Akupunktur und Pflegewissenschaft: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Pflegewissenschaft''' beschäftigt sich mit Fragen der [[Gesundheits- und Krankenpflege|Gesundheits- und Kranken-]], [[Kinderkrankenpflege|Kinderkranken-]], [[Altenpflege|Alten-]] und [[Heilerziehungspflege]]. Sie greift auf Erkenntnisse der [[Medizin]], [[Gesundheitswissenschaft]], [[Soziologie]], [[Psychologie]], [[Biologie]], [[Philosophie]], [[Theologie]] und [[Geschichte]] zurück.
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| Bild1      = Akupunkturnadeln.JPG|mini|
| Untertitel1 = Akupunkturnadeln, zum Größenvergleich mit einem Streichholz
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| Bild3      = Akupunkturnadel 75 ovp.jpg|mini|
| Untertitel3 = Akupunkturnadel (lang) in Verpackung
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Die '''Akupunktur''' ({{laS|acus}} = Nadel, ''punctio'' = das Stechen, {{zh|c=针灸|t=針灸|v=針灸|p=zhēn jiǔ}}) ist eine Behandlungsmethode der [[Traditionelle chinesische Medizin|traditionellen chinesischen Medizin]] (TCM), bei der eine therapeutische Wirkung durch Nadelstiche an bestimmten Punkten des Körpers erzielt werden soll. Bei der traditionellen Form der Akupunktur wird von einer "Lebensenergie des Körpers" ([[Qi]]) ausgegangen, die auf definierten Leitbahnen beziehungsweise [[Wikipedia:Meridian (TCM)|Meridianen]]<ref>Die von Soulié de Morant eingeführte Bezeichnung "Meridian" ist missverständlich, da es sich nicht um Projektionslinien handelt. Der zugrunde liegende chinesische Terminus ''jingluo'' ist als Trakte und Kanäle zu übersetzen.</ref> zirkulieren und einen steuernden Einfluss auf alle Körperfunktionen haben soll. Ein gestörter Energiefluss wird für Erkrankungen verantwortlich gemacht. Durch Stiche in auf den Meridianen liegende Akupunkturpunkte soll die Störung im Fluss des Qi behoben werden. Das gleiche Therapieziel hat die [[Wikipedia:Akupressur|Akupressur]], bei der man einen stumpfen Druck ausübt, sowie die [[Wikipedia:Moxibustion|Moxibustion]], bei der Wärme eingesetzt wird.
== Geschichte ==
Die Wurzeln der Pflegewissenschaft liegen im US-amerikanischen Raum: Der erste Studiengang wird dort auf das Jahr [[1907]] datiert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sorgte in den USA die von der ''Russell Sage Foundation'' unterstützte und von Esther Lucille Brown herausgebrachte Studie ''Nurses for the future'' für neue Impulse,<ref>{{Webarchiv | url=http://www.nurseweek.com/features/99-12/educate.html | wayback=20080516082537 | text=Artikel in Nurseweek}}</ref> indem sie über die mangelhafte pflegerische Versorgung in den USA berichtete und ausdrücklich die Verweisung der Ausbildung an die Universitäten forderte. Dementsprechend entstanden zunächst Studiengänge zur [[Pflegepädagogik]] und zum [[Pflegemanagement]]. Zeitlich deutlich versetzt bildeten sich dann originär pflegewissenschaftliche Studienangebote, entstanden Forschungsinstitute und entsprechende Fachzeitschriften. 1952 eröffnete [[Hildegard Peplau]] den Wissenschaftsdiskurs um [[Pflegetheorie]]n und [[Pflegemodell]]e.<ref name="kaeppli">Silvia Käppeli: ''Standortbestimmung von Pflegewissenschaft und Pflegeforschung im deutschsprachigen Raum unter Berücksichtigung der internationalen Entwicklung.'' In: Gesellschaft zur Förderung der Pflegewissenschaft NRW e.&nbsp;V. (Hrsg.): {{Webarchiv | url=http://www.ipw-bielefeld.de/fileadmin/PDF/Publikationen/ipw_102.pdf | wayback=20071008211838 | text=Die Bedeutung der Pflegewissenschaft für die Professionalisierung der Pflege. Dokumentation einer Fachtagung}} Bielefeld 1996, {{ISSN|1435-408X}}</ref>


Das Konzept der Lebensenergie und Meridiane ist unwissenschaftlich und hält einer Überprüfung nicht stand. Als Wirkungsmechanismus wird vor allem der [[Wikipedia:Placebo|Placebo]]<nowiki/>-Effekt diskutiert (siehe Abschnitt „Konzept der Akupunktur“).
Von den USA ausgehend gelangte die Akademisierungs-Bewegung mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in Europa an: In Heidelberg begannen 1946 Gespräche zur Einrichtung eines Pflegestudienganges an der [[Universität Heidelberg]]. Diese führten 1953 zur Gründung der [[Schwesternschule der Universität Heidelberg]]. Der Wunsch nach einer akademischen Ausbildung scheiterte jedoch, nicht zuletzt am Widerstand der Schwesternorganisationen. In der DDR existierten erste pflegebezogene Studiengänge an der [[Humboldt-Universität zu Berlin]] und in Halle/Wittenberg bereits ab den 1960er Jahren, wenngleich mit einer stärkeren pädagogisch-didaktischer oder medizin-naturwissenschaftlicher Prägung. Auch in Großbritannien und den skandinavischen Ländern wurden verhältnismäßig früh mit dem Aufbau von Pflegestudiengängen begonnen.


Klinische Studien zeigen die Wirksamkeit der Akupunktur wie auch der Scheinakupunktur (bei der beliebige Stellen gestochen werden) in einzelnen Indikationen. Dazu gehören durch [[Wikipedia:Kniegelenksarthrose|Kniegelenksarthrose]] bedingte Schmerzen, chronische [[Wikipedia:Rückenschmerzen|Rückenschmerzen]] und die [[Wikipedia:Krankheitsprävention|Prophylaxe]] von [[Migräne]]attacken. So trat in den GERAC-Studien (German Acupuncture Trials, 2002–2007), den bisher umfangreichsten klinischen Untersuchungen, bei der Behandlung von tiefen Rückenschmerzen bei knapp der Hälfte der Scheinakupunktur-Patienten bzw. der Akupunktur-Patienten und nur bei rund einem Viertel der konventionell behandelten Patienten eine erkennbare Verbesserung ein.<ref>[https://www.aerzteblatt.de/treffer?mode=s&wo=17&typ=1&nid=29944&s=gerac&s=studie| Archives of Internal Medicine (2007; 167: 1892-1898), GERAC-Studie]</ref><ref>{https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=54179| Akupunktur bei chronischen Knie- und Rückenschmerzen, Dtsch Arztebl 2007; 104(3): A-123 / B-113 / C-109, ''German Acupuncture Trials''(GERAC-Studie)]</ref> Auch andere Studien zeigen, dass eine Scheinakupunktur nicht weniger wirksam ist als eine nach traditionellen Regeln durchgeführte Akupunktur.<ref>journalMED: ''[http://www.journalmed.de/newsview.php?id=10081 Neurologen: Akupunktur hilft gegen Migräne nur wie ein Placebo]'', aufgerufen am 27. Mai 2010.</ref><ref name="Scharf" /><ref name="Haake" /><ref name="Diener" /><ref name="autogenerated2007">H. G. Endres, G. Böwing, H. C. Diener, S. Lange, C. Maier, A. Molsberger, M. Zenz, A. J. Vickers, M. Tegenthoff: ''Acupuncture for tension-type headache: a multicentre, sham-controlled, patient-and observer-blinded, randomised trial.'' In: ''J Headache Pain.'' 23. Oktober 2007.</ref> Akupunktur wird zur Behandlung zahlreicher weiterer Beschwerden angeboten, doch steht in vielen Fällen ein wissenschaftlich anerkannter Beleg für die Wirksamkeit aus.<ref name="Quack" /> Unter den [[Alternativmedizin|alternativmedizinischen]] Behandlungsverfahren hat die Akupunktur die größte Bedeutung. In der EU gibt es schätzungsweise 96.380 Anwender von Akupunktur, davon 80.000 Ärzte.<ref>K. von Ammon, M. Frei-Erb, F. Cardini, U. Daig, S. Dragan, G. Hegyi, P. Roberti di Sarsina, J. Sörensen, G. Lewith: ''Complementary and alternative medicine provision in Europe–first results approaching reality in an unclear field of practices.'' In: ''Forschende Komplementärmedizin.'' Band 19, Suppl 2, 2012, S.&nbsp;37–43, [[doi:10.1159/000343129]]. PMID 23883943 (Review).</ref>
Ab der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre entstanden auch in der Bundesrepublik Deutschland pflegebezogene Studiengänge, zum Teil in Verbindung mit anderen Fachbereichen – wie beispielsweise die Besetzung des Lehrstuhls „Pflege- und Sozialwissenschaften“ an der [[Fachhochschule Osnabrück]] durch [[Ruth Schröck]] im Jahr 1987. In Ermangelung anderer Möglichkeiten war es zum damaligen Zeitpunkt üblich, dass die Lehrbeauftragten einen pflegewissenschaftlichen Abschluss aus den USA oder Großbritannien innehatten oder anderen wissenschaftlichen Disziplinen entstammten (z.&nbsp;B. Soziologie, Psychologie, Pädagogik). An dieser Situation hat sich – trotz inzwischen vielfältiger Studienabschlüsse und Promotionsmöglichkeiten – auch heutzutage nicht viel geändert.


