Verbraucherschutz

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Verbraucherschutz, österreichisch und schweizerisch Konsumentenschutz, bezeichnet die Gesamtheit der Bestrebungen und Maßnahmen, die Menschen in ihrer Rolle als Verbraucher beziehungsweise Konsumenten von Gütern oder Dienstleistungen schützen sollen. Er beinhaltet auch staatlich übertragene Funktionen an Verbraucherschutzverbände. Dieser Schutzbedarf beruht auf der Grundlage, dass Verbraucher gegenüber den Herstellern und Vertreibern von Waren und gegenüber Dienstleistungsanbietern strukturell unterlegen sind, das heißt infolge geringerer Fachkenntnis, Information, Ressourcen und/oder Erfahrung benachteiligt werden können. Anliegen und Aufgabe des Verbraucherschutzes ist es, dieses Ungleichgewicht sinnvoll auszugleichen und dem Verbraucherinteresse gegenüber der Anbieterseite zu einer angemessenen Durchsetzung zu verhelfen.[1]

Allgemeines

Der Verbraucherschutz umfasst neben Verbrauchsgütern auch sonstiges Gut (etwa permanent vorhandene Infrastruktur), daher spricht man moderner von „Konsument“ und „Konsumentenschutz“.

In einem weiteren Sinne wird der Begriff auch gebraucht, um den von gesetzlichen Vorschriften gewährleisteten Schutz vor Gesundheitsgefahren zu bezeichnen (siehe Sicherheitshinweis), die Verbrauchern typischerweise drohen (z. B. durch Verunreinigungen im Trinkwasser). Insoweit ist der Sprachgebrauch uneinheitlich; manche sprechen von Verbraucherschutz, manche von Gesundheitsschutz oder auch „gesundheitlichem Verbraucherschutz“.

Geschichte

Umfangreiche Systeme zum Verbraucherschutz waren im deutschsprachigen Raum bereits im Hochmittelalter etabliert, wo Städte und Landesherren dazu ausführliche Verordnungen und Erlasse durchsetzten. Zunächst betrafen sie überwiegend die Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, deren Mindestqualitätskriterien und vertretbaren Preise. Ebenso wurden Warenqualitäten, Verkaufspreise, Schankmengen, Verkaufsmaße und -gewichte reglementiert und bei Zuwiderhandlungen geahndet. Als Beispiele sei hier das Reinheitsgebot angeführt, jedoch gab es auch zu zahlreichen weiteren Geschäfts- und Lebensbereichen, wie beispielsweise dem Getreidehandel, Bäckereien, Metzgereien oder der Wasserversorgung ausführliche Verordnungen.[2]

Leitbild

Das traditionelle ökonomische Leitbild unterscheidet nicht zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer. Beide sind demnach voll „mündig“ und selbst zu Entscheidungen fähig, willens und in der Lage (Homo oeconomicus).

Hingegen zeichnet das aktuelle Verbraucherleitbild ein anderes Bild. Denn legt man Studien über das tatsächliche Verbraucherverhalten zugrunde, so wird deutlich, dass der Verbraucher nicht nur auf Informationen des Unternehmers angewiesen ist, sondern auch nur eine bestimmte Menge an Information verarbeiten kann (information overload) und zudem auch nicht immer rational handeln kann. Diese Erkenntnisse nutzt die Anbieterseite, indem sie in ihrer Werbung nicht umfassend und objektiv über ihre Produkte informiert. Auch sind die Unternehmer unter Nutzung psychologischer Erkenntnisse bestrebt sachlich nicht begründete Kaufanreize unterschwellig zu transportieren und den Verbraucher zum schnellen unkontrollierten Geschäftsabschluss zu drängen.

