Emergenz und Chochmah: Unterschied zwischen den Seiten

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Als '''Emergenz''' (von [[Latein|lat.]] ''emergere'' „auftauchen, hervorkommen, sich zeigen“) wird heute das [[Phänomen]] bezeichnet, dass sich manche spontan und unvorhersehbar auftretenden Eigenschaften eines [[struktur]]ierten [[System]]s nicht allein aus seinen Teilen erklären lassen. Der österreichische [[Wikipedia:Verhaltensbiologie|Verhaltensbiologe]] [[Wikipedia:Konrad Lorenz|Konrad Lorenz]] hatte statt dessen die Bezeichnung '''Fulguration''' (von [[Latein|lat.]] ''fulgur''  „[[Blitz]]“) vorgeschlagen, um deutlich darauf hinzuweisen, dass dabei nicht bereits vorhandene, aber bisher verborgene Eigenschaften ''"auftauchen"'', wie die deutsche Übersetzung des Wortes ''Emergenz'' suggeriert, sondern tatsächlich spontan völlig ''neu entstehen''.  
'''Chochmah''' oder ''Chokmah'' ([[Hebräische Sprache|hebr.]] חכמה, ''[[Weisheit]]'') ist die zweite [[Sephira]] am [[Lebensbaum der Kabbala]].  


Auf die '''Übersummativität''', nach der das [[Ganzheit|Ganze]] mehr ist als seine Teile, hatte schon [[Aristoteles]] erstmals in philosophischer Klarheit hingewiesen:
[[Kategorie:Kabbala]]
 
{{LZ|Das was aus Bestandteilen so zusammengesetzt ist, dass es ein einheitliches Ganzes bildet, ist nicht nach Art eines Haufens, sondern wie eine Silbe, das ist offenbar mehr als bloss die Summe seiner Bestandteile. Eine Silbe ist nicht die Summe ihrer Laute: ba ist nicht dasselbe wie b plus a, und Fleisch ist nicht dasselbe wie Feuer plus Erde.|Aristoteles, Metaphysik, Buch 8.6. 1045a: 8-10.}}
 
Die '''Emergenztheorie''' wurde namentlich von den britischen Philosophen [[Wikipedia:Samuel Alexander|Samuel Alexander]] (1859-1938) und [[Wikipedia:Conwy Lloyd Morgan|Conwy Lloyd Morgan]] (1852-1936) entwickelt, welche die [[Bewusstsein]]sbildung als ein [[evolution]]äres [[Phänomen]] ansahen, das sich biologisch nicht hinreichend erklären lasse. Ein weiterer wichtiger Vertreter der '''Emergenzphilosophie''', dessen Erkenntnisse in der [[Philosophie des Geistes]] heute wieder zunehmend Beachtung finden, ist [[C. D. Broad]] (1887-1971).
 
Das Phänomen der Emergenz ist allerdings noch viel weiter zu fassen und nicht nur auf die Entstehung des Bewusstseins beschränkt.
 
{{LZ|Zu den rätselhaftesten und doch grundlegenden
Phänomenen des Universums gehört die Emergenz:
das Auftreten neuer Eigenschaften auf jeder
höheren Komplexitätsstufe, die sich auf der vorangehenden
Stufe nicht vorhersehen lassen haben.
Ein Beispiel: Von lebloser Materie lassen sich die
Kennzeichen des Lebens nicht ableiten. Unabhängig
davon, wie weit man die Forschung in Physik
und Chemie treibt, wird man auf diesem Weg nie
das spezifische Verhalten lebender Organismen
vorhersagen können. Es scheint ein allgemeingültiges
Prinzip zu sein, dass sich das (komplexere)
Ganze nicht auf seine (einfacheren) Teile zurückführen
lässt. Davon ausgenommen ist keine Stufe
zunehmender Komplexität. Auf der Ebene der Atome:
Bei einer isolierten Betrachtung der Wasserstoff-
und Sauerstoffatome deutet nichts auf die
Eigenschaften eines Wassermoleküls. Oder am
Ende der Skala: Die Merkmale des Bewusstseins
ergeben sich nicht aus der Extrapolation des Verhaltens.|Kiefer, S. 33}}
 