== Historisches ==
Im selben Zeitraum entstanden auch außerhalb Fachhochschulen und Universitäten Institutionen, die sich der Förderung der Pflegewissenschaft und -forschung verschrieben haben. Zu nennen sei nur das aus einer Stiftung hervorgegangene ''Agnes-Karll-Institut für Pflegeforschung'' des DBfK. Im Jahre 1991 konnte das Institut eines der ersten Forschungsprojekte im Kernbereich von Pflege abschließen: ''Der Pflegeprozeß am Beispiel von Apoplexiekranken – Eine Studie zur Erfassung und Entwicklung ganzheitlich-rehabilitativer Prozeßpflege'', die über die Dauer von drei Jahren vom [[Bundesministerium für Gesundheit (Deutschland)|Bundesministerium für Gesundheit]] gefördert und unter der Leitung von [[Monika Krohwinkel]] durchgeführt wurde.<ref name="kaeppli"/>
[[Datei:Hua t08.jpg|mini|Leitbahntafel in einer japanischen Ausgabe von Hua Shous ''Shisi jing fahui'', Edo 1716]]
Die älteste bekannte schriftliche Erwähnung der Akupunktur und [[Moxibustion]] ({{zh|t=針灸|p=zhēn jiǔ|b=Akupunktur und Moxibustion}}) stammt aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus. Der chinesische Historiker [[Sima Qian]] erwähnt in seinen Aufzeichnungen erstmals Steinnadeln.<!--QUELLE Neuere Grabfunde, u.&nbsp;a. von ''[[Homo sapiens balangodensis]]'', enthalten Indizien, dass ähnliche Instrumente bereits vor etwa 5000 bis 6000 Jahren verwendet worden sein könnten. Alternativ zu Steinnadeln wurden damals auch Bambussplitter oder Fischgräten verwendet.
-->
Die älteste Sammlung chinesischer medizinischer Schriften, der ''Innere Klassiker des Gelben Kaisers'' (Huangdi Neijing) aus der Zeit zwischen 200 Jahre vor und nach der [[Christliche Zeitrechnung|Zeitenwende]], gibt erstmals einen Überblick über die damaligen Stech- und Brenn-Therapien und beschreibt verschiedene Nadeln (aus Metall), diverse Stichtechniken und gibt [[Indikation]]en für die Nutzung bestimmter Punkte. Insgesamt werden 160 Punkte beschrieben.


Das erste sicher datierbare Werk über Akupunktur ist ''Der Systematische Kanon des Stechens und Brennens'' (Zhenjiu jiayijing) von [[Huangfu Mi]] (215–282). Der Autor beschreibt in einer klaren [[Terminologie]] 349 Akupunkturpunkte und gibt systematische Hinweise auf deren Wirkung. Weitere bedeutsame Schriften sind die ''Erläuterungen der 14 Hauptleitbahnen'' von Hua Boren (1341), die ''Untersuchungen über die acht unpaarigen Leitbahnen'' von Li Shizhen (1518–1593), sowie die ''Summe der Aku-Moxi-Therapie'' von Yang Jizhon (1601).
1988 erschien mit der Zeitschrift ''[[Pflege (Zeitschrift)|Pflege]]'' aus dem Huber Verlag (Bern) erstmals ein deutschsprachiges Wissenschaftsperiodikum für die Pflege.


Schon im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert erwähnten portugiesische Jesuiten in Briefen aus Japan das Brennen mit Moxa und die Nadeltherapie.<ref>W. Michel (1993).</ref> Im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Akupunktur in Europa besonders durch zwei Ärzte der [[Niederländische Ostindien-Kompanie|Niederländischen Ostindien-Kompanie]] bekannt gemacht: [[Willem ten Rhijne]] und [[Engelbert Kaempfer]]. Während man mit der Moxa als vermeintliche Variante klassischer Brenntherapien experimentiert, führten missverständliche Formulierungen ten Rhijnes und Kaempfers zur Ablehnung dieser Therapieformen durch einflussreiche Gelehrte wie [[Lorenz Heister]] und [[Georg Ernst Stahl]].
Im Oktober 1997 wurde [[Marianne Arndt]], die ihre Weiterbildung zur Unterrichtsschwester an der [[Schwesternschule der Universität Heidelberg]] absolviert hatte, von der medizinischen Fakultät Charité der Humboldt Universität zu Berlin die Lehrbefähigung für das Fach Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt Pflegeethik verliehen. Hiermit wurde die erste Pflegewissenschaftlerin an einer deutschen Hochschule habilitiert.<ref>Rheinischer Merkur: ''Akzente: Ethik in der Krankenpflege: Marianne Arndt - eine Deutsche, die im Fach Pflegewissenschaft an einer deutschen Universität habilitiert'', Nr. 47, 21. November 1997; ähnliche Informationen in einschlägigen deutschen Pflegezeitschriften wie "Die Schwester/der Pfleger" etc.</ref> Am 27. Oktober 1999 wurde an der Medizinischen Fakultät [[Charité]] der Humboldt-Universität zu Berlin zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum der akademische Grad eines Doktors der Pflegewissenschaft (''Doctor rerum curae'', Dr. rer. cur.) verliehen.


Die erste bekannte Akupunkturbehandlung in Europa führte 1810 der Arzt [[Geschichte der Akupunktur#Louis Berlioz|Louis Berlioz]], der Vater des Komponisten [[Hector Berlioz]] aus. Er berichtete darüber in einer 1816 erschienenen Preisschrift.<ref>Louis Berlioz: ''Mémoire sur les maladies chroniques, les évacuations sanguines et l'acupuncture''. Croullebois, Paris 1816 [http://www.biusante.parisdescartes.fr/histmed/medica/cote?31316 (Digitalisat)]</ref> Ab 1819 – schwerpunktmäßig um 1825 unter [[Geschichte der Akupunktur#Jules Cloquet|Jules Cloque]] – ausklingend in den 1830er Jahren – wurde die Akupunktur in Frankreich zu einer häufig angewendeten Therapieform, ja Modetherapie. Die französische Praxis wurde in England 1821 durch den Arzt James Morss Churchill aufgegriffen.<ref>James Morss Churchill: ''A treatise on Acupuncturation.'' Simpkin and Marshall, London 1821. [https://archive.org/stream/treatiseonacupun00chur (Digitalisat)] Deutsche Übersetzung durch J. Wagner, cand. med., Bamberg 1824.</ref> 1825 begleitete [[Johann Wilhelm von Wiebel]] seinen König [[Friedrich Wilhelm IV.]] auf einem Staatsbesuch in Paris und rapportierte über seine Eindrücke aus der Pariser Akupunkturpraxis.<ref>[[Johann Wilhelm von Wiebel]]: ''Medizinisch chirurgische Neuigkeiten aus Paris. Gesammelt vom Königl. Generalstabsarzte und Leibarzte Herrn Ritter Dr. Wiebel. Mitgetheilt durch Herrn Dr. Eduard Graefe, practischem Arzte zu Berlin.'' In: ''Journal der Chirurgie und Augenheilkunde.'' Band VIII, Berlin 1825, S. 352–392. [http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10391138_00364.html (Digitalisat)]</ref><ref>Weitere Quellen in: Hans-Jürgen Arnold: ''Die Geschichte der Akupunktur in Deutschland.'' Haug, Heidelberg 1976.</ref> Im selben Jahr veröffentlichte der Militärarzt und Neurologe [[Jean-Baptiste Sarlandière]] eine Abhandlung über „[[Geschichte der Akupunktur#Jean-Baptiste Sarlandière – Isaac Titsingh|Elektropunktur]]“, der er zwei japanische Manuskripte aus dem Nachlass von [[Isaac Titsingh]] anhängte.<ref>W. Michel-Zaitsu: ''Wechselwirkungen - Zum Traité inédit de l'acupuncture et du Moxa chez les Japonais in J. B. Sarlandières Mémoires sur l'Électro-Puncture (1825).'' In: ''[http://www.sciencedirect.com/science/journal/04156412  Deutsche Zeitschrift für Akupunktur]'', Vol. 58 (4), 2015;  Vol. 59 (3), 2016; Vol. 59 (4), 2016;</ref> Auch in den USA schrieben Ärzte ab 1825 über eigene Erfahrungen, die sie nach französischem und englischem Vorbild mit der Akupunktur gemacht hatten.<ref>Franklin Bache: ''Cases illustrative of the remedial effects of acupuncturation.'' In: ''Northern American Medical Surg. Journal.'' 1, 1826, S. 311–321. Abgedruckt in: J . H. Cassedy. ''Early uses of acupuncture in the United States, with an addendum (1826) by Franklin Bache, M.D.'' In: ''Bulletin of the New York Academy of Medecine.'' Band 50, Sept 1974, S. 892–906. {{PMC|1749387}}</ref>
== Akademische Grade ==
Pflegewissenschaft folgt dem Bologna Modell der akademischen Ausbildung mit dem Graduieren als [[Bachelor]] und als [[Master]].<ref>Daniela Wittmann: ''B.A. Nurse: ein System für Deutschland?!, eine historisch-kritische Betrachtung und deren neue Perspektiven'', Zulassungsarbeit Universität Heidelberg 2015. [http://katalog.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/titel.cgi?katkey=67933104&sess=641495dcfa29b437dcf149f4a1aa25fc&art=f&kat1=freitext&kat2=ti&kat3=au&op1=AND&op2=AND&var1=&var2=&var3=%22wittmann%2C%20daniela%22 Hochschulschrift Daniela Wittmann]</ref> Weiterführende Qualifikationen werden mit dem akademischen Grad eines Doctor rerum curae (Dr. rer. cur.), Doctor rerum medicinalium (Dr. rer. medic.) sowie Doctor scientiarum humanarum (Dr. sc. hum.)<ref>[https://www.uni-heidelberg.de/md/studium/download/prom-ordn_med_fak_dr-sc-hum_160314.pdf Promotionsordnung Dr. sc. hum. Universität Heidelberg]</ref> beliehen. Über die Zukunft der Habilitationen in der Pflegewissenschaft wird die weitere Entwicklung der [[Bologna-Prozess|Bologna-Richtlinie]] im Rahmen der europäischen Einigung entscheiden müssen. Da viele Pflegewissenschaftlerinnen in Deutschland ihren akademischen Werdegang mit einer Pflegeausbildung beginnen und somit Lebenszeit investieren, um pflegerelevantes Wissen zu erwerben, dürfte die Diskussionen um die Einhaltung bzw. Modifikation der Bologna-Richtlinie von nicht unerheblichem Interesse sein.


