]]
* [[Wolf-Hirschhorn-Syndrom]]


* ''Das Absolute und die Geschichte. Von der Zwiespältigkeit in [[Friedrich Wilhelm Joseph Schelling|Schellings]] Denken'' (Dissertation), Bonn 1954. [[wikipedia:Amazon Standard Identification Number|ASIN]] B0000BIXRS.
== Genetisch bedingte Disposition ==
* ''Student und Politik. Eine soziologische Untersuchung zum politischen Bewußtsein<!--sic!--> Frankfurter Studenten'' (zus. mit [[wikipedia:Ludwig von Friedeburg|L. v. Friedeburg]], Ch. Oehler und F. Weltz), Luchterhand, Neuwied 1961. ASIN B0000BODJX.
Diverse Erkrankungen, [[Behinderung]]en und Besonderheiten sind nicht im Sinne einer klassischen Erbkrankheit erblich, sondern ihr Auftreten kann durch eine (mitunter familiäre) genetische Erkrankungs[[Disposition (Medizin)|disposition]] (Veranlagung, Anfälligkeit) bedingt sein. Hierzu zählen z. B.:
* ''Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft'' (Habilitationsschrift). Luchterhand, Neuwied 1962. (Neuauflage: Suhrkamp, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-518-28491-6.)
* ''Theorie und Praxis. Sozialphilosophische Studien'', Neuwied 1963, ISBN 978-3-518-27843-7. (Neuauflage: Suhrkamp Taschenbuch 9, Frankfurt am Main 1971, ISBN 3-518-06509-2.)
* ''Erkenntnis und Interesse''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1968. (Mit einem neuen Nachwort, 1994, ISBN 3-518-06731-1.)
* ''Technik und Wissenschaft als „Ideologie“,'' Frankfurt am Main 1968, ISBN 3-518-10287-7.
* ''Protestbewegung und Hochschulreform'', Frankfurt am Main 1969. Broschiert in 2008: ISBN 978-3-518-41984-7.
* ''Zur Logik der Sozialwissenschaften'', [zuerst Beiheft 5 der ''Philosophischen Rundschau'', Tübingen 1967] Frankfurt am Main 1970 (5., erw. Aufl. 1982, ISBN 3-518-28117-8.)
* ''Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. Was leistet die Systemforschung? ''(zus. mit [[Niklas Luhmann]]), Frankfurt am Main 1971, ISBN 978-3-518-06358-3.
* ''Philosophisch-politische Profile'', Frankfurt am Main 1971. (erw. 1991, ISBN 978-3-518-28259-5.)
* ''Kultur und Kritik''. Verstreute Aufsätze, Frankfurt am Main 1973, ISBN 978-3-518-36625-7.
* ''Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus'', Frankfurt am Main 1973, ISBN 3-518-10623-6. {{IT|16|http://www.suhrkamp.de/buecher/legitimationsprobleme_im_spaetkapitalismus-juergen_habermas_10623.html|Verlagsauskunft und Inhaltsangabe/Kommentar}}
* ''Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus'', Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-518-27754-5.
* ''Politik, Kunst, Religion. Essays über zeitgenössische Philosophen.'' Stuttgart 1978, ISBN 3-15-009902-1.
* ''[[wikipedia:Theorie des kommunikativen Handelns|Theorie des kommunikativen Handelns]]'' (Bd. 1: ''Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung''; Bd. 2: ''Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft''), Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-518-28775-3.
* ''Kleine politische Schriften I–IV'', Frankfurt am Main 1981, ISBN 978-3-518-56560-5 2001: ISBN 978-3-518-06561-7.
* ''Moralbewußtsein<!--sic!--> und kommunikatives Handeln'', Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-518-28022-8.
* ''Vorstudien und Ergänzungen zur [[wikipedia:Theorie des kommunikativen Handelns|Theorie des kommunikativen Handelns]]'', Frankfurt am Main 1984, ISBN 978-3-518-28776-7.
* ''Die neue Unübersichtlichkeit. Kleine Politische Schriften V'', Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-518-11321-6.
* ''[[wikipedia:Der philosophische Diskurs der Moderne|Der philosophische Diskurs der Moderne]]'', Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-518-57722-0.
* ''Eine Art Schadensabwicklung. Kleine Politische Schriften VI'', Frankfurt am Main 1987, ISBN 978-3-518-11453-7.
* ''Nachmetaphysisches Denken. Philosophische Aufsätze'', Frankfurt am Main 1988, ISBN 978-3-518-28604-3.
* ''Die nachholende Revolution. Kleine politische Schriften VII'', Frankfurt am Main 1990, ISBN 978-3-518-11633-3.
* ''Die Moderne – Ein unvollendetes Projekt. Philosophisch-politische Aufsätze'', Leipzig 1990, ISBN 978-3-379-00658-3.
* ''Erläuterungen zur Diskursethik'', Frankfurt am Main 1991, ISBN 978-3-518-28575-6.
* ''Texte und Kontexte'', Frankfurt am Main 1991, ISBN 978-3-518-28544-2.
* ''Vergangenheit als Zukunft? Das alte Deutschland im neuen Europa? Ein Gespräch mit Michael Haller'', Zürich 1991, ISBN 978-3-85842-251-4.
* ''Faktizität und Geltung. Beiträge zur [[wikipedia:Diskurstheorie des Rechts|Diskurstheorie des Rechts]] und des demokratischen Rechtsstaates'', Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-518-28961-6.
* ''Die Normalität einer Berliner Republik. Kleine Politische Schriften VIII'',Frankfurt am Main 1995, ISBN 978-3-518-11967-9.
* ''Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie'', Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-29044-4.
* ''Vom sinnlichen Eindruck zum symbolischen Ausdruck. Philosophische Essays'', Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-518-22233-3.
* ''Die postnationale Konstellation. Politische Essays'', Frankfurt am Main 1998, ISBN 978-3-518-12095-8.
* ''Wahrheit und Rechtfertigung. Philosophische Aufsätze'', Frankfurt am Main 1999, ISBN 978-3-518-29323-2.
* ''Zeit der Übergänge. Kleine Politische Schriften IX'', Frankfurt am Main 2001, ISBN 978-3-518-12262-4.
* ''Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik?'', Frankfurt am Main 2001, ISBN 978-3-518-29344-7.
* ''Kommunikatives Handeln und detranszendentalisierte Vernunft'', Reclam Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3-15-018164-X.
* ''Der gespaltene Westen. Kleine politische Schriften X'', Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-518-12383-1.
* ''Zwischen Naturalismus und Religion. Philosophische Aufsätze'', Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-518-58447-2.
* ''Ach, Europa. Kleine politische Schriften XI.'' Frankfurt am Main 2008, ISBN 3-518-12551-6.
* ''Philosophische Texte'', 5 Bände, Studienausgabe, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-518-58515-3. <small>[http://habermas-rawls.blogspot.com/2009/05/habermas-philosophische-texte-in-5.html Inhaltsverzeichnis]</small>
* ''Zur Verfassung Europas. Ein Essay''. Suhrkamp, Berlin 2011, ISBN 978-3-518-06214-2.
* ''Nachmetaphysisches Denken II. Aufsätze und Repliken''. Suhrkamp, Berlin 2012. ISBN 978-3-518-58581-8.
* ''Im Sog der Technokratie. Kleine politische Schriften XII''. Suhrkamp, Berlin 2013, ISBN 978-3-518-12671-4