[[Carl Gustav Hempel]] und [[Paul Oppenheim]] charakterisieren Emergenz in ihrem [[Wikipedia:1948|1948]] veröffentlichten Artikel ''Studies in the Logic of Explanation''<ref>Carl Gustav Hempel, Paul Oppenheim: ''Studies in the Logic of Explanation'', in: Philosophy of Science 15 (1948), 135–175; reproduziert in Hempel, ''Aspects of Scientific Explanation''; [http://www.sfu.ca/~jillmc/Hempel%20and%20Oppenheim.pdf pdf]</ref> wie folgt:
 
{{Zitat|Im Allgemeinen wurde das Konzept der Emergenz verwendet, um bestimmte Phänomene als "neu" zu charakterisieren, und das nicht nur im psychologischen Sinne als Unerwartetes, sondern im theoretischen Sinne als unerklärlich oder unvorhersehbar auf der Grundlage von Informationen über die räumlichen Teile oder anderer Bestandteile der Systeme, in denen die Phänomene auftreten, und die in diesem Zusammenhang oft als Ganzheiten bezeichnet werden. So wurden z.B. solche Eigenschaften wie die Transparenz und Liquidität von Wasser bei Raumtemperatur und Atmosphärendruck,
oder seine Fähigkeit, Durst zu stillen, aus dem Grund als emergent angesehen, weil sie aus der Kenntnis der Eigenschaften seiner chemischen Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff nicht vorhergesagt werden konnten. Im Gegensatz dazu wurde das Gewicht der Verbindung nicht als emergent bezeichnet, da es als bloße "Resultate" seiner Bestandteile durch eine einfache Addition hätte vorhergesagt werden können, noch bevor die Verbindung gebildet wurde.|Übersetzung|Hempel, Oppenheim|''Studies in the Logic of Explanation'', S. 147}}
 
Emergente Phänomene sind in diesem Sinn ''irreduzibel'' und ''unvorhersagbar''. Der Begriff „Emergenz“ gibt demgemäß nur einen Hinweis darauf, ''dass'' neue Phänomene erscheinen, liefert aber keine weitere [[Erklärung]] dafür, ''warum'' sie auftreten - er kann also nicht mehr als einen Anreiz für weitere Forschungen geben. 
 
{{LZ|Die Vorstellung, dass das Wort „Emergenz“ etwas erklären würde, ist weit
verbreitet. Daher ist es von zentraler Bedeutung zu erkennen, dass „Emergenz“
lediglich als Auftrag verstanden werden darf, das mit ihm gekennzeichnete
Problem zu lösen. Danach wird dieser Begriff überflüssig.|Görnitz, S. 754}}
 
Schädlich ist überdies ein inflationärer Gebrauch des Emergenzbegriffs, um voreilig Erklärungslücken zu schließen, die durch einen entsprechenden Forschungseinsatz sehr wohl mittels eines [[Reduktionismus|reduktionistischen]] Ansatzes zu überbrücken wären.
 
Das Gegenteil der Emergenz, das Verschwinden von Eigenschaften, wird als '''Submergenz''' bezeichnet. Tatsächlich ist die Emergenz neuer Phänomene in einem übergeordneten [[ganzheit]]lichen System stets mit einer Submergenz der Eigenschaften seiner Teile verbunden, die aber in dem höheren Ganzen gleichsam im Sinne [[Hegel]]s „[[Dialektische Aufhebung|aufgehoben]]“ sind und bei der Zerteilung des Systems wieder in Erscheinung treten können. Darauf hatte schon [[Rudolf Steiner]] in seinen Ausführungen über die [[Ureiweißatmosphäre]] der [[Erde (Planet)|Erde]] hingewiesen. Das [[Eiweiß]] sei nicht einfach aus [[Kohlenstoff]], [[Wasserstoff]], [[Sauerstoff]] und [[Stickstoff]] aufgebaut, sondern eine höher geartete Substanz:
 
{{GZ|Heute denkt man sich überhaupt bei allem: es sei zusammengesetzt;
aber das ist ein Unsinn. Dasjenige, was man als gewisse höher geartete
Substanzen kennt, das ist nicht immer aus dem zusammengesetzt, was
dann erscheint, wenn man es analysiert; sondern die Dinge hören auf,
in der höheren Substanz darinnen zu sein. Der Kohlenstoff ist da drinnen
nicht Kohlenstoff, der Sauerstoff nicht Sauerstoff und so weiter,
sondern das ist eine höher geartete Substanz.|232|74}}
 
Diese Aussage entspricht dem Konzept der modernen [[Quantentheorie]]. Der [[Chemiker]] [[Hans Primas]] betonte daher:
 