Weltweit großes Aufsehen und heftige Debatten erregte die während der frühen siebziger Jahre in China vorgenommene Anästhesierung durch Akupunktur.
== Pflegeforschungsinstitute im deutschsprachigen Raum ==
Nach dem [[Vietnamkrieg]] zog das [[Streitkräfte der Vereinigten Staaten|US-Militär]] Erkundigungen ein über den Nutzen der Akupunktur-[[Anästhesie]]. Noch heute finanziert das US-Militär Akupunkturstudien.<ref name="dod">{{Internetquelle |url=http://www.defense.gov/news/newsarticle.aspx?id=62053 |titel=Doctors Use Acupuncture as Newest Battlefield Tool |zugriff=2012-09-12 |autor=Cheryl Pellerin |datum=2010-12-10 |hrsg=American Forces Press Service}}</ref><ref>[http://www.stripes.com/blogs/the-ruptured-duck/the-ruptured-duck-1.160117/acupuncture-study-looking-for-more-vets-with-gulf-war-syndrome-1.172728 ''Acupuncture study looking for more vets with Gulf War Syndrome.''] In: ''[[The Stars and Stripes]].''</ref>
* [[Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung]] [[Verein#Eingetragener Verein|e.&nbsp;V.]], Köln
* Pflegewissenschaftliche Fakultät der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar
* Institut für angewandte Pflegeforschung, [[Universität Bremen]]
* Institut für Pflegewissenschaft, [[Universität Basel]]
* Department für Pflegewissenschaft, [[Universität Witten/Herdecke]]
* Institut- für Pflege- und Gesundheitswissenschaft, [[Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg]]
* Institut für Medizin-/Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft, Charité-Universitätsmedizin Berlin
* Institut für Pflegewissenschaft, [[Privatuniversität]] [[UMIT]], Hall in Tirol
* Institut für Pflegewissenschaft, [[Universität Wien]]
* Institut für Pflegewissenschaft, [[Paracelsus Medizinische Privatuniversität]], Salzburg
* [[Universität_Bielefeld#Fakultäten|Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften]]
* [[Universität Osnabrück]], Fachgebiet Pflegewissenschaft
* Zentrum für Pflegeforschung und Beratung (ZePB), Bremen
* Institut für Pflegewissenschaft, [[Medizinische Universität Graz]]
* Institut für Pflegewissenschaft, Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd


Große Teile der traditionellen chinesischen Medizin einschließlich der Akupunktur sind in China bis heute neben der nach westlichen Normen betriebenen Medizin weit verbreitet und ins [[Universität|universitäre]] Bildungssystem integriert.<ref name="geschichteAkupunktur">Arthur Taub: ''[http://www.acuwatch.org/general/taub.shtml Acupuncture: Nonsense with Needles].''</ref>
== Pflegewissenschaftliche Zeitschriften ==
 
* Pflege - die wissenschaftliche Zeitschrift für Pflegeberufe
== Konzept der Akupunktur ==
* Zeitschrift für Pflegewissenschaft
[[Datei:Acupuncture chart 300px.jpg|mini|Der Pericard-Meridian (Herzbeutelmeridian/Kreislaufmeridian); Akupunktur in der [[Ming-Dynastie]] (1368–1644). Bibliothèque Nationale de France, Paris]]
* Pflege & Gesellschaft
=== Nach der traditionellen chinesischen Medizin ===
* QuPuG - Journal für qualitative Forschung in Pflege- und Gesundheitswissenschaft
 
* Klinische Pflegeforschung<ref>{{Internetquelle|url=https://ojs.ub.uni-freiburg.de/index.php/klinische-pflegeforschung|titel=Klinische Pflegeforschung|zugriff=2017-06-28}}</ref>
Die Akupunktur basiert auf der Lehre von Yin und Yang, die später durch die [[Fünf-Elemente-Lehre]] und der Lehre von den [[Meridian (TCM)|Meridianen]] ergänzt wurde. Sie verwendet drei Verfahren:
 
# Einstechen von Nadeln in die Akupunkturpunkte
# Erwärmen der Punkte ([[Moxibustion]])
# Massage der Punkte ([[Tuina]], [[Akupressur]])
 
In der Akupunktur werden rund 400 Akupunkturpunkte benutzt, die auf den so genannten [[Meridian (TCM)|Meridianen]] liegen. Zur Vereinfachung wurde das heute gängige Modell von zwölf Hauptmeridianen, die jeweils spiegelbildlich auf beiden Körperseiten paarig angelegt sind, eingeführt. Acht Extrameridiane und eine Reihe von sogenannten Extrapunkten ergänzen dieses Modell. Nach dem Modell der Traditionellen chinesischen Medizin wird durch das Einstechen der Nadeln der Fluss des [[Qi]] (Lebensenergie) beeinflusst.
 
Die Akupunktur gehört nach diesem Verständnis zu den Umsteuerungs- und Regulationstherapien.
 
Da die von der [[Traditionelle chinesische Medizin|traditionellen chinesischen Medizin]] angenommenen Wirkmechanismen wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden konnten, diese sogar etablierten Erkenntnissen über Funktion und Aufbau des menschlichen Körpers widersprechen, und sich auch kein anderer Wirkmechanismus nachweisen lässt, wird für die Wirksamkeit häufig der [[Placebo]]-Effekt verantwortlich gemacht.<ref>E. Ernst: [http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1365-2796.2005.01584.x/full ''Acupuncture – a critical analysis'']. In: ''Journal of Internal Medicine.'' 259, Nr. 2, 2006, S. 125–137. [[doi:10.1111/j.1365-2796.2005.01584.x]]. PMID 16420542.</ref> Diese und ähnliche Ergebnisse aus anderen Bereichen der [[Alternativmedizin]] haben zu einer verstärkten Diskussion darüber geführt, wie sich der Effekt auch in der konventionellen Medizin besser ausnutzen lässt. Scheinakupunktur ist jedoch kein klassisches Placebo.<ref>''NIH Consensus Conference. Acupuncture.'' In: ''[[Journal of the American Medical Association|JAMA]].'' 280, 1998, S. 1518–1524.</ref><ref>J. Vas u. a.: ''Acupuncture as a complementary therapy to the pharmacological treatment of osteoarthritis of the knee: randomised controlled trial.'' In: ''BMJ Clinical research.'' 329/2004, S. 1216.</ref>
 
Noch älter als die Akupunktur ist die Akupressur, bei der die Punkte mit Hilfe der Fingerkuppen oder auch mit Hilfe von Werkzeugen massiert werden, weshalb die Akupressur auch als eine nicht-invasive Form der Akupunktur betrachtet werden kann.
 
=== Nach der evidenzbasierten naturwissenschaftlichen Medizin ===
 
Aus der Sicht der [[Naturwissenschaft]] beruht das Wirkungsprinzip der Akupunktur auf der Reizung bestimmter Körperpunkte, wodurch möglicherweise Einfluss auf die Regulation des Körpers genommen wird. Einige Studien kommen zu dem Ergebnis, dass durch periphere Stimulation bestimmter Akupunkturpunkte vermehrt [[Endorphine]] im Bereich des [[Mittelhirn]]s ausgeschüttet werden.<ref>{{Internetquelle |titel=INCREASED β-ENDORPHIN BUT NOT MET-ENKEPHALIN LEVELS IN HUMAN CEREBROSPINAL FLUID AFTER ACUPUNCTURE FOR RECURRENT PAIN |url=http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736%2880%2992106-6/abstract |werk=[[The Lancet]] |zugriff=2013-05-30 |zitat=After electroacupuncture in the patients with pain CSF β-endorphin levels rose significantly in all subjects, but met-enkephalin levels were unchanged.}}</ref><ref name="ninds">{{Internetquelle |titel=NINDS Chronic Pain Information Page |url=http://www.ninds.nih.gov/disorders/chronic_pain/chronic_pain.htm |zitat=...experiments with acupuncture have shown that there are higher levels of endorphins in cerebrospinal fluid following acupuncture. |hrsg=[[National Institute of Neurological Disorders and Stroke]] |zugriff=2013-05-29}}</ref><ref>{{Internetquelle |titel=Acupuncture |url=http://www.hopkinsmedicine.org/healthlibrary/conditions/complementary_and_alternative_medicine/acupuncture_85,P00171/ |hrsg=[[Johns Hopkins School of Medicine]] |zitat=These signals may start the flow of pain-killing biochemicals, such as endorphins, or release immune system cells to specific body sites. |zugriff=2013-06-29}}</ref><ref>{{Internetquelle |titel=Central Nervous Pathway for Acupuncture Stimulation |url=http://radiology.rsna.org/content/212/1/133.full |hrsg=[[Radiological Society of North America]] |zugriff=2013-05-30 |zitat=...acupuncture acts as a neuromodulating input into the central nervous system (CNS) that can activate multiple analgesia systems and stimulate pain modulation systems to release neurotransmitters such as endogenous opioids.}}</ref><ref name="urlNews in Science – Acupuncture works on endorphins. - 04/06/1999">{{Internetquelle |url=http://www.abc.net.au/science/articles/1999/06/04/27924.htm |titel=Acupuncture works on endorphins |autor=C. Johnson |datum=1999-06-04 |werk=News in Science, ABC Science Online |hrsg=Australian Broadcasting Corporation |zugriff=2008-10-15}}</ref><ref name="pmid18803495">{{Literatur |Autor=V. Napadow, A. Ahn, J. Longhurst, L. Lao, E. Stener-Victorin, R. Harris, H. M. Langevin |Titel=The status and future of acupuncture clinical research |Sammelwerk=Journal of alternative and complementary medicine |Band=14 |Nummer=7 |Datum=2008-09 |Seiten=861–869 |DOI=10.1089/acm.2008.SAR-3 |PMID=18803495}}</ref>
 
Heutzutage geht man davon aus, dass das Molekül [[Adenosin]] für die Wirkung der Akupunkturnadeln eine wichtige Rolle spielt. 2010 berichteten US-[[Neurowissenschaften|Neurowissenschaftler]] von der [[University of Rochester]] im Bundesstaat [[New York (Bundesstaat)|New York]] in ''[[Nature Neuroscience]]'', dass in unmittelbarer Nähe der Nadelstiche der Adenosin-Level im Gewebe um das Mehrfache gestiegen war.<ref>{{Literatur |Hrsg=Susan Masino, Detlev Boison |Titel=Adeonsine: A Key Link between Metabolism and Brain Activity |Verlag=[[Springer Science+Business Media]] |Datum=2013 |ISBN=978-1-4614-3903-5 |Online=http://link.springer.com/chapter/10.1007/978-1-4614-3903-5_17 |Zitat=Additional observations have implicated tissue release of nucleotides and adenosine in acupuncture analgesia, and shown analgesia results from peripheral actions at adenosine A1Rs.}}</ref><ref>[http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/41411/Akupunktur-Wie-ein-Zytostatikum-die-Wirkung-verstaerkt ''Akupunktur: Wie ein Zytostatikum die Wirkung verstärkt.''] In: ''[[Deutsches Ärzteblatt]].''</ref><ref>[http://www.nature.com/neuro/journal/v13/n7/full/nn.2562.html ''Adenosine A1 receptors mediate local anti-nociceptive effects of acupuncture.''] In: ''[[Nature Neuroscience]].''</ref> Was genau bei einer Akupunktur im Körper abläuft, ist noch nicht aufgeklärt.
 
