Kristallstrukturanalyse und Gedankenexperiment: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Odyssee
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
imported>Odyssee
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:DNA-X-Ray-Wilkins.jpg|mini|left|Fig. 1: Eine der ersten Aufnahmen der unter der Leitung von [[Wikipedia:Maurice Wilkins|Maurice Wilkins]] durchgeführten [[Röntgenstrukturanalyse]] der [[Wikipedia:DNA|DNA]], für die ihm 1962 zusammen mit [[Wikipedia:James Watson|James Watson]] und [[Wikipedia:Francis Crick|Francis Crick]] der [[Wikipedia:Nobelpreis für Physiologie oder Medizin|Nobelpreis für Physiologie oder Medizin]] verliehen wurde.]]
[[Datei:Schrodingers cat.svg|mini|Grafische Darstellung des Gedankenexperiments ''[[Wikipedia:Schrödingers Katze|Schrödingers Katze]]'': quantenmechanisch gesehen kann sie demnach gleichzeitig tot und lebendig sein.]]
[[Datei:Freezed XRD.jpg|mini|Modernes Röntgenstrahlen-Diffraktometer bei der Arbeit]]
Ein '''Gedankenexperiment''' oder '''Gedankenversuch''' ist ein gedankliches Hilfsmittel, um bestimmte [[Theorie]]n zu untermauern, zu widerlegen, zu veranschaulichen oder weiterzudenken. Es wird dabei gedanklich eine Situation konstruiert, die real so nicht oder nur sehr schwer herzustellen ist (zum Beispiel eine Reise mit annähernd [[Lichtgeschwindigkeit]]). Sodann malt man sich im Geiste aus, welche Folgen sich aus dieser Situation ergeben, wenn man die Theorie auf die Situation anwendet. Ein [[Experiment]] wird also in Gedanken [[Wikipedia:Simulation|simuliert]]. Ein Gedankenexperiment ist jedoch kein Experiment im eigentlichen Sinne. Letzteres beleuchtet Theorien durch [[empirisch]]e Anschauung ''von außen'', ein Gedankenexperiment ist jedoch innerhalb der Theorie gefangen, der empirische Aspekt fehlt.
[[Datei:Tyrosin.png|mini|Die Struktur von Proteinen wird durch Röntgenstrukturanalalyse aufgeklärt, indem die Aminosäuresequenz in die ermittelte Elektronenverteilung (weißes Gitter) so eingepasst wird, bis es plausibel scheint, dass die vorgeschlagene Struktur die gemessene Elektronenverteilung erzeugen kann.]]
[[Datei:DNA orbit animated.gif|mini|hochkant=1|Strukturmodell einer DNA-Helix in B-Konformation. Die [[Stickstoff]] (blau) enthaltenden [[Wikipedia:Nukleinbasen|Nukleinbasen]] liegen waagrecht zwischen zwei Rückgratsträngen, welche sehr reich an [[Sauerstoff]] (rot) sind. [[Kohlenstoff]]atome sind grün dargestellt.]]


Die '''Kristallstrukturanalyse''' ist ein [[physik]]alisches Verfahren, um die innere [[Struktur]] eines [[Kristall]]s [[Empirie|empirisch]] zu ermitteln. Sie bedient sich dabei der [[Beugung (Physik)|Beugung]] geeigneter kurzwelliger [[Strahlung]] am [[Kristallgitter]]. Meist wird dabei [[Röntgenstrahlung]] verwendet, weshalb man dann auch von '''Röntgenstrukturanalyse''' spricht. Aus der Winkelverteilung der Beugungsmaxima in dem beobachteten Beugungsmuster kann die [[Kristallstruktur]] bzw. die Verteilung der [[Wikipedia:Elektronendichte|Elektronendichte]] in der [[Elementarzelle]] berechnet werden. [[Einkristall]]e, die ein durchgehend einheitliches, homogenes Kristallgitter bilden, aber oft nur schwer in ausreichender Größe gezüchtet werden können, sind für die Strukturanalyse am besten geeignet. Leichter herzustellende polykristalline Aggregate können heutzutage auch verwendet werden, liefern aber weniger detailreiche Bilder.  
== Gedankenexperiment versus reales Experiment ==
Dennoch sind inzwischen einige Gedankenexperimente, die zu der Zeit, als sie erdacht wurden, nicht realisierbar waren, heute in echten Experimenten durchführbar. So wurde zum Beispiel der empirische Nachweis erbracht, dass Uhren abhängig von der relativen Geschwindigkeit, mit der sie bewegt werden, unterschiedlich schnell gehen.