{{LZ|Wenn wir die Quantenmechanik für eine gute Theorie der Materie halten,
dann ist die Aussage «Die Materie ist aufgebaut aus elementaren Bausteinen»
naturwissenschaftlich falsch. Entscheidend ist nicht die Tatsache, dass die
Atome der Chemiker weiter teilbar sind – das wäre eine triviale Nomenklaturfrage
–, sondern dass die materielle Realität ein Ganzes ist, das überhaupt nicht
aus Teilen aufgebaut ist.|Primas, S. 50}}
 
Da sich gegenwärtig viele Forscher dem [[Reduktionismus]] verpflichtet fühlen, wollen sie nur ein ''schwachen Form der Emergenz'' akzeptieren, d.h. eine nur ''vorläufigen Unerklärbarkeit'' emergenter Systeme aus ihren Elementen. Darin läge gerade die Aufgabe und der Fortschritt der [[Wissenschaft]], dass sie immer mehr komplexe Phänomene auf elementare Grundlagen zurückführe - und das sei in der Vergangenheit auch immer wieder höchst erfolgreich gelungen. Das sei geradezu ein Beweis für die Fruchtbarkeit des Reduktionismus, dass aus elementaren Grundlagen auch hochkomplexe Phänomene emergieren könnten. Und nur so könne eine einheitliche ([[Monismus|monistische]]) Wissenschaftsgrundlage geschaffen werden. So betonte etwa der [[Physik]]er und [[Wikipedia:Nobelpreisträger|Nobelpreisträger]] (1969) [[Wikipedia:Murray Gell-Mann|Murray Gell-Mann]]:
 
{{Zitat|Wir müssen diese Prinzipien also nicht als eigenständige metaphysische Axiome annehmen. Sie folgen aus der grundlegenden Theorie. Sie sind was wir emergente Eigenschaften nennen. Man braucht nicht -- man braucht nicht noch etwas, um noch etwas zu bekommen. Das bedeutet Emergenz.
Das Leben kann aus Physik und Chemie entstehen, plus eine Menge Zufälle. Der menschliche Geist kann aus Neurobiologie und einer Mene Zufälle entspringen, so wie chemische Verbindungen aus Physik und bestimmten Zufällen entstehen. Es schmälert nicht die Bedeutung dieser Fächer zu wissen, dass sie grundlegenderen Gesetzen folgen, und Zufällen. Das ist die allgemeine Regel und es ist von entscheidender Bedeutung, dass zu erkennen. Man braucht nicht etwas mehr, um etwas mehr zu bekommen.|Murray Gell-Mann|''Beauty and truth in physics'', Vortrag im März 2007 in Monterey, Kalifornien [https://www.youtube.com/watch?v&#61;UuRxRGR3VpM video] [https://www.ted.com/talks/murray_gell_mann_on_beauty_and_truth_in_physics/transcript transcript]}}
 
So einseitig das reduktionistische Bestreben auch ist, kann es dennoch, wenn es an seine Grenzen stößt, zugleich die beste Grundlage dafür schaffen, klar und deutlich jene Erscheinungen zu identifizieren die nun tatsächlich eine ''starken Form der Emergenz'' zeigen. Damit wird der Blick auf neue Seinsebenen mit eigenständigen Gesetzmäßigkeiten eröffnet, die grundsätzlich nicht auf jene der darunterliegenden Ebenen reduziert werden können und mit diesen zwar nicht in einer im [[physik]]alischen Sinn [[kausal]]en, sehr wohl aber in einer gesetzmäßigen [[idee]]llen Verbindung stehen. Ziel der Wissenschaft muss es dann sein, die eigenständigen Gesetzmäßigkeiten der höheren Seinsebenen mit ihnen gemäßen, noch zu entwickelnden bzw. weiterzuentwickelnden [[Methode]]n zu erforschen und ihren ideellen Bezug zu den unteren Daseinsebenen aufzuklären.
 