== Weiterentwicklungen ==
In Japan entwickelten Praktiker Anfang des 20. Jahrhunderts eine ''Shōnishin'' ({{lang|ja|小児鍼}}, dt. „Kleinkind-Akupunkturnadel“) genannte nicht-invasive pädiatrische Therapie, die später auch im Westen von Medizinern aufgegriffen und weiter entwickelt wurde.<ref>T. Wernicke: ''Shōnishin – The Art of Non-invasive Pediatric Acupuncture.'' Jessica Kingsley Publishers, London/ Philadelphia 2014.</ref><ref>[http://www.shonishin.de/geschichte_shonishin.htm Shōnishin Geschichte]</ref>
Das Konzept der ''Ohrakupunktur'' (auch Auriculotherapie genannt) wurde vom französischen Arzt [[Paul Nogier]] entwickelt.<ref>[http://www.daegfa.de/PatientenPortal/Akupunktur.Akupunktur-Methoden.Ohrakupunktur.aspx Akupunkturmethoden: Ohrakupunktur]</ref> Er fand heraus, dass auf der Ohrmuschel der gesamte Organismus auf kleinster Fläche in Form reaktiver Punkte mit festem Bezug zur Körpertopographie und Körperfunktion (Somatotopie) repräsentiert ist.<ref>[http://www.daegfa.de/PatientenPortal/Akupunktur.Akupunktur-Methoden.MAPS.aspx Akupunkturmethoden: Mikroakupunktursysteme]</ref> 1954 berichtete er erstmals in der ''Deutschen Zeitschrift für Akupunktur'' über seine Erfahrungen und 1961 stellte er seine Diagnose- und Therapieform auf einem Akupunkturkongress in Deutschland vor. Die Behandlung über das Ohr ist auch aus der chinesischen Akupunktur bekannt, es werden dort jedoch nur wenige Punkte und diese auch nur selten verwendet.
Weitere Formen der Ohrakupunktur sind die ''Implantat-Akupunktur''<ref>R. Wlasak: ''Implantat-Akupunktur: Grundlagen und Methodik.'' Springer, Heidelberg 2012, ISBN 978-3-642-20025-0, S. 3–8, 16–44. [[doi:10.1007/978-3-642-20026-7]]</ref> und die ''Neuroaurikulotherapie'' (NAT).
 
Es wurden weitere Somatotopien wirksamer Mikroakupunktursysteme entdeckt.
Seit 1987 besteht das Konzept der koreanischen Handakupunktur ''Su Jok'', bei der die Nadeln in die Hände gestochen werden.<ref>Larisa Finken: ''Koreanische Handakupunktur: Eine Einführung in Su Jok.'' Hippokrates, 2000, ISBN 3-7773-1337-8.</ref><ref>[http://sujokgermany.com/su-jok/ Su Jok: Über die Methode]</ref><ref>[http://www.daegfa.de/PatientenPortal/Upload/Documents/Akupunkturmethoden/DZA%20Koreanische%20Handakupunktur.pdf Akupunkturmethoden: Koreanische Handakupunktur]</ref> Die Chinesische Schädelakupunktur wurde von Neurochirurgen entwickelt und orientiert sich an der Neuroanatomie. Sie wird zur täglichen Versorgung von Schädel- und Hirnverletzten in China eingesetzt.<ref>[http://www.ynsa.info/schaedelakupunktur_gegen_schaedel_hirn_verletzungen/was_ist_schaedelakupunktur.html Was ist Schädelakupunktur?]</ref>
Weiterhin existieren die von dem japanischen Arzt [[Toshikatsu Yamamoto]] in den 1960ern entwickelte [[YNSA|''Yamamoto Neue Schädelakupunktur'']] ([[YNSA]])<ref>[http://www.daegfa.de/PatientenPortal/Upload/Documents/Akupunkturmethoden/DZA%20Interview%20mit%20Yamamoto.pdf Interview mit Dr. med. Toshikatsu Yamamoto – zum 40-jahrigen Bestehen der Neuen Schadelakupunktur nach Yamamoto (YNSA)]</ref> und die ''Fußakupunktur''.<ref>Claus C. Schnorrenberger: ''Compendium Anatomicum Acupuncturae: Lehrbuch und Atlas der anatomischen Akupunktur-Strukturen.'' De Gruyter, 1996, ISBN 3-11-087976-X, S. 212f.</ref>
Die Mundakupunktur nach Dr. Jochen Gleditsch beruht auf spezifischen Reflexpunkten in der Mundschleimhaut.<ref>Gleditsch, J.M.: Reflexzonen und Somatotopien. Als Schlüssel zu einer Gesamtschau des Menschen, 6. Auflage. Schorndorf: Biologisch-Medizinische Verlagsgesellschaft 1996.</ref> Über die den Zähnen vorgelagerten Vestibulumpunkte sowie über Punkte hinter den Molaren lassen sich weitgehend reproduzierbare Fernwirkungen erzielen.<ref>[http://www.daegfa.de/PatientenPortal/Akupunktur.Akupunktur-Methoden.Mund_Akupunktur.aspx Akupunkturmethoden: Mundakupunktur]</ref>
 
Eine weitere neuzeitliche Entwicklung ist die Behandlung von Akupunkturpunkten mit einem Laser mit niedriger Leistungsdichte im roten oder infraroten Bereich (Laserakupunktur, [[Low-Level-Lasertherapie]]).
Die ''[[Mesotherapie]]'' ist eine Injektionsakupunktur, bei der [[Homöopathie|homöopathische]] oder niedrigdosierte Wirkstoffe appliziert werden.
 
== Durchführung ==
Eine Akupunktursitzung dauert etwa 20 bis 30 Minuten. Dabei wird der Patient ruhig und entspannt gelagert, typischerweise liegt er oder sitzt bequem. Vor dem Einstich einer Nadel wird die Stelle und die unmittelbare Umgebung leicht massiert. Während einer Sitzung werden so wenige Punkte wie möglich gestochen. Manche Autoren geben eine Maximalzahl von 16 an, die aber in Einzelfällen überstiegen werden kann. <!--QUELLE-->
 
== Einsatzgebiete ==
 
[[Datei:Flickr - Official U.S. Navy Imagery - Cmdr. Yevsey Goldberg conducts an acupuncture procedure. (2).jpg|mini|Akupunktur bei der [[United States Navy|US-Navy]]<ref>{{Internetquelle |titel=Datei: 120216-N-PB383-282.jpg |url=http://www.navy.mil/view_image.asp?id=116045 |hrsg=[[United States Navy]] |zugriff=2013-05-26 |zitat=Description:  Cmdr. Yevsey Goldberg conducts an acupuncture procedure on a patient aboard the amphibious transport dock ship USS New Orleans (LPD 18).}}</ref>]]
[[Datei:Acupuncture U.S. Air Force.JPG|mini| Ohrakupunktur bei der [[U.S. Air Force]]]]
Die [[Weltgesundheitsorganisation]] (WHO) veröffentlichte 2002 eine [[Indikation]]sliste für Akupunktur, auf der diese bei 28 Krankheitsbildern empfohlen wird.<ref>[http://apps.who.int/iris/handle/10665/42414?mode=full&submit_simple=Show+full+item+record apps.who.int]</ref> Diese Veröffentlichung wurde unter Ausschluss der Wissenschaftsgemeinschaft erstellt und keinerlei Peer-Review unterzogen. Sie spiegelt nicht den [[Stand der Forschung]] über Akupunktur wider. Diese Liste umfasst folgende Bereiche:
 
* Erkrankungen des [[Atmung]]ssystems (etwa akute [[Nasennebenhöhlenentzündung]])
* Gastrointestinale Störungen (etwa chronische [[Magengeschwür]]e)
* Schlafstörungen
* [[Asthma bronchiale|Bronchialasthma]]
* Heuschnupfen (saisonale allergischer Rhinitis)
* Neurologische Störungen (etwa nach [[Schlaganfall|Schlaganfällen]])
* Augenerkrankungen (etwa zentrale [[Retinitis]])
* Akupunktur bei Schwangerschaft ([[Geburtsvorbereitende Akupunktur]])
* Muskuloskeletale Erkrankungen (etwa [[Cervicobrachialgie]])
* Erkrankungen im Mundbereich (etwa Schmerzen nach [[Extraktion (Zahnmedizin)|Extraktionen]], [[Gingivitis]]).<ref name="SouthMed">V. Sierpina, M. Frenkel: ''Acupuncture: A Clinical Review.'' In: ''Southern Medical Journal.'' 98 (3), März 2005, S.&nbsp;330–337.</ref>
 
Als anerkannte Indikation für eine Akupunkturbehandlung gelten auch [[Durchbruchschmerzen|chronische Schmerzen]], wenn kein körperlicher Befund vorliegt und Schwangerschaftsbeschwerden.
 