Grundsätzlich kann aus der Verteilung der Elektronen auch die [[Raum|räumlich]]-[[Geometrie|geometrische]] Anordnung der [[Atom]]e bzw. die [[Molekularstruktur]] auch hochkomplexer [[Molekül]]e, z.B. vieler biologisch aktiver [[Protein]]e, erschlossen werden. Das vermutlich bekannteste Beispiele dafür ist die am 25. April 1953 von [[Wikipedia:James Watson|James Watson]] und [[Wikipedia:Francis Crick|Francis Crick]] in ihrem berühmten, kaum mehr als eine Seite langen Artikel ''[[Wikipedia:Molecular Structure of Nucleic Acids: A Structure for Deoxyribose Nucleic Acid|Molecular Structure of Nucleic Acids: A Structure for Deoxyribose Nucleic Acid]]''.<ref name="WatsonCrick1953">J. D. Watson, F. H. Crick: [http://www.nature.com/physics/looking-back/crick/index.html ''Molecular structure of nucleic acids. A structure for deoxyribose nucleic acid.''] In: ''[[Wikipedia:Nature|Nature]].'' Band 171, Nr. 4356, 1953, S. 737–738. PMID 13054692 [http://www.nature.com/nature/dna50/watsoncrick.pdf (Volltext, PDF; 368&nbsp;kB)]</ref> in der Zeitschrift [[Wikipedia:Nature|Nature]] veröffentlichte [[Wikipedia:Desoxyribonukleinsäure|DNA]]-Struktur, zu deren Bestimmung sie sich hauptsächlich auf die Röntgenbeugungsdaten von [[Wikipedia:Maurice Wilkins|Maurice Wilkins]] und [[Wikipedia:Rosalind Franklin|Rosalind Franklin]] stützten. In einem kreativ suchenden Prozess bauten sie immer wieder neue Strukturmodelle, die zu den Beugungsmustern passten, bis sie schließlich auf die geniale [[Idee]] der berühmten [[Wikipedia:Doppelhelix|Doppelhelix]] stießen, für die ihnen 1962 zusammen mit Wilkins der [[Wikipedia:Nobelpreis für Physiologie oder Medizin|Nobelpreis für Physiologie oder Medizin]] verliehen wurde.
Andere Gedankenexperimente haben sich später als prinzipiell nicht durchführbar herausgestellt. So ist beispielsweise heute bekannt, dass der [[Wikipedia:Maxwellscher Dämon|Maxwellsche Dämon]] prinzipiell nicht funktioniert, hauptsächlich aus „quantenmechanischen Gründen“. Als dieses Gedankenexperiment erdacht wurde, war aber auch noch nichts über die [[Quantenmechanik]] bekannt.


Wilkins schrieb dazu in seinem Nobelpreis-Vortrag:
Noch komplexer sind die Zusammenhänge bei der Arbeit von Albert Einstein und Mitarbeitern über das [[Wikipedia:Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon|Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon]]: Hier haben die Autoren im Jahre 1935 aufgrund eines zutreffenden Gedankenexperiments fälschlicherweise die Quantenmechanik als „ergänzungsbedürftig“ verworfen: Dieser Irrtum hat sich aber erst mit großer Verspätung und trotz ausschließlich richtiger und zukunftsträchtiger Schlüsse in der Analyse als solcher herausgestellt (siehe dazu u.&nbsp;a. die realen optischen Experimente von [[Wikipedia:Alain Aspect|Alain Aspect]]), nachdem durch die sog. [[Wikipedia:Bellsche Ungleichung|Bell'schen Ungleichungen]] (eine 1964 durchgeführte mathematisch rigorose theoretische Arbeit) die philosophischen Grundlagen der EPR-Veröffentlichung [[Falsifikation|falsifiziert]] werden konnten.