== Kritische Literatur ==
* [[Adipositas]]
*[[Mieke Mosmuller|Mosmuller-Crull, Mieke]]: ''Ethisch individualisme versus kommunikatief handelen. Kritiek op Habermas' theorie. Deel 1'', Baarle-Nassau, Den Haag, Occident Verlag, 1998 (2007), 245 pp., ISBN 90-75240-06-6 {{IT|16|https://www.bol.com/nl/p/ethisch-individualisme-versus-kommunikatief-handelen-1-kritiek-op-habermas-theorie/1001004001564019|Klappentext u. Rezension}} (Klappentext und Rezension auf niederländisch)
* [[Allergie]]n, diverse
* [[Alzheimer-Krankheit]]
* [[Autoimmunerkrankung]]en
* [[Bipolare Störung]]
* [[Bluthochdruck]]
* [[Creutzfeldt-Jakob-Krankheit]]
* [[Depression]]
* [[Diabetes mellitus]]
* [[Großzehenabweichung]] ([[Hallux valgus]])
* [[Haarausfall]]
* [[Herzfehler]]
* [[Herzinfarkt]]
* [[Krebs (Medizin)|Krebserkrankungen]] diverse (siehe [http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.45.3260 Richtlinien zur Diagnostik der genetischen Disposition für Krebserkrankungen] auf der Website der Bundesärztekammer)
* [[Laktoseintoleranz]]
* [[maligne Hyperthermie]]
* [[Migräne]]
* [[Multiple Sklerose]] (MS)
* [[Osteoporose]]
* [[Parkinson-Krankheit]]
* [[Psoriasis]]
* [[Rheuma]]
* [[Schizophrenie]]
* [[Schlaganfall]]
* [[Gehörlosigkeit|Taubheit]]
* Formen der [[Trisomie]] ([[Disposition (Medizin)|Disposition]] zur Entstehung einer Translokations-Trisomie bei Nachkommen beim Vorliegen einer „[[Translokation (Genetik)|Balancierten Translokation]]“ des entsprechenden Chromosoms bei Eltern ohne die jeweilige Form von Trisomie)
* [[Vitiligo]]