Das US-amerikanische ''National Institutes of Health'' wertete alle vorhandenen Studien zur Akupunktur aus und bemängelte dabei die oftmals schlechte Qualität vieler Studien. In einem Bericht, den ein von [[Alternativmedizin]]ern dominiertes Komitee<ref name="NIDA">Wallace Sampson: ''[http://www.veterinarywatch.com/NIDA.htm On the National Institute of Drug Abuse Consensus Conference on Acupuncture]'' In: ''Scientific Review of Alternative Medicine.'' v2, n1, 1998.</ref> erstellte, wird dagegen auf vielversprechende Ergebnisse hingewiesen, die auf die Wirksamkeit in zahlreichen Bereichen hindeuten.<ref name="NIH statement">National Institutes of Health: ''[https://consensus.nih.gov/1997/1997Acupuncture107html.htm Acupuncture. NIH Consensus Statement].'' 15/1997, S.&nbsp;1–34.</ref>
 
== Nebenwirkungen ==
Im Allgemeinen treten bei sachgemäßer Handhabung der Akupunktur kaum [[Nebenwirkung]]en auf. Mögliche Nebenwirkungen sind:
 
* Die Ausbildung eines [[Hämatom]]s an der Einstichstelle.
* Bei langen Verweildauern von Nadeln („Dauernadeln“), egal welchen [[Werkstoff|Materials]], kann es zu [[Entzündung]]en kommen.
* Es können vereinzelt Blutstropfen austreten.
* Bei bestimmten Punkten oder Punktkombinationen kann dem Patienten schwindlig werden.
* Kurzzeitiger Bewusstseinsverlust kann auftreten (sehr selten, bei unsachgemäßer Punktwahl oder zu starker [[Stimulation]]).
* [[Anästhesie (Sensibilitätsstörung)|Taubheitsgefühl]]
* Silikonisierte Akupunkturnadeln können durch Ablagerung kleinster Mengen [[Silikon]] in der Haut [[Granulom]]e verursachen.<ref>M. Yanagihara u. a.: ''Silicone granuloma on the entry points of acupuncture, venepuncture and surgical needles.'' In: ''J Cutan Pathol.'' 27(6), 2000, S. 301–305.</ref><ref>C. Chun: ''Silica granuloma: Scanning electron microscopy and energy dispersive X-ray microanalysis.'' In: ''Journal of Dermatology.'' Vol 18(2), 1991, S. 92–96.</ref><ref>R. M. Alani, K. Busam: ''Acupuncture granulomas.'' In: ''[[Journal of the American Academy of Dermatology]].'' 45(6 Suppl.) 2001, S. 225–261.</ref><ref>S. Hayhoe u. a.: ''Single-use acupuncture needles: Scanning electron-microscopy of needle-tips.'' In: ''Acupuncture in Medicine.'' 20(1), 2002, S. 11–18.</ref>
 
Dies sind die häufigsten unerwünschten [[Nebenwirkung]]en einer Akupunkturbehandlung. In den großen deutschen Krankenkassenstudien mussten die Ärzte die auftretenden Nebenwirkungen dokumentieren. Betroffen waren etwa acht Prozent der mit Akupunktur behandelten Patienten. Eine systematische Übersicht aller Verletzungen von Blutgefäßen, die durch Akupunktur erzeugt wurden und in der Fachliteratur dokumentiert wurden, fand 21 Fälle, einige davon mit sehr ernsten Komplikationen. Drei Patienten verstarben infolge dieser Zwischenfälle. Die Autoren zogen daraus den Schluss, dass vaskuläre Zwischenfälle selten sind.<ref name="pmid18538597">{{Literatur |Autor=D. Bergqvist |Titel=Vascular injuries caused by acupuncture |Sammelwerk=[[European Journal of Vascular and Endovascular Surgery]] |Band=36 |Nummer=2 |Datum=2008-08 |Seiten=160–163 |DOI=10.1016/j.ejvs.2008.04.004 |PMID=18538597}}</ref>
Organverletzungen, wie etwa ein [[Pneumothorax]] (selten) durch eine unbeabsichtigte [[Trauma (Medizin)|Verletzung]] der [[Lunge]]<!--
QUELLEN--> gelten nicht als Nebenwirkung, sondern als Behandlungsfehler aufgrund von fehlendem Wissen und bei unsachgemäßer Nadelung.<ref>Palle Rosted: {{Webarchiv | url= http://users.med.auth.gr/~karanik/english/articles/adverse.html | archive-is= 19991117| text=''Adverse Reactions after Acupuncture: A Review.''}}</ref><ref>Zitiert nach: {{webarchiv| url = http://www.akupunktur-aktuell.de/2007/news/Oekotest.htm| wayback= 20070929103611| text = ''Sanft heilen mit Nadeln.''}} In: ''Öko-Test.'' 6/2007. Akupunktur-aktuell.de, 23. Mai 2007, abgerufen am 14. August 2012.</ref>
 
== Gegenanzeigen ==
Es gibt verschiedene Gruppen von Menschen, bei denen manche [[Arzt|Ärzte]] von einer Akupunkturbehandlung abraten, zum Beispiel:
 
* Menschen, die [[blutgerinnung]]shemmende Cumarin-Derivate [[Phenprocoumon]], [[Warfarin]] oder auch die als ''neue orale Antikoagulanzien'' bezeichneten Wirkstoffe wie [[Apixaban]], [[Dabigatran]] und [[Rivaroxaban]] einnehmen (insbesondere ohne stabile Einstellung)<ref>[http://www.aerzteblatt-thueringen.de/pdf/thu13_148.pdf ''Akupunktur bei gleichzeitiger Antikoagulanzientherapie – Risikoaufklärung unwirksam bei Kontraindikation.''] auf: ''aerzteblatt-thueringen.de'' 3/2013, S. 148–149.</ref>
* Menschen mit ''[[Hautkrankheit|Erkrankungen der Haut]]'' ([[Ekzem]]e, [[Nesselsucht]], [[Dermatitis]] usw.) an den lokal betroffenen Stellen
* Menschen mit bestimmten ''[[Nervenkrankheit]]en'' und ''[[Sensibilitätsstörung]]en der [[Haut]]'' (zum Beispiel [[Polyneuropathie]]n mit eingeschränktem [[Schmerz]]empfinden an den lokal betroffenen Stellen)
* ''[[Epilepsie|Epileptiker]]'' (wegen der Gefahr eines [[Epileptischer Anfall|epileptischen Anfalls]])
* Menschen mit schweren ''[[Infektionskrankheit|ansteckenden Krankheiten]]'' (beispielsweise [[Tuberkulose]])
* Menschen mit bestimmten ''[[Tumor]]arten''
* Menschen mit einem ''schlechten Allgemeinzustand'' (in solchen Fällen sollte ein Arzt konsultiert werden)
* ''[[Säugling|Babys]]'' und ''[[Kleinkind|kleine Kinder]]''
* In Bereichen akuter Entzündungen, Knochenbrüchen, frischen Verletzungen
* Wenn eine [[Salbe]], [[Hautcreme|Creme]], Tönung oder ein [[Schminke|Make-up]] usw. auf der [[Haut]] aufgetragen wurde, können geringe Mengen des aufgetragenen Mittels an der Einstichstelle unter die Haut gelangen und unerwünschte Reaktionen auslösen.
 
Menschen mit ''[[Hypotonie|niedrigem Blutdruck]]'' oder ''[[Synkope (Medizin)|Kollapsneigung]]'' sollten während der Akupunkturbehandlung liegen und sich danach eine Weile ausruhen.
 
Elektro-Akupunktur darf bei [[Epilepsie|Epileptikern]] nicht angewandt werden, weil der [[Elektrizität|elektrische Strom]] [[Epileptischer Anfall|epileptische Anfälle]] auslösen könnte. Auch Menschen mit einem [[Herzschrittmacher]] dürfen nicht elektro-akupunktiert werden, weil der [[Elektrizität|elektrische Strom]] den Schrittmacher fehlsteuern könnte.
 
== Wissenschaftliche Beurteilung ==
Einige Vertreter der konventionell westlichen [[Medizin]] sehen es weiterhin als Aufgabe der [[Forschung]] an, der hinter der Akupunktur stehenden [[Theorie]] der [[Meridian (TCM)|Meridiane]] und Akupunkturpunkte wissenschaftlich nachzugehen. Andere Vertreter halten diese Ideen für so abwegig, dass sie keinen Bedarf für genauere Nachforschungen mehr sehen. Die bislang größte weltweite [[Prospektive Studie|prospektive]] und [[Randomisierung|randomisierte]] Untersuchung (GERAC-Studien) kommt zum Schluss, dass die Akupunktur genauso wirksam sei wie eine Scheinbehandlung an benachbarten, aber nichtklassischen Punkten (Placebo). Eine [[systematische Übersichtsarbeit]] aus dem Jahr 2011, in der 57 systematische, seit 2000 veröffentlichte Übersichtsarbeiten untersucht wurden, kam zu dem Ergebnis, dass es wenig Beweise dafür gibt, dass Akupunktur eine effektive Behandlung bei Schmerz ist.<ref name="Quack">[[Edzard Ernst|E. Ernst]], M. S. Lee, T. Y. Choi: [http://www.dcscience.net/Ernst-2011-AcupunctAlleviatePainRiskReview.pdf ''Acupuncture: Does it alleviate pain and are there serious risks? A review of reviews'']. In: ''Pain.'' 152, Nr. 4, 2011, S. 755–764. [[doi:10.1016/j.pain.2010.11.004]]. PMID 21440191.</ref>
Sowohl prinzipielle Befürworter als auch Gegner der Akupunktur warnen davor, bei schwerwiegenden Erkrankungen wie [[Krebs (Medizin)|Krebs]], [[Multiple Sklerose|Multipler Sklerose]] oder [[Schlaganfall]] Akupunktur anzuwenden. Befürworter begründen, dass solche Erkrankungen [[Gegenanzeige]]n gegen die Akupunktur seien, weil eine fördernde (in diesem Zusammenhang nachteilige, weil der Erkrankung Vorschub leistende) Wirkung der Akupunktur die Krankheit noch verschlimmern könnten, indem sie beispielsweise bei Krebserkrankungen die Zellen zur unerwünschten Vermehrung anregen würden. Eine solche fördernde Wirkung wurde jedoch nie nachgewiesen. Gegner der Akupunktur halten den Einsatz der Methode besonders bei schwerwiegenden Erkrankungen für gefährlich, weil konventionelle Therapien zugunsten der Akupunktur häufig nicht oder erst zu spät eingesetzt werden.
 
