Ökogeographische Regeln und Wissensgebiet: Unterschied zwischen den Seiten

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Die '''ökogeographischen Regeln''' sind ein Satz von [[Wikipedia:Regel (Richtlinie)|Regeln]] über Tiere und Pflanzen, die aus der Beobachtung erwachsen sind, dass nah verwandte [[Art (Biologie)|Arten]] sich in bestimmten [[Merkmal]]en unterscheiden, wenn sie in verschiedenen geographischen Regionen leben. Dabei hängt die Ausprägung dieser Merkmale in charakteristischer Weise von den klimatischen Verhältnissen ab.
#WEITERLEITUNG [[Wissen#Wissen und Können]]
Diese regelhaften Unterschiede lassen sich auch innerhalb einer Art beim Vergleich von [[Unterart]]en beobachten.
 
Die Regeln spiegeln damit die [[Genetische Variabilität|Variation]]sbreite innerhalb eines Verwandtschaftskreises wider. Zugleich beschreiben sie [[Konvergenz (Biologie)|konvergente Entwicklung]], weil auch ganz verschiedene Arten in vergleichbaren Regionen ähnliche Merkmalsausprägungen aufweisen.
 
== Tiergeographische Regeln ==
=== {{Anker|Bergmann}}Bergmannsche Regel ===
Die ''Bergmannsche Regel'' beschreibt ursprünglich die Beobachtung, dass bei nahe verwandten [[Art (Biologie)|Arten]] [[Gleichwarmes Tier|gleichwarmer Tiere]] (homoiothermer Tiere) die durchschnittliche Körpergröße zu den Polen hin ansteigt. Diesen Zusammenhang von durchschnittlicher Körpergröße und [[Klima]] beschrieb der Göttinger [[Anatomie|Anatom]] und [[Physiologe]] [[Carl Bergmann (Anatom)|Carl Bergmann]] 1847, daher wird es als Bergmannsche Regel bezeichnet. In der Fachliteratur wird die Bergmannsche Regel heute breiter definiert als ursprünglich.<ref>Meiri, S. (2011). Bergmann's Rule – what's in a name? Global Ecology and Biogeography 20:203–207, [http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1466-8238.2010.00577.x/abstract].</ref> Die Regel wird heute auch auf verschiedene Arten innerhalb eines höheren Taxons wie z.&nbsp;B. einer [[Gattung (Biologie)|Gattung]] oder [[Familie (Biologie)|Familie]] angewendet, es werden auch [[Wechselwarmes Tier|wechselwarme Tiere]] untersucht und neben dem [[Temperaturgradient]]en der [[Geographische Breite|geographischen Breite]] auch der Temperaturgradient der [[Höhe über dem Meeresspiegel]] berücksichtigt.
 
Ändert sich die Größe eines [[Körper (Physik)|Körpers]], so ändert sich auch das [[Quotient|Verhältnis]] zwischen [[Flächeninhalt|Oberfläche]] und [[Volumen]]. Bei einer Vergrößerung des Körpers wächst die Oberfläche langsamer als das Volumen, denn die Oberfläche wächst nur [[Quadratzahl|quadratisch]], das Volumen dagegen [[Kubikzahl|kubisch]]. Da jeder Körper seine Wärme über die Oberfläche mit der [[Offenes System#Physik|Umgebung]] austauscht, hat ein großer Körper durch das geringere Oberfläche-Volumen-Verhältnis einen geringeren [[Wärmeübertragung|Wärmeaustausch]], d. h. mit zunehmender Körpergröße verringert sich in kalter Umgebung der Wärmeverlust. Je größer also der [[Körper (Biologie)|Körper]] eines gleichwarmen Tieres ist, desto besser kann es sich in einem kalten Lebensraum gegen Wärmeverlust schützen, weil seine [[Haut]]oberfläche im Verhältnis zum Körpervolumen kleiner wird. {{Hauptartikel|Thermoregulation}} Die Bergmannsche Regel wird vor allem bei Tieren mit großer geographischer Verbreitung wie [[Braunbär]]en, [[Wildschwein]]en, [[Echte Füchse|Füchsen]] oder [[Pinguine]]n beobachtet; ihre Körpergröße nimmt mit der [[Geographische Breite|geographischen Breite]] zu, d. h., je näher der Lebensraum solcher Tiere an den [[Polargebiet]]en liegt, desto größer sind sie. Obwohl die Bergmannsche Regel häufig zutrifft, gilt dies keineswegs für alle untersuchten Tiergruppen und Temperaturgradienten.<ref>Meiri, S., Dayan, T. (2003). On the validity of Bergmann's rule. Global Ecology and Biogeography 30:331-351, [http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1046/j.1365-2699.2003.00837.x/abstract].</ref>
 
'''Beispiele'''
* [[Pinguine]]: Der [[Galápagos-Pinguin]] ist der kleinste, der Kaiser-Pinguin in der Antarktis ist der größte Vertreter der rezenten Pinguine. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass auch in der Antarktis und auf den subantarktischen Inseln etliche kleine Pinguin-Arten vorkommen.
 