== Sekundärliteratur ==
== Siehe auch ==
*GESIS Habermas-Bibliographie "Literatur zu Jürgen Habermas aus fünf Jahrzehnten", mit Inhaltsangaben, bearbeitet von Maria Zens, 2009 {{VT16|http://www.gesis.org/fileadmin/upload/dienstleistung/fachinformationen/recherche_spezial/RS6-09-Habermas.pdf}}
* {{WikipediaDE|Kategorie:Genetische Störung}}
*Hauke Brunkhorst/Regina Kreide/Cristina Lafont (Hrsg.): Habermas-Handbuch, J. B. Metzler Vlg., Stuttgart - Weimar 2015
* {{WikipediaDE|Kategorie:Erbkrankheit}}
''Weitere Literatur siehe {{wikipediaDE|Jürgen Habermas}}''
* {{WikipediaDE|Erbkrankheit}}
* {{WikipediaDE|Liste von Erbkrankheiten}}
* {{WikipediaDE|Genetik}}
* {{WikipediaDE|Erbliche Tumorerkrankungen}}
* {{WikipediaDE|Pränataldiagnostik}}
* {{WikipediaDE|Präimplantationsdiagnostik}}
* {{WikipediaDE|Kategorie:Erbkrankheit des Hundes}}  


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* Ludwig Sieb über Habermas' rechtsstaatliche Wende mit seinem Werk Faktizität und Geltung (1992):[http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13679947.html] in: Der Spiegel Nr 43, 1992
{{Wikibooks|Klinische Humangenetik}}
* [http://www.taz.de/!36281/ ''Habermas wird 80: Die Trümmerfrau der Philosophie'' von Isolde Charim, taz-Online vom 18.06.2009]
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* [http://www.zeit.de/2012/37/Habermas-Krise-Europa-Rede-Georg-August-Zinn-Preis Jürgen Habermas: ''Politik und Erpressung'']
* [http://www.mallig.eduvinet.de/bio/Repetito/Banaly1.html Einführung in die Stammbaumanalyse]
* [http://www.genome.gov/10005911 Human genetics: A Resource For Teachers] (englisch)
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
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Version vom 22. Mai 2018, 08:29 Uhr

Als Erbkrankheit (oder genetisch bedingte Krankheit) werden Erkrankungen und Besonderheiten bezeichnet, die entweder durch eine Mutation (Genvariante) in einem Gen (monogen) oder durch mehrere Mutationen (Genvarianten) in verschiedenen Genen (polygen) ausgelöst werden können und die zu bestimmten Erkrankungsdispositionen führen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von monogenetischer bzw. polygenetischer Erkrankung.

Im engeren Sinne zählt man jedoch nur jene Erkrankungen und Besonderheiten zu den Erbkrankheiten, die durch von Anfang an untypisch veränderte Gene ausgelöst und durch Vererbung von den Vorfahren auf ihre Nachkommen übertragen werden. Die früheste Methode zur Erforschung der Vererbungswege war die Stammbaumanalyse bei Familienstammbäumen, in denen beispielsweise die Bluterkrankheit oder die Farbenblindheit usw. gehäuft auftraten.[1]

Syndrome wie Formen von Trisomie, bei denen sich nicht die übliche Zahl von 46 Chromosomen im menschlichen Genom findet, können somit genau genommen nicht als Erbkrankheit gezählt werden, da sie zumeist spontan erst bei der Zellteilung des Embryos auftreten und daher selten von einem Elternteil geerbt werden.

Verschiedene Formen

Erbkrankheiten folgen verschiedenen Erbgängen und sind mit unterschiedlichen Vererbungs-, Wiederholungs- und Erkrankungswahrscheinlichkeiten verbunden. Man unterscheidet autosomal-rezessive und autosomal-dominante von gonosomalen und mitochondrialen Erbgängen.