=== GERAC-Akupunktur-Studien ===
Die [[German Acupuncture Trials|GERAC]]-Studien (2002–2007) (''German Acupuncture Trials'') sind die weltweit größten prospektiven und randomisierten Untersuchungen zur Wirksamkeit der Akupunktur im Vergleich zu einer leitlinienorientierten Standardtherapie für die volkswirtschaftlich relevanten Indikationen chronischer Kreuzschmerz, chronischer Schmerz bei Kniegelenksarthrose, chronischer Spannungskopfschmerz und chronische Migräne. Ein Leitungsgremium an der Ruhr-Universität Bochum (Sprecher Hans-Joachim Trampisch) steuerte die deutschlandweiten Studien unter Beteiligung von sechs Universitäten (Essen, Heidelberg, Marburg, Mainz und Regensburg) und über 500 ambulanten Ärzten.<ref>H. G. Endres, M. Zenz, C. Schaub, A. Molsberger, M. Haake, K. Streitberger, G. Skipka, C. Maier: ''German Acupuncture Trials (gerac) address problems of methodology associated with acupuncture studies.'' In: ''Schmerz.'' Jun;19(3), 2005, S. 201–204, 206, 208–210.</ref> An der Konzeption und Durchführung der GERAC-Studien war entscheidend die wissenschaftliche Fachgesellschaft Forschungsgruppe Akupunktur beteiligt.<ref>A. F. Molsberger, K. Streitberger, J. Kraemer, C. S. Brittinger, S. Witte, G. Boewing, M. Haake: ''Designing an acupuncture study: II. The nationwide, randomized, controlled German acupuncture trials on low-back pain and gonarthrosis.'' In: ''J Altern Complement Med.'' 12(8), Okt 2006, S. 733–742.</ref> Die dreiarmigen Studien verglichen an insgesamt 3500 Patienten eine Akupunktur an chinesischen Akupunkturpunkten (Verum) mit einer Akupunktur an nicht chinesischen Punkten (Sham) und einer konventionellen Therapie. Hierbei zeigte sich, dass etwa 11 Akupunkturbehandlungen innerhalb von 6 Wochen der konventionellen Standardtherapie bei chronischem Kniegelenksarthroseschmerz und bei chronischem Kreuzschmerz überlegen waren.<ref name="Scharf" /><ref name="Haake" /> Bei Migräne war der Therapieerfolg einer Akupunktur über 6 Wochen mindestens so hoch wie derjenige einer 6 monatigen prophylaktischen medikamentösen Therapie, mit täglicher Einnahme von Betablockern.<ref name="Diener" /> Ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Akupunkturformen Verum und Sham konnte, wie in vielen anderen Studien auch, in keiner der Studien gezeigt werden.<ref name="Scharf" /><ref name="Haake" /><ref name="Diener" /><ref name="autogenerated2007" /> Das Studienprotokoll wurde allerdings bereits während der Studien frei publiziert.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.annals.org/content/146/2/148.full?sid=c6c7e46f-9b01-474c-879e-21a58eb40f95 |titel=Acupuncture and Knee Osteoarthritis |werk=Ann Intern Med |zugriff=2010-06-19 |sprache=en}}</ref> Einige Kritiker halten wegen dieser Entblindungen den Wert der GERAC-Studien für herabgesetzt.<ref>D. Wettig: ''The GERAC-gonarthrosis study.'' In: ''Der Schmerz.'' 19 (4), 2005, S. 330–331.</ref><ref>D. Wettig: ''Acupuncture helps in knee osteoarthritis. Was it really a blind study?'' In: ''MMW Fortschr Med.'' 147(49-50), 8. Dez 2005, S. 22. PMID 16401007.</ref>
 
Auf der Grundlage der GERAC-Studien entschied der Gemeinsame Bundesausschuss, dass Akupunktur seit 1. Januar 2007 bei Rückenschmerzen und chronischen Gelenkschmerzen Teil der Kassenleistung ist.<ref name="GBA">[https://www.g-ba.de/downloads/40-268-71/2006-04-18_Akupunktur-TGr.pdf ''Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Akupunktur vom 18.04.2006.''] Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses.</ref> „Die allein historisch begründete Darstellung der Punktspezifität chinesischer Akupunkturpunkte in der ärztlichen Akupunkturausbildung (Akupunktur Fort- und Weiterbildungsseminaren) ist klinisch wenig relevant.“<ref>A. Molsberger: ''GERAC Trials in Germany – Overview, results and impact. Keynote lecture at the 10 Years Post-NIH Consensus Conference, Nov 8.-11. 2007.'' University of Maryland, Baltimore, MD, USA.</ref>
Die 2009 aktualisierten internationalen [[Cochrane-Review]]s, deren Resümee wesentlich durch die Ergebnisse der GERAC-Studien beeinflusst wurden, kommen zu dem Schluss, dass die Akupunktur „eine wertvolle nicht pharmakologische Therapiemöglichkeit bei Patienten mit häufigem episodischem Spannungskopfschmerz darstellt“ und dass die „Akupunktur bei Migräne mindestens so wirksam, möglicherweise auch wirksamer, als eine medikamentöse prophylaktische Therapie ist, und dies bei geringeren unerwünschten Wirkungen“.<ref>K. Linde, G. Allais, B. Brinkhaus, E. Manheimer, A. Vickers, A. R. White: ''Acupuncture for tension-type headache.'' In: ''Cochrane Database Syst Rev.'' (1), 21. Jan 2009, Art. Nr. CD007587. Review.</ref><ref>K. Linde, G. Allais, B. Brinkhaus, E. Manheimer, A. Vickers, A. R. White: ''Acupuncture for migraine prophylaxis.'' In: ''Cochrane Database Syst Rev.'' (1), 21. Jan 2009, Art. Nr. CD001218.</ref>
 
=== Studien im Rahmen des „Modellvorhabens Akupunktur“ ===
Einige deutsche gesetzliche [[Krankenversicherung in Deutschland|Krankenversicherungen]], unter Führung der [[Techniker Krankenkasse]], betrieben das „Modellvorhaben Akupunktur“, in dem überprüft werden sollte, ob es sinnvoll wäre, die Akupunktur in den Leistungskatalog aufzunehmen. Dieses Projekt wurde vom ''Institut für [[Sozialmedizin]], [[Epidemiologie]] und [[Gesundheitsökonomie]]'' des Berliner Universitätsklinikums [[Charité]] wissenschaftlich unterstützt und beinhaltete drei Studien:
 
* Acupuncture Safety and Health Economics Studies (ASH)<ref>[http://www.charite.de/epidemiologie/german/projekte/akuASH.html Acupuncture Safety and Health Economics Studies] (ASH)</ref>
* Acupuncture in Routine Care Studies (ARC)<ref>[http://www.charite.de/epidemiologie/german/projekte/akuARC.html Acupuncture in Routine Care Studies] (ARC)</ref>
* Acupuncture Randomized Trials (ART)<ref>[http://www.charite.de/epidemiologie/german/projekte/akuART.html Acupuncture Randomized Trials] (ART)</ref>
 
Die Ergebnisse wurden unter anderem im ''Deutschen Ärzteblatt''<ref>D. Melchart u. a.: ''Akupunktur bei chronischen Schmerzen: Ergebnisse aus dem Modellvorhaben der Ersatzkassen.'' In: ''Deutsches Ärzteblatt.'' 103/2006, S. A-187/ B-160/ C-159. [http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&id=49981 (online)]</ref><ref>C. M. Witt u. a.: ''Wirksamkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Akupunktur – Ein Modellvorhaben mit der Techniker Krankenkasse, Efficacy, effectiveness, safety and costs of acupuncture.'' In: ''Deutsches Ärzteblatt.'' 103/2006, S. A-196/ B-169/ C-167. [http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&id=49984 (online)]</ref> und [[The Lancet]]<ref>C. Witt u. a.: ''Acupuncture in patients with osteoarthritis of the knee: a randomised trial.'' In: ''The Lancet.'' 366/2005, S. 136–143. [[doi:10.1016/S0140-6736(05)66871-7]]. [http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140673605668717/abstract (Abstract)]</ref> präsentiert. Es wurde ein Effekt festgestellt, der aber nicht anhaltend war. Auch bei diesen Studien wurde das genaue Studienprotokoll bereits während der laufenden Studien publiziert, was Kritik (Entblindung) hervorrief.<ref>D. Wettig: {{Literatur |Hrsg=Archinte.ama-assn.org |Titel=The Acupuncture Randomized Trials Study (Back Pain) Was Unblinded Too Early |Sammelwerk=Arch Int Med |Datum=2006-07-24 |Online=http://archinte.ama-assn.org/cgi/content/short/166/14/1527-a |DOI=10.1001/archinte.166.14.1527-b |Abruf=2010-06-19}}</ref><ref>D. Wettig: ''Potential unblinding of ART study.'' In: ''Acupunct Med.'' 24(1), Mar 2006, S. 38; author reply 38. PMID 16618050.</ref>
 
=== Weitere Studien ===
Die Ergebnisse einer großen Zahl von chinesischen Akupunkturstudien, die alle die Wirksamkeit der Methode belegen sollen, werden in der wissenschaftlichen Literatur aufgrund der Methodik angezweifelt.<ref>Zitiert nach E. Ernst: ''Warum klappt das nur in China?'' In: ''MMW-Fortschr. Med.'' Nr. 47/ 2006 (148. Jg.), S.&nbsp;24.</ref> Praktisch bei allen chinesischen Studien zur Akupunktur wird nicht randomisiert und [[Prospektive Studie|prospektiv]] und nicht mit geeigneten Kontrollgruppen gearbeitet.
 