Aus Sicht des Verbraucherschutzes begründet sich das Leitbild des schutzbedürftigen Verbrauchers, weil dieser den Anbietern von Produkten und Dienstleistungen strukturell unterlegen ist. Der Verbraucher hat grundsätzlich zum einzelnen Kauf nicht das gleiche Fachwissen und die diesbezüglichen Überprüfungsressourcen wie der allenfalls international tätige Unternehmer, dessen tägliches Geschäft das jeweilige Feld ist.[3] Zwischen Unternehmer und Verbraucher besteht also eine gewisse "Ungleichsgewichtslage" und ein Macht- und Informationsgefälle, welches durch das Verbraucherrecht ausgeglichen werden soll. Dieses Leitbild beim Verbraucher (mangelnde Rechtskenntnis, wirtschaftliche Unterlegenheit, psychologische Hindernisse, unübersehbares Warenangebot) hat sich auch in der Arbeit des Gesetzgebers weitgehend durchgesetzt (siehe unten). International gesehen gibt es zum Verbraucherschutz unterschiedliche Zugänge. Denn während in Europa vorwiegend ein Vorsorgeprinzip vorherrscht, gilt bei US-amerikanische Stellen das Wissenschaftsprinzip.[4]

Das Treffen bewusster Verbraucherentscheidungen hängt weiterhin weitgehend davon ab, dass Verbraucherinformation verfügbar und transparent ist („informierter Verbraucher“). In einigen Bereichen wird versucht, dies durch Gesetze zu gewährleisten (zum Beispiel bei den Inhaltsangaben für verpackte Lebensmittel, Vorschreibung verständlicher Produktinformationen etc.) oder dass bei bestimmten Geschäften Übereilungs-, Beweis- und Informationsschutz durch Formvorschriften (beginnend bei der Schriftlichkeit bis hin zu notariellen Dokumentationen) oder die Dokumentationspflicht von Aufklärungen (Rücktrittsrechte, Kreditnehmerrechte etc.) besteht. Gerade im Online-Handel beziehungsweise im Bereich des Online-Rechtsgeschäft oder Fernabsatzes hat der Verbraucherschutz einen wichtigen Stellenwert. Auch soll dem Verbraucher eindeutig klar sein, ob bzw. wann und mit wem er den Vertrag abschließt, wie dieses Unternehmen grundsätzlich agiert und ob das Unternehmen seinen Pflichten (z. B. hinsichtlich Steuern, Umweltauflagen etc.) nachvollziehbar nachkommt. Natürlich sollen durch den Verbraucherschutz die Verbraucher vor allenfalls rechtswidriger Beteiligung an Handlungen von Unternehmen hinsichtlich Geldwäsche, Steuerhinterziehung oder Korruption bewahrt werden.[5]

International gesehen versucht der Verbraucherschutz dazu entgegenzuwirken, dass Großunternehmen, Banken und Unternehmerverbände die sie betreffenden Formvorschriften (z. B. Richtlinien zum Online-Handel, Schriftlichkeit bei Verbrauchergeschäften, Aufzeichnungen zum Konsumentenschutz, das Vorliegen von aussagekräftigen Registern oder Dokumentationen bei Änderungen in der Unternehmensstruktur oder dem Unternehmenskapital) zurückdrängen. Umgekehrt bekommt der Verbraucherschutz und die Nachvollziehbarkeit der Finanzdienstleister bzw. der Großunternehmen einen höheren Stellenwert bei der Finanzaufsicht.[6] Dazu gilt gemäß der österr. Finanzmarktaufsicht zur Digitalen Revolution im Finanzsektor wie bei Erleichterungen beim mobilen Bezahlen und Geldüberweisen mit dem Smartphone, bei Finanzierungen mit Krypto-Währungen und beim Crowdinvesting trotz aller Erleichterungen bzw. Beschleunigungstendenzen weiterhin der Grundsatz "Das hohe Niveau des Verbraucherschutzes darf durch die Digitalisierung nicht verwässert werden."[7] In vielen Bereichen, beispielsweise bei Finanzgeschäften, Textilien, Nahrungsmittel oder Technik, fehlen aber für viele Verbraucher noch weitgehende verständliche aussagekräftige Informationen zum Produkt oder dessen Entstehung.