Autosomal-rezessive Erbgänge

Der autosomal-rezessive Erbgang

Die Besonderheit tritt nur dann in Erscheinung, wenn sich auf jeweils beiden Chromosomen eine Veränderung (Mutation) in beiden Kopien eines bestimmten Gens findet, d. h., wenn der betreffende Mensch jeweils eine Veränderung von seinem biologischen Vater und eine von seiner biologischen Mutter geerbt hat. Die Eltern müssen dabei nicht betroffen sein, der Phänotyp tritt also nicht in jeder Generation auf. Die Mutation muss dabei nicht identisch sein. Führen zwei molekulargenetisch unterscheidbare Mutationen zu dem gleichen Funktionsverlust in einem Gen, so spricht man von Compound Heterozygotie. Beispiele für autosomal-rezessive Erbgänge sind Mukoviszidose, Albinismus und Phenylketonurie (PKU) (Defekt der Phenylalaninhydroxylase).

Ursachen für scheinbare Abweichungen autosomal rezessiver Vererbung sind Pseudodominanz, Heterogenie, Isodisomie und das Nichteinrechnen von Heterozygoten mit gesunden Kindern. Typische Beispiele sind:

Autosomal-dominante Erbgänge

Der autosomal-dominante Erbgang

Hier führt bereits ein verändertes Allel (Allele sind die einander jeweils und gleichzeitig gegensätzlich entsprechenden Gene eines diploiden Chromosomensatzes) auf einem der beiden homologen Chromosomen zur Merkmalsausprägung. Die genetische Information liegt auf einem der 44 Autosomen vor und wird unabhängig vom Geschlecht vererbt. Frauen und Männer sind also gleichermaßen betroffen. Der Phänotyp tritt in jeder Generation auf. Beispiele sind:

Gonosomale Erbgänge

Gonosomale Erbkrankheiten, also solche, bei denen die Veränderung die Geschlechtschromosomen X bzw. Y betrifft, liegen in den meisten Fällen auf dem X-Chromosom, da das Y-Chromosom weniger Gene enthält. Das X-Chromosom hat 155 Megabasen, das Y-Chromosom 59 Megabasen[2] Am Beispiel der X-chromosomalen Vererbung werden folgende Besonderheiten deutlich:

X-chromosomal-rezessiv

Mädchen/Frauen sind nur betroffen, wenn beide X-Chromosomen geschädigt sind, ansonsten sind sie nur Anlageträger (Konduktoren), d. h., sie können das veränderte X-Chromosom an ihre Kinder weitervererben, bilden selbst aber keinen entsprechenden Phänotyp aus. Mädchen/Frauen können vielfach die Veränderung auf einem X-Chromosom durch ihr zweites X-Chromosom ausgleichen, wenn es nicht verändert ist. Jungen/Männer sind dann betroffen, wenn sie das eine veränderte X-Chromosom von der phänotypisch gesunden Mutter, oder eines von beiden veränderten X-Chromosomen einer phänotypisch erkrankten Mutter vererbt bekommen, da Jungen/Männer ja ein X-Chromosom auf jeden Fall von der Mutter bekommen und auch nur dieses eine besitzen. Phänotypisch sind Jungen/Männer also häufiger betroffen, da Mädchen/Frauen den Defekt durch das andere X-Chromosom ausgleichen. Beispiele sind Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel (G-6-PD-Mangel), Hämophilie A und B (Bluterkrankheit), Lesch-Nyhan-Syndrom, Morbus Fabry, Mukopolysaccharidose Typ II, Muskeldystrophie (Typ Duchenne, Typ Becker-Kiener), Norrie-Syndrom, Retinitis pigmentosa, Rot-Grün-Blindheit, Septische Granulomatose, X-SCID (severe combined immune deficiency) und Ornithin-Transcarbamylase (OTC)-Mangel[3] (Harnstoffzyklusdefekt)

X-chromosomal-dominant

Jungen/Männer sind zu 50 % betroffen, wenn ihre Mutter Trägerin eines kranken X-Chromosoms ist. Trägt eine Mutter dagegen 2 kranke X-Chromosomen, so sind alle Kinder betroffen. Mädchen/Frauen sind insgesamt häufiger betroffen, da die Wahrscheinlichkeit, ein verändertes X-Chromosom zu erhalten, bei zwei X-Chromosomen (eins vom Vater, eins von der Mutter) höher ist als bei Jungen/Männern (Eines von der Mutter). Beispiele sind Familiäre phosphatämische Rachitis (auch idiopathisches Debré-de-Toni-Fanconi-Syndrom oder Vitamin-D-resistente Rachitis genannt), Rett-Syndrom und Oro-fazio-digitales Syndrom Typ 1.