{| class="wikitable"
! Pinguin-Art <br />&nbsp;
! Körperlänge <br />(in cm)
! Körpermasse <br />(in kg)
! Federlänge <br />(in cm)
! Vorkommen <br />(südliche Breitengrade)
|-
| [[Galápagos-Pinguin]] ''Spheniscus mendiculus''
| 50 || 2,2 || 2,1 || Äquator
|-
| [[Humboldt-Pinguin]] ''S. humboldti''
| 65 || 4,5 || 2,1 || 5 bis 35
|-
| [[Magellan-Pinguin]] ''S. magellanicus''
| 70 || 4,9 || 2,4 || 34 bis 56
|-
| [[Königspinguin]]<br/>''Aptenodytes patagonica''
| 95 || 15 || 2,9 || 50 bis 60
|-
| [[Kaiserpinguin]] ''A. forsteri''
| 120 || 40 || 4,2 || 65 bis 77
|}
 
* Innerhalb der verschiedenen [[Unterart]]en des Braunbären (''Ursus arctos'') ist der [[Syrischer Braunbär|Syrische Braunbär]] (''U. a. syriacus'') aus dem [[Naher Osten|Nahen Osten]] und [[Transkaukasien]] kleiner als der Europäische Braunbär (''U. a. arctos'') und dieser ist kleiner als der [[Kodiakbär]] (''U. a. middendorfi'') auf der Insel Kodiak vor [[Alaska]]. Die durchschnittlich größte Art innerhalb der [[Bären]] (Ursidae) ist der [[Eisbär]] (''Ursus maritimus'').
 
=== {{Anker|Allen}} Allensche Regel ===
Die ''Allensche Regel'' (nach [[Joel Asaph Allen]] 1838–1921) besagt, dass bei nahen Verwandten [[homoiotherm|homoiothermer]] (gleichwarmer) [[Organismus|Organismen]] die relative Länge der Körperanhänge ([[Extremität]]en, [[Schwanz]], [[Ohr]]en) in kalten [[Klimazone]]n geringer ist als bei verwandten Arten und Unterarten in wärmeren Gebieten.
 
Der biologische Grund für diesen Zusammenhang liegt darin, dass alle Extremitäten eine Vergrößerung der Körperoberfläche bewirken, und da homoiotherme Tiere ihre Körpertemperatur unabhängig von der Umgebungstemperatur konstant halten, ist es in kälteren Gebieten vorteilhaft, eine möglichst geringe Körperoberfläche zu besitzen.
In wärmeren Gebieten sind umgekehrt auffällig große Körperanhänge zu beobachten, wodurch die Kühlung des Körpers verbessert wird. Tiere in heißen Gebieten haben, der Allenschen Regel entsprechend, zudem oft besonders lange Beine, möglicherweise weil der größere Abstand vom hitzestrahlenden Boden einen (Selektions-)Vorteil darstellt.
 
'''Beispiele'''
 
Die Länge der Ohren nimmt in der Verwandtschaftsreihe [[Fennek]] ''Vulpes (Fennecus) zerda'' ([[Wüste]]), [[Rotfuchs]] ''Vulpes (Vulpes) vulpes'' (gemäßigte Breiten) [[Polarfuchs]] ''Vulpes (Alopex) lagopes'' (Tundra) ab.
 
<gallery>
bild:TA ZOO orna Pict0224.jpg|Fennek
bild:Vulpes vulpes standing in snow.jpg|Rotfuchs
bild:Polarfuchscele4.jpg|Polarfuchs
</gallery>
 
Ebenso verhält es sich bei [[Wüstenluchs]] ''Caracal caracal'' und [[Eurasischer Luchs|Luchs]] der Tundren ''Lynx lynx'' sowie bei [[Feldhase]] ''Lepus europaeus (capensis)'' und [[Schneehase]] ''Lepus timidus''.
 