{{LZ|Diese Forschung wurde von Randall geleitet, der
Gedankenexperimente sind somit verschieden von realen Experimenten und sind im Allgemeinen der [[Theoretische Physik|theoretischen Physik]] zuzuordnen; aber auch in anderen Disziplinen, z.&nbsp;B. in der [[Philosophie]], spielen sie eine wichtige Rolle. [[Wikipedia:Hans Christian Ørsted|Hans Christian Ørsted]] führte als Erster den Begriff ''Gedankenexperiment'' als Beziehung zwischen mathematischer und physikalischer Erkenntnis bei [[Immanuel Kant|Kant]] ein. Vor allem die von [[Albert Einstein]] gefundene [[spezielle Relativitätstheorie]] macht reichlich Gebrauch von Gedankenexperimenten. Einstein übernahm die Idee dazu von seinem zeitweiligen Lehrer [[Wikipedia:Ernst Mach|Ernst Mach]], auf dessen philosophisches Wirken die Bekanntheit dieses Begriffs zurückgeht.
bei W. L. Bragg studiert und mit Röntgenbeugung gearbeitet hatte.
Fast sofort erhielt Gosling sehr ermutigende Beugungsbilder
(siehe Abb. 1). Ein Grund für diesen Erfolg war, dass wir die Fasern feucht hielten. Wir
erinnerten uns, dass, um detaillierte Röntgenmuster von Proteinen zu erhalten, Bernal
Proteinkristalle in ihrer Mutterlauge gehalten hatte. Es schien wahrscheinlich, dass die
Konfiguration aller Arten von wasserlöslichen biologischen Makromolekülen
abhängig von ihrer wässrigen Umgebung sein würden. Wir erhielten gute Beugungsmuster
mit DNA von Signer und Schwander, die Singer nach
London zu einem Faraday Society Meeting über Nukleinsäuren mitgebracht und großzügig
verteilt hatte, so dass alle Arbeiter mit ihren verschiedenen Techniken daran arbeiten konnten.<ref>Im englischen Original:<br>
„This research was directed by Randall, who
had been trained under W. L. Bragg and had worked with X-ray diffraction.
Almost immediately, Gosling obtained very encouraging diffraction patterns
(see Fig. 1). One reason for this success was that we kept the fibres moist. We
remembered that, to obtain detailed X-ray patterns from proteins, Bernal
had kept protein crystals in their mother liquor. It seemed likely that the
configuration of all kinds of water-soluble biological macromolecules would
depend on their aqueous environment. We obtained good diffraction patterns
with DNA made by Signer and Schwander which Singer brought to
London to a Faraday Society meeting on nucleic acids and which he generously
distributed so that all workers, using their various techniques, could
study it.“<br>(Wilkins: ''Nobel Lecture'', December 11, 1962 [https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/medicine/laureates/1962/wilkins-lecture.pdf pdf])</ref>|Wilkins, S. 757}}


Man muss dabei allerdings bedenken, dass die gewonnenen Erkenntnisse nur im Rahmen des makroskopischen Kristallgefüges gültig sind und streng genommen nicht auf freie Moleküle in [[Flüssigkeit]]en oder [[Gas]]en übertragen werden können. Darauf hatte schon [[Rudolf Steiner]] hingewiesen:
Beliebt sind Gedankenexperimente besonders, um zu prüfen, ob eine Theorie zu [[Paradoxon|paradoxen]] Situationen führt. So wird das bekannte Beispiel von [[Wikipedia:Schrödingers Katze|Schrödingers Katze]], die mit einer quantenmechanisch beschriebenen Wahrscheinlichkeit ''gleichzeitig tot und lebendig'' ist, normalerweise als Beleg dafür angegeben, dass die betroffene Theorie in wenigstens einer Hinsicht unvollständig ist (zum Beispiel, indem sie Verletzungen der quantenmechanischen Kohärenz nicht berücksichtigt).