Emergente Phänomene müssen deswegen laut Hempel und Oppenheimer nicht als prinzipiell unerklärliche „Wunder“ hingenommen werden:
 
{{Zitat|Was seinen kognitiven Inhalt betrifft, so kann man die behauptete Emergenz der Phänomene des Lebens nun grob als elliptische
Formulierung der folgenden Aussage ansehen: Bestimmte spezifizierbare biologische Phänomene können nicht mit Hilfe zeitgenössischer physikalisch-chemischer Theorien auf Grundlage der Daten über die physikalischen und chemischen Eigenschaften der atomare und molekulare Bestandteile von Organismen erklärt werden. Ebenso reduziert sich das sogenannte emergente Phänomen des Geistes auf die Behauptung, dass die heutige physikalische, chemische und biologische Theorien nicht ausreichen, um alle psychologischen Phänomene durch die Datengrundlage für die physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften der Zellen oder der Moleküle oder Atome zu erklären, die die betreffenden Organismen bilden. Aber nach dieser Interpretation wir der emergente Charakter der biologischen und psychologischen Phänomene trivial; die Beschreibung verschiedener biologischer Phänomene erfordert Begriffe, die nicht im Vokabular der heutigen Physik und Chemie enthalten sind; daher können wir nicht erwarten, dass alle spezifischen biologischen Phänomene mittels der heutigen physikalisch-chemischen Methoden erklärbar, d.h. deduktiv ableitbar sind durch Theorien auf der Grundlage von Ausgangsbedingungen, die selbst ausschließlich in physikalisch-chemischer Begriffen beschrieben werden. Um eine weniger triviale Interpretation für die Behauptung zu erreichen, dass die Phänomene des Lebens emergent sind, müssen wir daher alle derzeit bekannten Gesetze in die Erklärung aufzunehmen, die die physikalisch-chemische mit der biologischen "Ebene" verbinden, d.h. die einerseits bestimmte physikalische und chemische Begriffe, einschließlich der zur Beschreibung von molekularen Strukturen erforderlichen, und andererseits bestimmte Konzepte der Biologie enthalten. Eine analoge Beobachtung gilt für den Fall der Psychologie. Wenn die Behauptung, dass Leben und Verstand einen emergenten Status haben, in diesem Sinn interpretiert wird, dann kann diese Annahme ungefähr durch die Aussage zusammengefasst werden, dass derzeit keine Erklärung, in Begriffen der Mikrostruktur-Theorien, für große Klassen von Phänomenen, die in Biologie und Psychologie studiert wurden, verfügbar ist.|Übersetzung=As far as its cognitive content is concerned, the emergentist assertion that the
phenomena of life are emergent may now be construed, roughly, as an elliptic
formulation of the following statement: Certain specifiable biological phenomena
cannot be explained, by means of contemporary physico-chemical theories, on
the basis of data concerning the physical and chemical characteristics of the
atomic and molecular constituents of organisms. Similarly, the so-called emergent
status of mind reduces to the assertion that present-day physical, chemical
and biological theories do not suffice to explain all psychological phenomena on
the basis of data concerning the physical, chemical, and biological characteristics
of the cells or of the molecules or atoms constituting the organisms in question.
But in this interpretation, the emergent character of biological and psychological
phenomena becomes trivial; for the description of various biological phenomena
requires terms which are not contained in the vocabulary of present day physics
and chemistry; hence we cannot expect that all specifically biological phenomena
are explainable, i.e. deductively inferable, by means of present day physicochemical
theories on the basis of initial conditions which themselves are described
in exclusively physico-chemical terms. In order to obtain a less trivial interpretation
of the assertion that the phenomena of life are emergent, we have
therefore to include in the explanatory theory all those laws known at present
which connect the physico-chemical with the biological "level", i.e., which contain,
on the one hand, certain physical and chemical terms, including those required
for the description of molecular structures, and on the other hand, certain
concepts of biology. An analogous observation applies to the case of psychology.
If the assertion that life and mind have an emergent status is interpreted in this
sense, then its import can be summarized approximat.ely by the statement that
no explanation, in terms of micro-structure theories, is available at present for
large classes of phenomena studied in biology and psychology.|Hempel, Oppenheim|''Studies in the Logic of Explanation'', S. 151}}
 