Ein anderer Ansatz zur Erforschung der Akupunktur besteht in dem Versuch, mögliche physiologische Wirkungsmechanismen aufzudecken und wissenschaftlich haltbare Nachweise der Ortslokalisation von Organ-, Schmerz- und [[Triggerpunkttherapie|Triggerpunkten]] zu erbringen.<ref>A. Otti, M. Noll-Hussong: ''Acupuncture-induced pain relief and the human brain's default mode network – an extended view of central effects of acupuncture analgesia.'' In: ''Forschende Komplementärmedizin.'' Band 19, Nummer 4, 2012, S.&nbsp;197–201, {{ISSN|1661-4127}}. [[doi:10.1159/000341928]]. PMID 22964986.</ref> Ein belastbarer Nachweis wurde bisher noch nicht erbracht.
 
== Kostenerstattung durch Krankenkassen ==
Seit dem 1. Januar 2007 erstatten alle deutschen gesetzlichen Krankenkassen gemäß einem Beschluss des [[Gemeinsamer Bundesausschuss|Gemeinsamen Bundesausschusses]] in Deutschland Akupunkturbehandlungen bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule und in den Kniegelenken bei Kniegelenksarthrose im Rahmen eines schmerztherapeutischen Gesamtkonzepts.<ref>[https://www.g-ba.de/downloads/39-261-295/2006-04-18-RMvV-Akupunktur-Beschluss_WZ.pdf GBA-Beschluss] (PDF; 97&nbsp;kB).</ref> Teil dieses Beschlusses ist die Erhöhung der notwendigen Qualifikation der Ärzte: Neben der ärztlichen Zusatzbezeichnung „Akupunktur“ wird der Nachweis der jeweils 80-stündigen Kurse „Spezielle Schmerztherapie“ und „Psychosomatische Grundversorgung“ vorausgesetzt.
Die Behandlung von Kopfschmerzen durch Akupunktur wurde nicht in den Leistungskatalog aufgenommen, da kein Vorteil gegenüber der Standardtherapie festgestellt worden war.<ref name="GBA" /> Andere Indikationen für Akupunkturbehandlungen sind nicht Leistung der gesetzlichen Krankenkassen und müssen deshalb selbst bezahlt werden.
 
Die Privaten Krankenversicherungen, [[Beihilfe (Beamtenrecht)|Beihilfen]] und die [[Postbeamtenkrankenkasse]] bezahlen Akupunktur zur Behandlung von Schmerzen nach der amtlichen [[Gebührenordnung für Ärzte]],<ref>[http://www.aerztekammer-bw.de/20/goae/index.html Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)<!-- Automatisch generierter titel -->]</ref> nach Einzelfallentscheidung meist auch für weitere Diagnosen. Vertragsabhängig werden auch Heilpraktikerleistungen erstattet.
 
Eine weitere Möglichkeit der Kostenübernahme oder Kostenbeteiligung besteht durch Heilpraktiker-Zusatzversicherungen, da auch Heilpraktiker mit TCM-Ausbildung Akupunktur anbieten.
 
In der [[Schweiz]] wird die Akupunktur über die [[Gesundheitswesen Schweiz|Grundversicherung]] abgedeckt, wenn die Behandlung durch einen Arzt erfolgt.<ref>[https://www.comparis.ch/krankenkassen/info/glossar/leistungen-krankenpflegeversicherung.aspx www.comparis.ch].</ref> Darüber hinaus ist die Akupunktur von bestimmten Formen der [[Gesundheitswesen Schweiz|Zusatzversicherung]] abgedeckt.
<!--Österreich fehlt-->


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Akupunktur}}
{{Portal|Pflege}}
* {{WikipediaDE|Qi}}
* {{WikipediaDE|Pflegeweissenschaft}}
* {{WikipediaDE|Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft}}
* {{WikipediaDE|Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege}}
* {{WikipediaDE|Evidence-based Nursing}} (Evidenzbasierte Pflege)


== Literatur ==
== Literatur ==
* The Academy of Traditional Chinese Medicine: ''An Outline of Chinese Acupuncture''. Foreign Languages Press, Peking 1975.
* Reimer Gronemeyer, Charlotte Jurk (Hrsg.): ''Entprofessionalisieren wir uns! Ein kritisches Wörterbuch über die Sprache in Pflege und sozialer Arbeit''. transcript, Bielefeld 2017, ISBN 978-3-8394-3554-0.
* John Z. Bowers, Robert W. Carrubba: ''The doctoral thesis of Engelbert Kaempfer on tropical diseases, oriental medecine and exotic natural phenomena.'' In: ''Journal of the history of medecine and allied sciences.'' Band XXV, No 3, 1970, S. 270–311.
* V. Hielscher / L. Nock / S. Kirchen-Peters: ''Technikeinsatz in der Altenpflege. Potenziale und Probleme in empirischer Perspektive''. Nomos/edition sigma, 2015.
* John Z. Bowers, Robert W. Carrubba: ''The western world's first detailed treatise on acupuncture: Willem Ten Rhijne's De acupunctura.'' In: ''Journal of the history of medecine and allied sciences.'' Band XXIX, No 4, 1974, S. 371–399.
* Hermann Brandenburg, Stephan Dorschner (Hrsg.): ''Pflegewissenschaft 1. Lehr- und Arbeitsbuch zur Einführung in die Pflegewissenschaft.'' Huber, Bern 2001, ISBN 3-456-84161-2
* U. A. Casal: ''Acupuncture, Cautery and Massage in Japan.'' In: ''Asian Folklore Studies.'' Vol. 21, 1962, {{ISSN|0385-2342}}, S. 221–235. [http://nirc.nanzan-u.ac.jp/publications/afs/pdf/a136.pdf (PDF; 1&nbsp;MB)]
* Nancy Burns, Susan K. Grove: ''Pflegeforschung verstehen und anwenden.'' Elsevier, München 2005, ISBN 3-437-25996-2
* Philibert Dabry de Thiersant (1826–1898), Jean-Léon Souberain: ''La médecine chez les Chinois.'' Plon, Paris 1863. [https://archive.org/stream/lamdecinechezle00thiegoog (Digitalisat archive.org)]
* Geri Lobiondo-Wood, Judith Haber: ''Pflegeforschung. Methoden, Bewertung, Anwendung.'' Elsevier, München 2005, ISBN 3-437-25936-9
* Michael Eyl: ''Chinesisch-japanische Akupunktur in Frankreich (1810–1826) und ihre theoretischen Grundlagen (1683–1825)''. Diss. med. Zürich 1978.
* ''Pflegewissenschaft in der Praxis: Eine kritische Reflexion.'' [broschiert], hrg. von Silvia Käppeli, Huber, Bern 2011
* Gerhart Feucht (Mitglied des Ludwig Boltzmann-Instituts für Akupunktur): ''Die Geschichte der Akupunktur in Europa.'' Karl F. Haug Verlag, Heidelberg 1977, ISBN 3-7760-0364-2.
* Wolfgang Michel: ''Frühe westliche Beobachtungen zur Akupunktur und Moxibustion''. Sudhoffs Archiv, Band 77 (2), 1993, S. 194–222. [http://catalog.lib.kyushu-u.ac.jp/recordID/2903 (Digitalisat)]
* Wei-kang Fu: ''The Story of Chinese Acupuncture and Moxibustion.'' Foreign Language Press, Peking 1975.
* Franz Hübotter: ''Die chinesische Medizin zu Beginn des XX. Jahrhunderts und ihr historischer Entwicklungsgang.'' Verlag der Asia Major, Leipzig 1929.
* Carl-Hermann Hempen: ''dtv-Atlas Akupunktur.'' 5. Auflage. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2001, ISBN 3-423-03232-4.
* Pierre Huard, Zensetsou Ohya, Ming Wong: ''La médecine Japonaise des origines à nos jours.'' R. Dacosta, Paris 1974.
* Gwei-Djen Lu, Joseph Needham: ''Celestial lancets. A history and rationale of acupuncture and moxa.'' Cambridge University Press, Cambridge 1980.
* Felix Mann, Thomas Flöter (Übersetzung): ''Die Revolution der Akupunktur.'' Akupunktur Medizin Information, Gießen 1997, ISBN 3-927971-08-1.
* Hans P. Ogal, Wolfram Stör, Yu-Lin Lian: ''Seirin Bildatlas der Akupunktur.'' KVM-Verlag, ISBN 3-932119-40-1.
* Manfred Porkert, Carl-Hermann Hempen: ''Systematische Akupunktur.'' Urban & Schwarzenberg, München/ Wien/ Baltimore 1985, ISBN 3-541-11151-8.
* Paul U. Unschuld: ''Akupunktur.'' In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 27 f.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Acupuncture|Akupunktur}}
* [http://www.dg-pflegewissenschaft.de/ Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft e.&nbsp;V.]
{{Wiktionary}}
* [http://www.pflegeforschung-vfp.ch/ Schweizerischer Verein für Pflegewissenschaft]
* [http://apps.who.int/medicinedocs/en/d/Js4926e/5.html Metastudie der Weltgesundheitsorganisation zu kontrollierten klinischen Studien über die Wirksamkeit der Akupunktur bei verschiedenen Krankheiten und Beschwerden] (englisch)
* [http://www.pflegestudium.de/ Übersicht über Pflegestudiengänge in Deutschland]
* [http://www.ruhr-uni-bochum.de/pressemitteilungen-2002/msg00029.html Ruhr-Universität-Bochum GERAC PM]
* [https://studieren.de/suche.0.html?&mode=search&lt=course&fb=53:faculty:Pflegewissenschaften/ Übersicht Studiengänge Pflegewissenschaft]
*[http://www.dnapn.de/ Informationen zu Pflege in der Psychiatrie Schweiz/Deutschland]
* [http://www.stiftung-pflegewissenschaft.ch/ Stiftung Pflegewissenschaft Schweiz]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references>
<references />
<ref name="Diener">
H. C. Diener, K. Kronfeld, G. Boewing, M. Lungenhausen, C. Maier, A. Molsberger, M. Tegenthoff, H. J. Trampisch, M. Zenz, R. Meinert: ''GERAC Migraine Study Group. Efficacy of acupuncture for the prophylaxis of migraine: a multicentre randomised controlled clinical trial.'' In: ''Lancet Neurol.'' 5(4), Apr 2006, S. 310–316.</ref>
<ref name="Haake">
M. Haake, H. H. Müller, C. Schade-Brittinger, H. D. Basler, H. Schäfer, C. Maier, H. G. Endres, H. J. Trampisch, A. Molsberger: ''German Acupuncture Trials (GERAC) for chronic low back pain: randomized, multicenter, blinded, parallel-group trial with 3 groups.'' In: ''[[Arch Intern Med]].'' 167(17), 24. Sep 2007, S. 1892–1898.</ref>
<ref name="Scharf">
H. P. Scharf, U. Mansmann, K. Streitberger, S. Witte, J. Krämer, C. Maier, H. J. Trampisch, N. Victor: ''Acupuncture and knee osteoarthritis: a three-armed randomized trial.'' In: ''[[Ann Intern Med]].'' 145(1), 4. Jul 2006, S. 12–20.</ref>
</references>