{{GZ|Spiritisten berufen sich darauf, daß sie Geister fotografiert haben. Das Fotografieren ist ein äußerer Vorgang, und ich will mich hier nicht weiter darüber verbreiten, ob man Geister fotografieren kann oder nicht. Aber mit nicht mehr Recht als die Spiritisten behaupten, daß sie Geister fotografiert haben, berufen sich heute gewisse Physiker darauf, daß sie die Konfiguration der Atome fotografiert haben. Gewiß, man kann Kristalle mit Röntgenstrahlen bewerfen, man kann diese Röntgenstrahlen zur Reflexion, die reflektierten Strahlen zur Interferenz bringen und dann fotografieren, und man kann behaupten, man fotografiere die Konfiguration der Atome. Die wesentliche Frage ist nur: Fotografiert man hier wirklich die atomistischen Agenzien oder fotografiert man gewisse Wirkungen, die vom Makrokosmischen herkommen und die sich nur an den Punkten zeigen, an denen man glaubt, daß die Atome vorhanden sind? Es kommt überall darauf an, daß man Denk- und Vorstellungsarten findet, die in der richtigen Weise von den Erscheinungen zu dem Wesen der Dinge zu gehen vermögen.|73a|43}}
=== Überprüfbarkeit ===
''Gedankenexperimente'' gehören zur jeweiligen theoretischen Disziplin (z.&nbsp;B. Theoretische Physik oder Theoretische Philosophie), während ''reale Experimente'' der jeweiligen experimentellen Disziplin angehören. Der Unterschied scheint selbstverständlich zu sein, ist aber subtil, wie am Beispiel der berühmten Arbeit Albert Einsteins zum [[Wikipedia:Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon|EPR-Effekt]] deutlich wird. In dieser Arbeit (1935) hat Einstein mit zwei Mitarbeitern nicht nur besagten Effekt aufgrund eines Gedankenexperiments vorgeschlagen (der Effekt konnte inzwischen realisiert werden), sondern vor allem auch aufgrund der ungewöhnlichen Eigenschaften des Effekts die Quantenmechanik als „unvernünftig und ergänzungsbedürftig“ zurückgewiesen.


Tatsächlich darf man sich die Moleküle [[an sich]] nicht im naiven Sinn als aus Atomen ''zusammengesetzte'' [[Objekt]]e mit einer definierten räumlichen [[Form]] vorstellen, so nützlich dieses Konzept auch als ''Näherungslösung'' für viele praktische Probleme sein mag, solange man sich ihrer Grenzen bewusst bleibt. Die moderne [[Quantentheorie]] spricht hier eine eindeutige Sprache, weshalb der [[Chemiker]] [[Hans Primas]] auch nachdrücklich betont:
Alle mathematischen Schlüsse dieser Arbeit waren korrekt, sodass Einstein damals kein logischer Irrtum nachgewiesen werden konnte, weder durch Gedankenexperimente noch durch reale Experimente. Erst 1964 gelang es dem theoretischen Physiker [[Wikipedia:John Stewart Bell|John Bell]], zu zeigen (siehe [[Wikipedia:Bellsche Ungleichung|Bellsche Ungleichung]]), dass die Gültigkeit der explizit angesprochenen philosophischen Grundlagen der EPR-Arbeit, die Annahme der sog. ''Realität und Lokalität'' einer physikalischen Theorie, experimentell überprüfbar ist, und zwar durch reale Experimente, nicht durch Gedankenexperimente. Solche realen Experimente wurden inzwischen mehrfach durchgeführt (z.&nbsp;B. durch [[Wikipedia:Alain Aspect|Alain Aspect]]) und haben stets die erwähnten philosophischen Grundannahmen der Einstein’schen Arbeit falsifiziert; d.&nbsp;h., dass die Quantenmechanik sich in jedem Fall als ''nicht ergänzungsbedürftig'' erwiesen hat. (Zum Thema „Falsifikation einer Theorie“ siehe die Philosophie von [[Karl Popper]].)


{{LZ|Moleküle, Atome, Elektronen,
In diesem einen Fall hat sich also Einstein geirrt, aber gleichwohl mit dem erwähnten EPR-Effekt und der darauf aufbauenden [[Wikipedia:Quantenkryptographie|Quantenkryptographie]] (siehe auch [[Wikipedia:Quantenverschränkung|Quantenverschränkung]]) für die praktischen Anwendungen der von ihm so heftig bekämpften Quantenmechanik etwas ganz Wesentliches hinterlassen.
Quarks oder Strings sind aber keine Bausteine der Materie, sie sind nicht
Ge-fundenes, sondern Er-fundenes, das heisst Konstruktionen derer, welche
die materielle Realität erforschen. Von dem ursprünglichen Begriff der Materie
ist in der heutigen Physik nichts übriggeblieben.|Primas 1992, S. 50}}