Neuere Ergebnisse der Hirnforschung lassen deutliche Zweifel am Modell eines rational handelnden Verbrauchers aufkommen. In der weitaus größten Zahl der Fälle werden (auch wirtschaftliche) Entscheidungen unbewusst getroffen. Im Rahmen von Strategien des Neuromarketing will man sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse zunutze machen und über gezielte Sinnesreize bestimmte Reaktionen im Gehirn erzeugen. Kritiker sehen hierin eindeutige Ansätze für Manipulation.

Träger und Themen

Träger des Verbraucherschutzes sind staatliche Institutionen, private Vereine und Verbrauchermedien.

Themen des Verbraucherschutzes sind unter anderem:

Nationales

Deutschland

Verbraucherrecht

Im deutschen Recht gibt es kein gesondertes „Verbraucherschutzgesetz“, das alle Fragen des Verbraucherrechts regeln würde. Rechtsnormen, die hauptsächlich oder „nebenbei“ Zielen des Verbraucherschutzes dienen, gibt es in sehr vielen Einzelgesetzen. Oft überschneidet sich die Zielsetzung des Verbraucherschutzes auch mit anderen Zielsetzungen. Dies liegt daran, dass der Konsument nur in bestimmten sozialen Zusammenhängen als „Verbraucher“ betrachtet wird. Die gleichen Personen können der gleichen Gefährdung auch in einem anderen Zusammenhang ausgesetzt sein, z. B. als Arbeitnehmer. Eine Vorschrift, die den Umgang mit einer Chemikalie regelt, kann deswegen sowohl dem Arbeitsschutz dienen als auch dem Verbraucherschutz und womöglich auch noch dem Umweltschutz. Als Rechtsgebiet ist der Verbraucherschutz nicht eindeutig abgrenzbar. Die folgende Aufzählung von Verbraucherschutzvorschriften des deutschen Rechts ist deshalb nicht abschließend und enthält insbesondere im öffentlichen Recht auch Normen, die zugleich andere Zielsetzungen verfolgen.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gehören dazu die Regelungen zu unbestellten Leistungen (§§ 241a), die Vorschriften über die Grundsätze bei Verbraucherverträgen und besondere Vertriebsformen (§§ 312, bis 312k), die Regelungen zum Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen (§ 355, bis 361), die Vorschriften zum Verbrauchsgüterkauf§ 474 bis 479), zu Teilzeit-Wohnrechteverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte, Vermittlungsverträgen und Tauschsystemverträgen (§§ 481 bis 487), zu Verbraucherdarlehnsverträgen§ 491 bis 505), ebenso die Regelungen über Finanzierungshilfen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§§ 506 bis 509) und über Ratenlieferverträge (§ 510) sowie Vorschriften zur Unabdingbarkeit und Anwendung auf Existenzgründer Verbraucher (§§ 511 bis 512), die Regelungen zur Vermittlung von Verbraucherdarlehensverträgen (§§ 655a bis 655e), zu Gewinnzusagen (§§ 661a), zu Wertstellungsdatum und Verfügbarkeit von Geldbeträgen (§§ 675t). Sogar die Vorschriften über die Wohnraummiete (§§ 549 bis 577a) zählen zum Verbraucherrecht im weiteren Sinn. Viele weitere Vorschriften des Bürgerlichen Rechts lassen sich nicht eindeutig dem Verbraucherschutz zuordnen, weil sie den Ausgleich typischer Interessengegensätze zwischen Vertragsparteien bezwecken und damit nicht ausschließlich Schutznormen zugunsten des Verbrauchers sind, sondern generell den Vertragspartner schützen wollen. Zu diesen Vorschriften gehören z. B. diejenigen über Allgemeine Geschäftsbedingungen§ 305 bis 310).

Viele Formvorschriften sind auch vom Verbraucherschutz motiviert, z. B. die Notwendigkeit, einen Grundstückskaufvertrag von einem Notar beurkunden zu lassen (§ 311b Abs. 1 BGB). Damit soll für Verträge, die typischerweise zu hohen Summen und mit der Absicht dauerhaften Eigentumserwerbs geschlossen werden, die fachkundige Beratung durch den beurkundenden Notar sichergestellt werden. Daneben bestehen eindeutig dem Verbraucherrecht zuzuordnende Formvorschriften wie z. B. die Schriftform für Teilzeitwohnrecht- und Verbraucherdarlehensverträge, aber auch die Textform für Belehrungen des Verbrauchers über das bei bestimmten Vertragsarten (Verbraucherdarlehen, Teilzeit-Wohnrechteverträg) bzw. Vertriebswegen (z. B. Haustürgeschäfte, Fernabsatzverträge) bestehende Widerrufsrecht.