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Version vom 21. Februar 2018, 10:01 Uhr

Pflegewissenschaft beschäftigt sich mit Fragen der Gesundheits- und Kranken-, Kinderkranken-, Alten- und Heilerziehungspflege. Sie greift auf Erkenntnisse der Medizin, Gesundheitswissenschaft, Soziologie, Psychologie, Biologie, Philosophie, Theologie und Geschichte zurück.

Geschichte

Die Wurzeln der Pflegewissenschaft liegen im US-amerikanischen Raum: Der erste Studiengang wird dort auf das Jahr 1907 datiert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sorgte in den USA die von der Russell Sage Foundation unterstützte und von Esther Lucille Brown herausgebrachte Studie Nurses for the future für neue Impulse,[1] indem sie über die mangelhafte pflegerische Versorgung in den USA berichtete und ausdrücklich die Verweisung der Ausbildung an die Universitäten forderte. Dementsprechend entstanden zunächst Studiengänge zur Pflegepädagogik und zum Pflegemanagement. Zeitlich deutlich versetzt bildeten sich dann originär pflegewissenschaftliche Studienangebote, entstanden Forschungsinstitute und entsprechende Fachzeitschriften. 1952 eröffnete Hildegard Peplau den Wissenschaftsdiskurs um Pflegetheorien und Pflegemodelle.[2]

Von den USA ausgehend gelangte die Akademisierungs-Bewegung mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in Europa an: In Heidelberg begannen 1946 Gespräche zur Einrichtung eines Pflegestudienganges an der Universität Heidelberg. Diese führten 1953 zur Gründung der Schwesternschule der Universität Heidelberg. Der Wunsch nach einer akademischen Ausbildung scheiterte jedoch, nicht zuletzt am Widerstand der Schwesternorganisationen. In der DDR existierten erste pflegebezogene Studiengänge an der Humboldt-Universität zu Berlin und in Halle/Wittenberg bereits ab den 1960er Jahren, wenngleich mit einer stärkeren pädagogisch-didaktischer oder medizin-naturwissenschaftlicher Prägung. Auch in Großbritannien und den skandinavischen Ländern wurden verhältnismäßig früh mit dem Aufbau von Pflegestudiengängen begonnen.

Ab der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre entstanden auch in der Bundesrepublik Deutschland pflegebezogene Studiengänge, zum Teil in Verbindung mit anderen Fachbereichen – wie beispielsweise die Besetzung des Lehrstuhls „Pflege- und Sozialwissenschaften“ an der Fachhochschule Osnabrück durch Ruth Schröck im Jahr 1987. In Ermangelung anderer Möglichkeiten war es zum damaligen Zeitpunkt üblich, dass die Lehrbeauftragten einen pflegewissenschaftlichen Abschluss aus den USA oder Großbritannien innehatten oder anderen wissenschaftlichen Disziplinen entstammten (z. B. Soziologie, Psychologie, Pädagogik). An dieser Situation hat sich – trotz inzwischen vielfältiger Studienabschlüsse und Promotionsmöglichkeiten – auch heutzutage nicht viel geändert.

Im selben Zeitraum entstanden auch außerhalb Fachhochschulen und Universitäten Institutionen, die sich der Förderung der Pflegewissenschaft und -forschung verschrieben haben. Zu nennen sei nur das aus einer Stiftung hervorgegangene Agnes-Karll-Institut für Pflegeforschung des DBfK. Im Jahre 1991 konnte das Institut eines der ersten Forschungsprojekte im Kernbereich von Pflege abschließen: Der Pflegeprozeß am Beispiel von Apoplexiekranken – Eine Studie zur Erfassung und Entwicklung ganzheitlich-rehabilitativer Prozeßpflege, die über die Dauer von drei Jahren vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert und unter der Leitung von Monika Krohwinkel durchgeführt wurde.[2]

1988 erschien mit der Zeitschrift Pflege aus dem Huber Verlag (Bern) erstmals ein deutschsprachiges Wissenschaftsperiodikum für die Pflege.

Im Oktober 1997 wurde Marianne Arndt, die ihre Weiterbildung zur Unterrichtsschwester an der Schwesternschule der Universität Heidelberg absolviert hatte, von der medizinischen Fakultät Charité der Humboldt Universität zu Berlin die Lehrbefähigung für das Fach Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt Pflegeethik verliehen. Hiermit wurde die erste Pflegewissenschaftlerin an einer deutschen Hochschule habilitiert.[3] Am 27. Oktober 1999 wurde an der Medizinischen Fakultät Charité der Humboldt-Universität zu Berlin zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum der akademische Grad eines Doktors der Pflegewissenschaft (Doctor rerum curae, Dr. rer. cur.) verliehen.

Akademische Grade

Pflegewissenschaft folgt dem Bologna Modell der akademischen Ausbildung mit dem Graduieren als Bachelor und als Master.[4] Weiterführende Qualifikationen werden mit dem akademischen Grad eines Doctor rerum curae (Dr. rer. cur.), Doctor rerum medicinalium (Dr. rer. medic.) sowie Doctor scientiarum humanarum (Dr. sc. hum.)[5] beliehen. Über die Zukunft der Habilitationen in der Pflegewissenschaft wird die weitere Entwicklung der Bologna-Richtlinie im Rahmen der europäischen Einigung entscheiden müssen. Da viele Pflegewissenschaftlerinnen in Deutschland ihren akademischen Werdegang mit einer Pflegeausbildung beginnen und somit Lebenszeit investieren, um pflegerelevantes Wissen zu erwerben, dürfte die Diskussionen um die Einhaltung bzw. Modifikation der Bologna-Richtlinie von nicht unerheblichem Interesse sein.

Pflegeforschungsinstitute im deutschsprachigen Raum

Pflegewissenschaftliche Zeitschriften

  • Pflege - die wissenschaftliche Zeitschrift für Pflegeberufe
  • Zeitschrift für Pflegewissenschaft
  • Pflege & Gesellschaft
  • QuPuG - Journal für qualitative Forschung in Pflege- und Gesundheitswissenschaft
  • Klinische Pflegeforschung[6]

Siehe auch

Portal
Portal
 Wikipedia:Portal: Pflege – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Pflege

Literatur

  • Reimer Gronemeyer, Charlotte Jurk (Hrsg.): Entprofessionalisieren wir uns! Ein kritisches Wörterbuch über die Sprache in Pflege und sozialer Arbeit. transcript, Bielefeld 2017, ISBN 978-3-8394-3554-0.
  • V. Hielscher / L. Nock / S. Kirchen-Peters: Technikeinsatz in der Altenpflege. Potenziale und Probleme in empirischer Perspektive. Nomos/edition sigma, 2015.
  • Hermann Brandenburg, Stephan Dorschner (Hrsg.): Pflegewissenschaft 1. Lehr- und Arbeitsbuch zur Einführung in die Pflegewissenschaft. Huber, Bern 2001, ISBN 3-456-84161-2
  • Nancy Burns, Susan K. Grove: Pflegeforschung verstehen und anwenden. Elsevier, München 2005, ISBN 3-437-25996-2
  • Geri Lobiondo-Wood, Judith Haber: Pflegeforschung. Methoden, Bewertung, Anwendung. Elsevier, München 2005, ISBN 3-437-25936-9
  • Pflegewissenschaft in der Praxis: Eine kritische Reflexion. [broschiert], hrg. von Silvia Käppeli, Huber, Bern 2011

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Artikel in Nurseweek (Memento vom 16. Mai 2008 im Internet Archive)
  2. 2,0 2,1 Silvia Käppeli: Standortbestimmung von Pflegewissenschaft und Pflegeforschung im deutschsprachigen Raum unter Berücksichtigung der internationalen Entwicklung. In: Gesellschaft zur Förderung der Pflegewissenschaft NRW e. V. (Hrsg.): Die Bedeutung der Pflegewissenschaft für die Professionalisierung der Pflege. Dokumentation einer Fachtagung (Memento vom 8. Oktober 2007 im Internet Archive) Bielefeld 1996, ISSN 1435-408X
  3. Rheinischer Merkur: Akzente: Ethik in der Krankenpflege: Marianne Arndt - eine Deutsche, die im Fach Pflegewissenschaft an einer deutschen Universität habilitiert, Nr. 47, 21. November 1997; ähnliche Informationen in einschlägigen deutschen Pflegezeitschriften wie "Die Schwester/der Pfleger" etc.
  4. Daniela Wittmann: B.A. Nurse: ein System für Deutschland?!, eine historisch-kritische Betrachtung und deren neue Perspektiven, Zulassungsarbeit Universität Heidelberg 2015. Hochschulschrift Daniela Wittmann
  5. Promotionsordnung Dr. sc. hum. Universität Heidelberg
  6. Klinische Pflegeforschung. Abgerufen am 28. Juni 2017.


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