Wäre alles Geschehen innerhalb der [[Physische Welt|physischen Welt]] streng [[Determinismus|deterministisch]], so wäre diese allerdings vollkommen in sich abgeschlossen und ausschließlich durch sich selbst bestimmt. Die starke Form der Emergenz wäre dann unmöglich. Nach den Ergebnissen der [[Quantentheorie]] ist aber ein durchgängiger Determinismus innerhalb der [[physik]]alisch fassbaren Welt nicht haltbar. Im Rahmen der Quantenmechanik sind nur [[Wikipedia:Wahrscheinlichkeitsaussage|Wahrscheinlichkeitsaussage]]n über künftige [[Beobachtung]]en möglich, was nach der [[Wikipedia:Kopenhagener Deutung|Kopenhagener Deutung]] bedeutet, dass das raum-zeitliche Verhalten eines mikrophysikalischen Systems  grundsätzlich indeterminiert ist, dafür aber ein streng gesetzmäßig geordnetes Feld von [[Möglichkeit]]en eröffnet. Auch für die moderne [[Evolution]]stheorie ist der - quantentheoretisch zu rechtfertigende - [[Zufall]] ein wesentlicher Faktor. Gerade dadurch eröffnet sich aber aus [[Anthroposophie|geisteswissenschaftlicher]] Sicht der Ausblick auf höhere „emergente“ [[Weltebenen]], die gesetzmäßig mit den untergeordneten Ebenen verbunden sind.
 
In der [[Anthroposophie]] werden folgende vier grundlegenden [[Weltebenen]] unterschieden:
 
* Die Welt des [[Geist]]es,
* die Welt des [[Seele|Seelischen]],
* die Welt des [[Leben]]s (von [[Rudolf Steiner]] auch [[Ätherwelt]] genannt),
* die [[physische Welt]].
 
[[Peter Heusser]] bemerkt dazu:
 
{{LZ|Sucht man Wirklichkeit nicht nur im Wahrgenommenen, Erscheinenden,
sondern anerkennt man im Sinne des ontologischen Universalienrealismus
auch dessen Gesetzmäßigkeit als zu seiner Wirklichkeit dazugehörig,
dann erscheint Monismus unter Beibehaltung der seinsmäßigen Verschiedenheit
der Erscheinungswelt erreichbar. Denn das ''Gemeinsame'' (monistische)
der ''verschiedenen'' (dualistischen) Erscheinungen muss dann nicht mehr auf
der ''Erscheinungsseite'' erzwungen werden - was unmöglich ist-, sondern liegt
auf der ''Gesetzesseite'' des Erkannten erfahrbar vor: Die Gesetze der psychischen
und physischen Erscheinungen haben zwar ihren je verschiedenen, spezifischen
''Inhalt''. Aber ihrer Form nach sind alle in derselben Weise ''Gesetze'',
bestehen also gewissermaßen aus derselben «Substanz». Diese ist reiner Geist,
um mit Hegel zu sprechen.
 
Deswegen stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Physischem
und Geistigem nicht erst beim Gehirn-Geist-Problem, sondern bereits beim
Physischen selbst (vgl. Kap. 3.2). Und da kann aufgrund des erkenntniswissenschaftlich
Beobachtbaren zunächst nicht mehr und nicht weniger gesagt
werden als: Die räumlichen Erscheinungen des Physischen ''erweisen'' sich
als konstituiert von ihren Gesetzen, die zeitlichen Prozesse des Lebendigen
''erweisen'' sich als geprägt von den ihrigen, die psychischen Phänomene ''folgen''
psychologischen Gesetzen, und die im Denken erreichbaren rein geistigen
Phänomene, der Inhalt der Gesetze selbst, ''folgt'' rein logischen Gesetzen
bzw. ''ist'' logischer Natur. Das Konstitutive (Gesetzliche) jeder Schicht, der
physischen, organischen, seelischen und geistigen, ist auf gleiche Weise im
Denken erreichbar, aber die jeweiligen Erscheinungen können nur auf ganz
verschiedenartigen Beobachtungswegen und auf unterschiedlichen hierarchischen
Ebenen des Seins erreicht werden. Das gesamte Sein ist also seiner
''Erscheinung'' nach - nicht dualistisch, sondern ''multiperspektivisch'', seiner
''gesetzmäßigen Essenz'' nach ''monistisch''.|Heusser, S. 191}}
 
und weiter:
 