=== {{Anker|Hesse}} Hessesche Regel oder Herzgewichtsregel ===
Nach der ''Hesseschen Regel'' oder ''Herzgewichtsregel'' haben [[Homoiothermie|endotherme Tiere]] (Vögel, Säuger) in kälteren [[Klimat]]en ([[Geographische Breite|höhere geographische Breiten]], [[Gebirge]]) ein größeres und schwereres [[Herz]] als Artgenossen oder nahe verwandte [[Art (Biologie)|Arten]] in wärmeren Regionen.<ref>Richard Hesse: ''Ecological animal geography. An authorized, rewritten edition based on Tiergeographie auf ökologischer Grundlage.'' Prepared by Warder Clyde Allee]] and Karl Patterson Schmidt]]. J. Wiley & Sons, Inc., New York NY 1937, [http://chla.library.cornell.edu/cgi/t/text/pageviewer-idx?c=chla;cc=chla;sid=3cbcca3d6f1587fc2f96f78136e5b9dc;idno=2757218;seq=0406 S. 392].</ref> Ursache hierfür ist eine gesteigerte [[Stoffwechsel]]leistung zur Aufrechterhaltung der [[Körpertemperatur]] als [[Evolutionäre Anpassung|Anpassung]] an eine kalte Umwelt.<ref name="GEOECOLOGY">Richard J. Huggett: ''Geoecology. An Evolutionary Approach.'' Routledge, London u. a. 1995, ISBN 0-415-08689-2, [http://books.google.de/books?id=VyQjwI9UkVIC&pg=PA95&vq=hesse&dq=%22Hesse's+Rule%22&source=gbs_search_s&sig=ACfU3U01Ax3I2u3y2Sh8GSqzmvwO-NbRAw#PPA95,M1. S. 95].</ref>
 
Die von [[Richard Hesse]] (1868–1944) aufgestellte Regel ist eine der ''ökogeographischen Regeln'' der [[Biogeographie]]. Wie die [[#Allen|Allensche Regel]] ist sie eine Ergänzung der allgemeineren [[#Bergmann|Bergmannschen Regel]].<ref name="GEOECOLOGY" /> Die ökogeographischen Regeln setzen die [[Physiologie|physiologischen]] Anpassungen von Tieren in Beziehung zu ihrer Umwelt.
 
Beispiel [[Haussperling]] ''Passer domesticus'' (Angaben in Gramm Herzgewicht pro Kilogramm Körpergewicht): Sankt Petersburg 15,7 – Hamburg 14,0 – Tübingen 13,1.
 
=== {{Anker|Gloger}}Glogersche Regel oder Färbungsregel ===
Die ''Glogersche Regel'' oder ''Färbungsregel'' wurde von [[Constantin Wilhelm Lambert Gloger]] in seinem Werk ''Das Abändern der Vögel durch Einfluss des Klimas (1833)'' aufgestellt. Die Regel wurde nach ihm benannt.
 
Die Regel besagt, dass [[homoiotherm]]e [[Art (Biologie)|Arten]], die in Gebieten mit höherer Luftfeuchtigkeit leben, eine dunklere [[Pigment (Biologie)|Pigmentierung]] besitzen. Artverwandte in [[Arides Klima|trockeneren]] Klimaten sind heller gefärbt.
 
Eine mögliche Erklärung für Glogers Beobachtung wäre eine höhere Widerstandsfähigkeit von stark pigmentierten Haaren und Federn gegen zersetzende Bakterien. In feuchten Gegenden werden Bakterien wie z.&nbsp;B. ''[[Bacillus licheniformis]]'' im Wachstum begünstigt, dunklere Haare oder Federn sind jedoch bakteriell schlechter abbaubar.<ref name="Burtt & Ichida (2004)">S. M. Tiquia, J. M. Ichida et al.: ''Bacterial community profiles on feathers during composting as determined by terminal restriction fragment length polymorphism analysis of 16S rDNA genes.'' In: ''[[Applied Microbiology and Biotechnology]].'' Vol. 67, Nr. 3, Mai 2005, {{ISSN|0175-7598}}, S. 412–419, {{doi|10.1007/s00253-004-1788-y}}.</ref> Daher sind in heißen und feuchten Gegenden häufiger dunkelbraun-schwarze [[Eumelanin]]e anzutreffen, in ariden Landstrichen ist dagegen rötliches bis sandfarbenes [[Phäomelanin]]en häufiger, womöglich wegen der besseren [[Tarnung (Biologie)|Tarnung]].
 