Viele Vorschriften des öffentlichen Rechts, die auf zahlreiche Gesetze verstreut sind, dienen dem (meist gesundheitlichen) Verbraucherschutz. Diese Gesetze verpflichten in der Regel Hersteller und Händler von Waren zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards im Hinblick auf Rohstoffe, sonstige Ausgangsmaterialien oder Zusatzstoffe oder auch im Hinblick auf Herstellungsverfahren oder Verpackungen. Im deutschen Recht ist die wichtigste derartige Rechtsnorm das Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz – LMBG) bzw. dessen Nachfolgeregelung, das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB). Aufgrund dieses Gesetzes wurden zahlreiche Verordnungen mit sehr detaillierten Vorschriften erlassen, z. B. die Kosmetik-Verordnung. Weitere wichtige Gesetze aus diesem Bereich sind beispielsweise das (inzwischen aufgehobene) Fleischhygienegesetz und das Arzneimittelgesetz.

Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung (InsO) Anfang 1999 besteht eine Möglichkeit zur Zahlungs-Entpflichtung (Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO) durch Gerichtsbeschluss für überschuldete Verbraucher nach Abschluss eines mindestens sechsjährigen Verbraucher-Insolvenzverfahrens.

Auch das Wettbewerbsrecht (geregelt vor allem im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – UWG), das früher nur die Mitbewerber untereinander schützte und die Belange des Verbrauchers nur indirekt (reflexartig) in den Blick nahm, hat nach heutiger Rechtslage eine verbraucherschützende Aufgabe (so ausdrücklich § 1 UWG).

Die Verbraucherzentralen haben in Deutschland gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 Rechtsdienstleistungsgesetz (seit 1. Juli 2008, davor § 3 Nr. 8 Rechtsberatungsgesetz) das Recht zur außergerichtlichen Rechtsbesorgung und können so im Rahmen ihres Aufgabenkreises neben Rechtsanwälten Verbraucher außergerichtlich beraten und vertreten.

Aktivitäten

In den vergangenen Jahren hat die öffentliche Wahrnehmung des Verbraucherschutzes stark zugenommen. Lebensmittelskandale, gefährliche Haushaltsgeräte, Deregulierung ehemals staatlicher Monopole (z. B. Post, Telefon, Bahn) bzw. von Gebietskartellen (z. B. Strom), neue Vertragsformen (z. B. Mobilfunkverträge) stellen neue Herausforderungen für Verbraucher dar. Politik und Gesetzgebung in EU, Bund und Ländern wenden sich vermehrt dem Thema zu. Im Zuge von Lebensmittelskandalen wurde etwa das vormalige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2001 in ein Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft umbenannt. In den letzten Jahren entwickeln sich insbesondere auch die teilweise unseriösen Geschäftspraktiken von Telekommunikationsunternehmen zu einem Schwerpunktthema im Verbraucherschutz.

In Berlin trägt seit 2002 eine Senatsverwaltung den Begriff Verbraucherschutz im Namen. Die in der Stadt tätigen ca. 200 Verbraucherschutzorganisationen sind in einem Netzwerk Verbraucherschutz zusammengefasst und präsentieren sich in einem Verbraucherwegweiser, einer Art Gelben Seiten im Internet. Mit einer Langen Nacht des Verbraucherschutzes, einer Publikumsveranstaltung mit Tausenden Besuchern, wurde ein Auftakt gesetzt. Seither veranstaltet die Senatsverwaltung für Verbraucherschutz regelmäßig Verbrauchermärkte zum Weltverbrauchertag, hat deutschlandweit erstmals Jugendverbraucherschutztage und Seniorenkonferenzen veranstaltet, bringt Verbrauchereinrichtungen in Stadtquartiere mit hoher Arbeitslosigkeit und hohem Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund und präsentiert mit dem Berliner Verbraucherfest eine Gesamtschau aller Beratungs- und Hilfsangebote für Verbraucherinnen und Verbraucher als Straßenfest am Kurfürstendamm, der Berliner Shoppingmeile schlechthin.