{{LZ|Resultate dieses Vorgehens sind , dass jedem Phänomenbereich seine
eigenen Eigenschaften und Gesetze zugesprochen werde können, die nicht
aus denenigen anderer Phanomenbereiche ableitbar sind, dass nicht nur
die Phänomene, sondern auch die sie bestimmenden Gesetze zur Wirklichkeit
gehören, dass gegenseitige Abhängigkeit der Phänomenbereiche nicht
nur Verursachung zu sein braucht, sondern auch Bedingung sein kann, dass
Kausalität nicht nur Fremdverursachung, sondern auch Selbstverursachung
bedeuten kann, kurz, dass verschiedene Formen von Wirksamkeit anerkannt
und alle Phänomenbereiche der Wirklichkeit als epistemologisch und ontologisch
gleichberechtigt angesehen werden müssen. Durch Integration der
Erkenntnisse aus diesen Bereichen ergibt sich eine umfassende wissenschaftliche
Sicht auf den Menschen in seiner komplexen physischen, lebendigen,
seelischen und geistigen Realität, eine Sicht, die mit Recht eine «integrative»
oder «Ganzheitsauffassung» genannt werden kann.|ebd. S. 251}}
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Emergenz}}
* {{WikipediaDE|Holismus}}
* {{WikipediaDE|Ganzheit}}
 
==Literatur ==
 
*Aristoteles: ''Metaphysik''. Griechisch–deutsch. Neubearbeitung der Übersetzung von Hermann Bonitz. Mit Einleitung und Kommentar herausgegeben von Horst Seidl. Griechischer Text in der Edition von Wilhelm Christ, Erster Halbband (Bücher I–VI), 3. verbesserte Auflage, Meiner, Hamburg 1989, ISBN 978-3-7873-0932-0, Zweiter Halbband (Bücher VII–XIV), 3. verbesserte Auflage, Meiner, Hamburg 1991, ISBN 978-3-7873-1021-0 <small>Einführender Kommentar</small>
*Aristoteles: ''Metaphysik''. Neubearbeitung der Übersetzung von Hermann Bonitz durch Horst Seidl, Band 5 der Aristoteles Studienausgabe „Philosophische Schriften“, Meiner, Hamburg 1995, ISBN 978-3-7873-1243-6
*Aristoteles: ''Metaphysik''. Schriften zur Ersten Philosophie. Hrsg. und übersetzt von Franz Schwarz, Reclam, Stuttgart, ISBN 978-3-15-007913-3
* Aristoteles: ''Metaphysik''. Übersetzt von Thomas A. Szlezak, Akademie Verlag, Berlin 2003, ISBN 978-3-05-003879-7
* Aristoteles: ''Metaphysik'', übersetzt und kommentiert von Hans G. Zekl, Königshausen & Neumann, 2003, ISBN 978-3-8260-2555-6
* W. D. Ross: ''Aristotle’s Metaphysics''. Oxford: Clarendon Press, 2. A. 1953. <small>Mit umfangreichem Kommentar</small>
* [[Hans Primas]]: ''Umdenken in der Naturwissenschaft'' in: ''Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich'' (1992) 137/l, S. 41-62 (genehmigter Nachdruck aus «GAIA; Ecological Perspectives in Science, Humanities and Economics» (1992) 1, l, 5-15 [http://www.ngzh.ch/archiv/1992_137/137_1/137_5.pdf pdf]
* Marek B. Majorek: ''Rudolf Steiners Geisteswissenschaft: Mythisches Denken oder Wissenschaft?'', 2 Bände, Verlag Narr Francke Attempto, Tübingen 2015, ISBN 978-3772085635, eBook: ASIN B0714F4N5R
* Bernhard Kiefer: ''Das Prinzip der Emergenz''. Schweizerischer Nationalfonds. Horizonte 2007
* [[Thomas Görnitz|Thomas]] und [[Brigitte Görnitz]]: ''Von der Quantenphysik zum Bewusstsein - Kosmos, Geist und Materie.'' Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg, 2016, ISBN 978-3-662-49081-5.
*[[Peter Heusser]]: ''Anthroposophie und Wissenschaft: Eine Einführung. Erkenntniswissenschaft, Physik, Chemie, Genetik, Biologie, Neurobiologie, Psychologie, Philosophie des Geistes, Anthropologie, Anthroposophie, Medizin'', Verlag am Goetheanum, Dornach 2016, ISBN 978-3723515686
*Rudolf Steiner: ''Mysteriengestaltungen'', [[GA 232]] (1998), ISBN 3-7274-2321-8 {{Vorträge|232}}
 
{{GA}}
 
[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Erkenntnistheorie]]
[[Kategorie:Wissenschaftstheorie]] [[Kategorie:Philosophie des Geistes]] [[Kategorie:Naturwissenschaften]]

Version vom 31. März 2010, 22:07 Uhr

Chochmah oder Chokmah (hebr. חכמה, Weisheit) ist die zweite Sephira am Lebensbaum der Kabbala.