Dass man einem Molekül aus quantenmechanischer Sicht keine definierte [[Gestalt]] zuschreiben kann, betonte auch ''Richard Guy Woolley'' in seinem Artikel «''Must a molecule have shape?''»:
== Bekannte Gedankenexperimente ==
=== Naturwissenschaften ===
* [[Wikipedia:Braitenberg-Vehikel|Braitenberg-Vehikel]] – von [[Wikipedia:Valentino Braitenberg|Valentino Braitenberg]] erdachte [[Kybernetik|kybernetische]] [[Roboter]]fahrzeuge, die [[Verhalten (Biologie)|Verhaltensweisen]] von [[Lebewesen]] zu zeigen scheinen
* [[Wikipedia:Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon|EPR-Paradoxon]] ([[Quantenmechanik]]) (inzwischen experimentell durchgeführt)
* [[Wikipedia:Fahrstuhlexperiment|Fahrstuhlexperiment]] ([[Allgemeine Relativitätstheorie]]) – in einem geschlossenen Fahrstuhl ist es nicht möglich zu entscheiden, ob die Beschleunigung einer Testmasse durch den Fahrstuhlmotor oder ein externes Gravitationsfeld hervorgerufen wird, also müssen träge und schwere Masse gleich sein. Im [[Wikipedia:Freier Fall|frei fallenden]] Fahrstuhl herrscht keine Schwere (praktisch durch [[Wikipedia:Fallturmexperiment|Fallturmexperiment]]e oder durch die [[Schwerelosigkeit]] in einem Flugzeug im [[Wikipedia:Parabelflug|Parabelflug]] gezeigt)
* [[Wikipedia:Flatland|Flatland]] – ''A Romance in many Dimensions''. [[Wikipedia:Edwin Abbott Abbott|Edwin A. Abbott]]. Reise durch geometrische Grundformen 1884
* [[Wikipedia:Freier Fall|Freier Fall]] – [[Wikipedia:Giovanni Battista Benedetti|Giovanni Battista Benedetti]] widerlegte 1554 in seinem Werk ''Demonstratio proportionum motuum localium contra [[Aristoteles|Aristotilem]] et omnes philosophos'', dass verschieden schwere Körper verschieden schnell fallen. Das Gedankenexperiment findet sich auch in den ''Discorsi'' von [[Galileo Galilei]] und wurde häufig diesem zugeschrieben.
* [[Wikipedia:Laplacescher Dämon|Laplacescher Dämon]], der nach der [[Klassische Physik|klassischen Physik]] die Vergangenheit und Zukunft der Welt berechnen könnte
* [[Wikipedia:Lichtuhr|Lichtuhr]] ([[Spezielle Relativitätstheorie]]) – eine bewegte Uhr (von außen beobachtet) läuft langsamer
* [[Wikipedia:Maxwellscher Dämon|Maxwellscher Dämon]] – bringt den [[2. Hauptsatz der Thermodynamik]] mit [[Information]] in Zusammenhang
* [[Wikipedia:Photonenwaage|Photonenwaage]] – [[Albert Einstein]] versuchte [[Niels Bohr]] von der Unvollkommenheit der [[Quantenhypothese|Quantentheorie]] zu überzeugen
* [[Wikipedia:Planiversum|Planiversum]] – beschreibt das Leben in einer zweidimensionalen Welt
* [[Wikipedia:Schrödingers Katze|Schrödingers Katze]] (Quantenmechanik) – wirft interessante Fragen zum quantenmechanischen Messprozess auf
* [[Wikipedia:Stevinsches Gedankenexperiment|Stevinsches Gedankenexperiment]] – Erklärung der [[Wikipedia:Kräftegleichgewicht|Gleichgewichtsverhältnisse]] auf [[Wikipedia:Schiefe Ebene|schiefen Ebenen]] von [[Wikipedia:Simon Stevin|Simon Stevin]] um 1600
* [[Wikipedia:Zwillingsparadoxon|Zwillingsparadoxon]] ([[Spezielle Relativitätstheorie]]) – in einem schnellen Raumschiff läuft die Zeit von außen betrachtet langsamer ab, für die Insassen sind die Entfernungen verkürzt