Wissenschaftlich ist der Verbraucherschutz mittlerweile an verschiedenen Universitäten verankert. Der erste entsprechende Lehrstuhl (in Kombination mit Bank- und Kapitalmarktrecht) wurde 2008 an der Universität Hamburg eingerichtet.[8] 2010 hat die Universität Bayreuth einen Stiftungslehrstuhl für Verbraucherrecht etabliert, der vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz finanziert wird. An der Humboldt-Universität zu Berlin besteht seit 2010 eine Juniorprofessur für Bürgerliches Recht und Europäisches Privatrecht, unter besonderer Berücksichtigung des Verbraucher- und Wettbewerbsrechts.

Seit Ende 2013 ist der Verbraucherschutz auf Bundesebene behördlich im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz angesiedelt.

Verbrauchergerechtes Scoring

Gemäß Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gemäß §31, Absatz 1, wird Scoring als „Verwendung eines Wahrscheinlichkeitswerts über ein bestimmtes zukünftiges Verhalten einer natürlichen Person zum Vertragsverhältnisses mit dieser Person“ definiert. Es entsteht jedoch immer wieder die Frage, wie Scoring eingesetzt wird. Um den Missbrauch um Scoring zu verhindern, stellte der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 31. Oktober 2018 die Studie „Verbrauchergerechtes Scoring“ vor.[9]

Es ist nicht das Ziel, Scoring zu verbieten. Erreicht werden sollen verständliche, faire und transparente Verfahren. Daher empfiehlt die Studie: Scoring für den Verbraucher verständlich machen. Das angewendete Scoring-Verfahren sollte für den Durchschnittsverbraucher verständlich sein. Bei komplexen Verfahren sollte eine Aufsichtsbehörde oder zumindest eine Verbraucherorganisation Kenntnis haben.

  • Scoring-Wissen und Kompetenzen fördern. Das Wissen zu den Grundaspekten sollte vermittelt werden.
  • Diskriminierung prüfen und offenlegen. Die Auskunftsansprüche der Verbraucher sollten gestärkt werden.
  • Telematikfreie Option sicherstellen. Insbesondere im Versicherungsbereich sollten diskriminierungsfreie Verträge mit und ohne Telematik-Option angeboten werden.
  • Score-Qualität gewährleisten. Qualitätssicherungsverfahren für Algorithmen sollten entwickelt werden. Anbieter in den sensiblen Bereichen sollten ihre Algorithmen Behörden gegenüber darlegen und überprüfbar machen.
  • Datenqualität sichern. Die Korrektheit, Vollständigkeit und Aktualität der Daten sollte durch den Scoring-Anbieter sichergestellt werden.
  • Aufsicht verbessern. Die Bundesregierung sollte eine Digitalagentur als Kompetenzzentrum aufbauen, die einzelne Behörden unterstützt.
  • Super-Scores verhindern. Die Entwicklungen von Super-Scores, sollten zunächst sorgfältig verfolgt und analysiert werden. Ein öffentlicher Diskurs über die sich damit verändernden Werte sollte geführt werden.

Die Verbraucherschutzminister der Bundesländer stellten auf ihrer Konferenz im Mai 2019 fest, dass auf Algorithmen basierende Entscheidungen im Verbraucheralltag rasant zugenommen haben. Sie forderten die Bundesregierung auf, eine gut ausgestattete behördliche Kontrollaufsicht für computergestützte Entscheidungsprozesse zu schaffen und für mehr Transparenz und Schutz zu sorgen. Sie beschlossen, dass deutlich erkennbar sein müsse, welche Datenkategorien und Kriterien zu welchem Zweck verwendet würden und wie die Daten in die Bewertung einflössen.[10]