Bei [[Säugetier]]en besteht eine Tendenz, in äquatorialen Gebieten eine dunklere Hautfarbe auszubilden als nördlicher oder südlicher lebende Populationen. Ein weiterer Erklärungsansatz ist hier die verminderte Intensität der [[UV-Strahlung]] mit zunehmender [[Geographische Breite|geographischer Breite]]. Mit einer helleren Hautfarbe wird das für die Produktion von [[Cholecalciferol|Vitamin D]] notwendige UV-Licht besser nutzbar.
 
=== Renschsche Regel ===
Die ''Renschsche Regel'' ist eine [[Wikipedia:Allometrie|allometrische]] Regel zum [[Wikipedia:Sexualdimorphismus#Körpergröße|geschlechtsspezifischen Größenverhältnis]] bei Tieren, jedoch ohne Bezug auf geographische Einflüsse.<ref>Ehab Abouheif, Daphne J. Fairbairn: ''[http://www.jstor.org/discover/10.2307/2463382?uid=3737864&uid=2&uid=4&sid=21104262160243 A comparative analysis of allometry for sexual size dimorphism: assessing Rensch's rule.]'' In: ''American Naturalist'' 149, Nr. 3, März 1997, S. 540–562.</ref>
 
== Pflanzengeographische Regeln von Werner ==
# '''Blattgrößenregel:''' In feuchtwarmen Regionen ([[Regenwald]]) bilden die Pflanzen größere [[Blatt (Pflanze)|Blätter]] aus als in kalt-trockenen ([[Bergwald]], Polargebiete). Dies erklärt sich daraus, dass über großflächige Blätter mehr Wasser verdunstet wird als bei kleinflächigen.
# '''Blattformenregel:''' Pflanzen der sommergrünen Wälder in den gemäßigten Breiten weisen eine größere Variabilität auf als Pflanzen der Tropenwälder oder der immergrünen Nadelwälder nördlicher Breiten.
# '''Wuchsformenregel:''' Holzige Pflanzen bilden in trockenen und kalten Gebieten mit kurzer [[Vegetationsperiode]] Zwergformen aus.
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Ökogeographische Regel}}
* {{WikipediaDE|Biologische Evolution}}
* {{WikipediaDE|Biozönose#Biozönotische Grundprinzipien|Biozönotische Grundprinzipien}}
* {{WikipediaDE|Zoologie}}
* {{WikipediaDE|Morphologie (Biologie)}}
* {{WikipediaDE|Akzeleration (Biologie)}}
* {{WikipediaDE|Oberflächenregel}}
* {{WikipediaDE|Copes Gesetz}}
* {{WikipediaDE|Tiefseegigantismus}}
* {{WikipediaDE|Inselgigantismus}}
* {{WikipediaDE|Inselverzwergung}}
* {{WikipediaDE|Verzwergung}}
* {{WikipediaDE|Verzwergung bei Knochenfischen}}
 
== Literatur ==
* Carl Bergmann: ''Über die Verhältnisse der Wärmeökonomie der Thiere<!--sic--> zu ihrer Grösse.''<!--"Thiere" ist schon richtig – damals schrieb man das noch so!--> In: ''Göttinger Studien.'' 1. Abt., 1847, ZDB, S. 595–708.
* Constantin Lambert Gloger: ''Das Abändern der Vögel durch Einfluss des Klimas.'' Schulz, Breslau 1833.
* Eckhard Philipp (Hrsg.): ''Ökologie'' (= ''Grüne Reihe, Materialien'' SII: ''Biologie''). Dr. A, 2. Schroedel, Braunschweig 2006, ISBN 3-507-10914-X.
 
== Weblinks ==
* [http://stommel.tamu.edu/~baum/paleo/paleogloss/node19.html#HessesRule Definition im ''Glossary of Oceanography and the Related Geosciences'']
* Carl Bergmann: [http://books.google.de/books?id=EHo-AAAAcAAJ&dq=inauthor%3ACarl%20inauthor%3ABergmann&pg=PA1#v=onepage&q&f=false ''Über die Verhältnisse der Wärmeökonomie der <!--sic-->Thiere zu ihrer Grösse.''] In: ''Göttinger Studien.'' 1847.
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{SORTIERUNG:Okogeografische Regeln}}
[[Kategorie:Geozoologie]]
[[Kategorie:Evolution]]
[[Kategorie:Ökologie]]
 
{{Wikipedia}}

Aktuelle Version vom 10. Juni 2019, 10:19 Uhr

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