{{LZ|Die Quantenmechanik kann ziemlich genau vorhersagen, wie sich die Energie eines Moleküls ändern kann, aber sie sagt streng genommen nichts über die Form eines Moleküls. Das ist eine erstaunliche Aussage für einen Chemiker, weil es die räumlichen Beziehungen der chemisch gebundenen Atomen sind, die am wichtigsten sind für das Verständnis dafür, wie Moleküle mit anderen reagieren. Chemiker, Physiker und Molekularbiologen sollten sich daher überlegen, wie sie die Quantenmechanik nutzen und was sie mit Atomen und Molekülen eigentlich meinen.|Richard Guy Woolley in ''New Scientist'', 22. Oktober 1988, S. 53<ref>Im englischen Original:<br>„Quantum mechanics can predict fairly accurately the way
=== Philosophie ===
the energy of a molecule may change, but strictly speaking it
Gedankenexperimente in der Philosophie haben meist ein wesentliches Merkmal, das sie von anderen illustrativen Mitteln unterscheidet: Sie gehen von kontrafaktischen Umständen aus. In einem solchen Gedankenexperiment wird gefragt, was wohl der Fall wäre, wenn die Dinge anders lägen als sie es tatsächlich tun. Der Grad der [[Kontrafaktizität]] kann verschieden hoch sein, aber im Grunde liegt immer eine hypothetische Situation vor. Die Form einer solchen Überlegung kann folgendermaßen dargestellt werden:
says nothing about the shape of a molecule. This is an astonishing
 
statement for a chemist because it is the spatial
* Wir gehen normalerweise davon aus und behaupten, dass der Satz S wahr ist.
relationships of chemically bonded atoms that is most
* In unserem Gedankenexperiment gehen wir jetzt aber davon aus, dass die Welt ganz anders (oder ein bisschen anders) funktioniert. Dann nehmen wir nicht mehr an, dass S wahr ist, sondern vielleicht ein anderer Satz F, der mit S unvereinbar ist.
important in understanding how molecules react with each
* Wir haben also keinen Anlass, S für absolut wahr zu halten, sondern sehen S als Resultat unserer bestimmten, (möglicherweise veränderbaren) Situation an.
other. Chemists, physicists and molecular biologists should
 
reconsider now how they use quantum mechanics, and what
Beispiele:
they mean by atoms and molecules.</ref>}}
 
* [[Wikipedia:Trolley-Problem|Trolley-Problem]] – [[Wikipedia:Philippa Foot|Philippa Foot]]
* [[Wikipedia:Gettier-Problem|Gettier-Problem]] – [[Wikipedia:Edmund Gettier|Edmund Gettier]]
* [[Wikipedia:Chinesisches Zimmer|Chinesisches Zimmer]] – [[John Searle]]
* [[Wikipedia:Schleier des Nichtwissens|Schleier des Nichtwissens]] – [[Wikipedia:John Rawls|John Rawls]]
* [[Wikipedia:Gehirn im Tank|Gehirn im Tank]] – [[Wikipedia:Hilary Putnam|Hilary Putnam]]
* [[Wikipedia:Mühlenbeispiel|Mühlenbeispiel]] - [[Gottfried Wilhelm Leibniz]]
* [[Wikipedia:Zwillingserde|Zwillingserde]] – [[Wikipedia:Hilary Putnam|Hilary Putnam]]
* [[Wikipedia:Sumpfmann|Sumpfmann]] – [[Donald Davidson]]
* [[Wikipedia:Geiger-Beispiel|Geiger-Beispiel]] – [[Wikipedia:Judith Jarvis Thomson|Judith Jarvis Thomson]]
* [[Wikipedia:Mary (Gedankenexperiment)|Mary]] – [[Frank Cameron Jackson]]
* [[Wikipedia:Nützlichkeits-Monster|Nützlichkeits-Monster]] − [[Wikipedia:Robert Nozick|Robert Nozick]]
* [[Wikipedia:Schiff des Theseus|Schiff des Theseus]]
 