Kritik am Verbraucherschutz

An einzelnen Konzepten und Maßnahmen des Verbraucherschutzes wird grundsätzliche Kritik geübt. Vorlage:Staatslastig

Verbraucherschutz und Vertragsfreiheit

Vielfach beschränkt Verbraucherschutz die Vertragsfreiheit. Von bestimmten rechtlich vorgegebenen Regelungen darf nicht zu Ungunsten des Verbrauchers abgewichen werden. Beispielsweise führte der Gesetzgeber als Verbraucherschutzmaßnahme eine Gewährleistungspflicht auch für gebrauchte Waren (z. B. Gebrauchtautos) ein. Kauft ein Verbraucher Waren von einem gewerblichen Anbieter (etwa von einem Gebrauchtwagenhändler), so darf der Verkäufer dem Käufer vertraglich nicht den Verzicht auf die Gewährleistung abverlangen.

Diese Beschränkung der Vertragsfreiheit soll zu Umgehungs- und Vermeidungsprozessen führen: In Deutschland sind aufgrund dieser Gesetzeslage Händler bestrebt, Gebrauchtwagen nicht mehr auf eigene Rechnung zu verkaufen, da sie meinen, dass das Risiko nicht tragbar ist. Stattdessen tritt der Händler heute üblicherweise als Vermittler eines Kaufs von privat an privat auf. Inwieweit diese Praxis zulässig ist oder gegen das gesetzliche Verbot von „Umgehungsgeschäften“ (§ 475 Absatz 1 Satz 2 BGB) verstößt, hat der Bundesgerichtshof noch nicht endgültig entschieden.

Aushebelung des Verursacherprinzips

Die Anbieterseite beklagt, dass verbraucherschützende Gesetzesregelungen (z. B. das AGB-Gesetz, das inzwischen in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen wurde) vielfach dazu führen, dass Kosten nicht mehr verursachergerecht belastet werden dürfen. Zum Beispiel dürfen Banken ihren Kunden keine Kosten für die Rückgabe von Lastschriften oder für die Bearbeitung von Kontopfändungen in Rechnung stellen.

Durchsetzung von Verbraucherrecht

Ein weiteres Problem besteht darin, das gesetzlich geregelte Verbraucherrecht juristisch durchzusetzen. Gerade wenn einem Verbraucher kein oder nur ein geringer finanzieller Schaden entsteht, lohnt sich eine Klage für ihn nicht bzw. birgt unverhältnismäßige Risiken. Ausgelöst durch den Dieselskandal ist am 1. November 2018 das Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage in Kraft getreten, dass es Verbraucherverbänden ermöglicht, zur Durchsetzung von Verbraucherrechten gegen Unternehmen Musterfeststellungsklagen einzureichen. Der gerichtlichen Klage der Verbraucherverbände müssen sich mindestens 50 Bürger anschließen, die sich von einem Unternehmen in einer bestimmten Sache geschädigt fühlen, und in ein Klageregister eintragen. Der Anschluss ist für die Verbraucher kostenlos[11]. Gerade Firmen in der Telekommunikationsbranche – auch die Deutsche Telekom, an der die öffentliche Hand nennenswerte Anteile hält – setzen sich daher immer wieder über Gesetze zum Verbraucherschutz hinweg, etwa durch unerwünschte Werbeanrufe.

Reduzierung von Innovationen

Der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman kritisiert[12] Verbraucherschutz am Beispiel des Arzneimittelzulassungssystems. Er kritisiert insbesondere, dass Verbraucherschutzeinrichtungen dazu tendierten, zurückhaltend auf Neuerungen zu reagieren und beispielsweise vor der Zulassung neuer Arzneimittel unangemessen viele Tests verlangen würden, um schädliche Nebenwirkungen auszuschließen. Friedman behauptet, es gäbe „starke Indizien“ dafür, dass mehr Menschen durch eine zu späte Zulassung zu Schaden kommen oder sterben, als durch (Neben-)Wirkungen zu Schaden kommen.