Mitochondriale bzw. Extrachromosomale Erbgänge

Etwa 0,1 Prozent der DNA einer menschlichen Zelle befinden sich nicht im Zellkern, sondern in den Mitochondrien. Da Eizellen im Gegensatz zu Spermien mehrere hunderttausend Mitochondrien besitzen, werden Mutationen in der Mitochondrien-DNA nur mütterlicherseits vererbt. Gleiches gilt für die Chloroplasten photosynthetisch aktiver Organismen.

Siehe auch Extrachromosomale Vererbung

Diagnose und Behandlung

Bei Verdacht auf eine Erbkrankheit kann eine humangenetische Untersuchung Klarheit verschaffen. Dabei werden die Chromosomen auf zahlenmäßige und strukturelle Veränderungen überprüft. Besteht dringender Verdacht auf einen bestimmten genetischen Defekt ist auch eine weitergehende, aufwändige Untersuchung einzelner Genkonstellationen möglich. Die Ergebnisse können dann bei der Risikoabschätzung bzgl. einer Vererbung hilfreich sein.

Therapeutisch kann bei einer vorliegenden Besonderheit des Erbguts mit den heutigen medizinischen Möglichkeiten nicht auf die Ursachen eingewirkt werden. Es werden daher meist Ratschläge in Bezug auf die Lebensweise, Aufklärung über Risikofaktoren und symptomatische Maßnahmen getroffen. Dies sind dann individuelle Entscheidungen, zumal es sich nicht immer um eine Krankheit, sondern oft um eine Disposition handelt.

Geschichte

Der erst seit dem 20. Jahrhundert in der Bedeutung genetische Krankheit verwendete Begriff der Erbkrankheit[4] wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch häufig falsch verwendet, unter anderem für angebliche „Krankheiten“ wie „kriminelle Neigung“ oder „Asozialität“.[5] Dieses Denken beeinflusste Sterilisations-Programme und den Euthanasie-Gedanken und fand seine extreme Ausprägung im deutschen Nationalsozialismus, war aber zum damaligen Zeitpunkt auch in vielen anderen Ländern wie den USA, England und Frankreich vorhanden. Heute werden nur noch solche Krankheiten als Erbkrankheiten bezeichnet, die möglichst klar abgrenzbar sind und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf Gendefekte zurückgehen.

Sonstige Erbkrankheiten und Besonderheiten

Genetisch bedingte Disposition

Diverse Erkrankungen, Behinderungen und Besonderheiten sind nicht im Sinne einer klassischen Erbkrankheit erblich, sondern ihr Auftreten kann durch eine (mitunter familiäre) genetische Erkrankungsdisposition (Veranlagung, Anfälligkeit) bedingt sein. Hierzu zählen z. B.:

Siehe auch

Weblinks

 Wikibooks: Klinische Humangenetik – Lern- und Lehrmaterialien
 Wiktionary: Erbkrankheit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Ulrich Weber: Biologie Oberstufe. Gesamtband. Cornelsen, Berlin 2001, ISBN 3-464-04279-0, S. 180–182.
  2. Ensembl Datenbank, abgerufen am 11. Februar 2017.
  3. J. E. Wraith: Ornithine carbamoyltransferase deficiency. In: Archives of Disease in Childhood. Januar 2001, Band 84, Nr. 1, S. 84–88: Review. PMID 11124797.
  4. Werner Sohn: Erbkrankheiten. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 366 f.; hier: S. 366.
  5. Wolfgang Ayaß: „Asozialer Nachwuchs ist für die Volksgemeinschaft vollkommen unerwünscht“. Die Zwangssterilisationen von sozialen Außenseitern. In: Margret Hamm (Hrsg.): Lebensunwert - zerstörte Leben. Zwangssterilisation und „Euthanasie“. Verlag für akademische Schriften (VAS), Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-88864-391-0, S. 111–119.
Bitte beachten Sie den Hinweis zu Gesundheitsthemen!


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Erbkrankheit aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.