Verbraucherschutz und unaufmerksame Konsumenten

Der britische Ökonom Mark Armstrong betont, dass zu starker Verbraucherschutz zu Moral Hazard führen kann. Denn er senkt die Anreize für Verbraucher, selbst auf sich zu achten. So kann es geschehen, dass Verbraucherschutz in Summe für die Verbraucher schädlich ist.[13]

Verbraucherorganisationen

Ausgewählte Verbraucherorganisationen nach ihrem räumlichen Betätigungsgebiet:

International

Europa

Deutschland

Belgien

  • Verbraucherschutzzentrale (VSZ) Ostbelgien

Österreich

Schweiz

Behörden und Ausschüsse

Europäische Union

Deutschland

Siehe auch

Portal
Portal
 Wikipedia:Portal: Verbraucherschutz – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Verbraucherschutz

Literatur

  • euvr – Zeitschrift für Europäisches Unternehmens- und Verbraucherrecht/Journal of European Consumer and Market Law. Wien, ISSN 2191-3412.
  • Frank Janning: Die Spätgeburt eines Politikfeldes. Die Institutionalisierung der Verbraucherschutzpolitik in Deutschland und im internationalen Vergleich (= Modernes Regieren. Schriften zu einer neuen Regierungslehre. Bd. 8). Nomos, Baden-Baden 2011, ISBN 978-3-8329-5723-0.
  • Eike von Hippel: Verbraucherschutz. 3., neubearbeitete Auflage. Mohr, Tübingen 1986, ISBN 3-16-644969-8.
  • Sebastian Nessel: Verbraucherorganisationen und Märkte. VS Verlag, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-11033-8.

Weblinks

 Wiktionary: Verbraucherschutz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Verbraucherpolitik/Verbraucherschutz. In: Gabler Wirtschaftslexikon. Springer Gabler/Springer Fachmedien Wiesbaden, abgerufen am 18. Oktober 2014.
  2.  Jochen Sprotte: Das Kontrollsystem des Nürnberger Rates über die mittelalterlichen Brauer und deren Biere. In: Jahrbuch der Gesellschaft für Geschichte des Brauwesens e. V.. 2018, ISSN 1860-8922, S. 233–290.
  3. Verbraucherjournalismus: Lösungen für Alltagsprobleme - Interview mit Finanztip-Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen. Fachjournalist.de, 20. Dezember 2018
  4. Vgl. z. B. Alexander Hagelüken, Silvia Liebrich, Jan Willmroth: Wie die US-Verhandler Europas Verbraucherschutz angreifen. In: Süddeutsche Zeitung. 2. Mai 2016 bzw. "USA setzen EU bei TTIP extrem unter Druck" In: Die Zeit vom 1. Mai 2016.
  5. Vgl. Norbert Häring: Geldwäsche in Deutschland – Die Spur des Geldes. In: Handelsblatt. 2. Mai 2016.
  6. Vgl. Lutz Reiche "Finanzaufsicht entdeckt den Verbraucherschutz" in Manager Magazin vom 10. Mai 2016.
  7. Vgl. Karl Leban "FMA ruft nach Korsett für Fintechs" in Wiener Zeitung vom 29. Juni 2018.
  8. Lehrstuhl für Zivil- und Wirtschaftsrecht, insbesondere Bank-, Kapitalmarkt- und Verbraucherrecht
  9. Verbrauchergerechtes Scoring. In: svr-verbraucherfragen.de, Oktober 2018. (PDF; 3,3 MB)
  10. Gegen Fakeshops und für mehr Transparenz in: Berliner Zeitung vom 25./26.05.2019
  11. Theresa Dräbing: Gemeinsam gegen die Autokonzerne, Berliner Zeitung, 1. Juli 2019
  12. Milton Friedman on Libertarianism
  13. Patrick Bernau: Der Nachteil am Verbraucherschutz. In: Fazit – das Wirtschaftsblog. Frankfurter Allgemeine Blogs. 8. September 2013. Abgerufen am 8. September 2013.
  14. Consumers International – The Global Voice of Consumers, Homepage (online)
  15. Bund für Anleger- und Verbraucherschutz e. V., Homepage (online)
  16. Verbraucherblatt.at des Konsumentenschutz Verbands Österreich.
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