Von Gedankenexperimenten aus der Philosophie zu unterscheiden sind Gleichnisse, die einen abstrakten Sachverhalt mit einer anschaulichen Situation verdeutlichen sollen. Bei dem [[Höhlengleichnis]] geht es [[Platon]] um die anschauliche Darstellung seiner [[Erkenntnistheorie]]; allerdings enthält das Gleichnis insofern auch Elemente eines Gedankenexperiments, als Platon weiterhin ausführt, wie es einer Person ergehen würde, die dem in der Höhle Gefesselten von der Außenwelt berichtet.<ref>Ulrich Gähde: ''Gedankenexperimente in Erkenntnistheorie und Physik''. In: Julian Nida-Rümelin (Hrsg.): ''Rationality, realism, revision''. Walter de Gruyter, 2000, ISBN 3110163934, S. 457.</ref>


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
 
* [[Gleichnis]], die Sicht aus einer ungewohnten Perspektive ist eine Gemeinsamkeit mit dem Gedankenexperiment
* {{WikipediaDE|Kristallstrukturanalyse}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* Bertram, G.W.  (Hg.) Philosophische Gedankenexperimente. Ein Lese- und Studienbuch. Stuttgart 2012.
* Brooks, D. H. M. "The Method of Thought Experiment" in: Metaphilosophy, vol. 25, Nr. 1 S. 71–83.
* Haggqvist, S. Thought Experiments in Philosophy, Stockholm 1996.
* [[Wikipedia:Albrecht Behmel|Behmel, A.]] Gedankenexperimente in der Philosophie des Geistes, Stuttgart 2001.
* Macho, Th. u. A. WUNSCHEL (Hrsg.) Science & Fiction. Gedankenexperimente in Wissenschaft, Philosophie und Literatur. Frankfurt/M 2004.
* Engels, H. "Nehmen wir an…" Das Gedankenexperiment in didaktischer Absicht, Weinheim und Basel 2004.
* Kühne, U. Die Methode des Gedankenexperiments, Frankfurt/M 2005.
* Cohnitz, D. Gedankenexperimente in der Philosophie, Paderborn 2006.
* R. A. Sorensen: ''Thought Experiments'', Oxford University Press 1990.
* Michel, J. G. "Mit Gedankenexperimenten argumentieren: Eine Fallstudie in der Philosophie des Geistes." In ''Die Suche nach dem Geist'', J. G. Michel & G. Münster (Hrsg.), S. 81–120, Münster 2013.
* ''Special Issue: Ernst Mach und das Gedankenexperiment um 1900'', eingeleitet von Bernhard Kleeberg, in: ''Berichte zur Wissenschaftsgeschichte'', März 2015, [http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/bewi.v38.1/issuetoc Volume 38, Issue 1], S. 1–101.


* Maurice Wilkins: ''The molecular configuration of nucleic acids'', Nobel Lecture, December 11, 1962
== Weblinks ==
* Werner Massa: ''Kristallstrukturbestimmung'', Vieweg + Teubner Verlag, 6. Auflage, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-8348-0649-9
{{Commonscat|Thought experiments}}
* [[Hans Primas]]: ''Chemistry, Quantum Mechanics and Reductionism: Perspectives in Theoretical Chemistry'', Springer Verlag 1983, ISBN 978-3540128380
{{Wiktionary}}
* Hans Primas: ''Umdenken in der Naturwissenschaft'' in: ''Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich'' (1992) 137/l, S. 41-62 (genehmigter Nachdruck aus «GAIA; Ecological Perspectives in Science, Humanities and Economics» (1992) 1, l, 5-15 [http://www.ngzh.ch/archiv/1992_137/137_1/137_5.pdf pdf]
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/thought-experiment/}}
* Richard Guy Woolley: ''Must a molecule have shape?'' in: ''New Scientist'', 22. Oktober 1988, p. 53-57 [https://www.researchgate.net/profile/Richard_Woolley4/publication/314751850_Must_a_molecule_have_shape/links/58c5699045851538eb8af944/Must-a-molecule-have-shape.pdf?origin=publication_detail pdf]
* [http://www.philosophie.uni-mainz.de/fehige/papers/gedankenexperimentSeitMach.pdf J. H. Y. Fehige, Uni Mainz "Das Gedankenexperiment – eine eigenständige Erkenntnismethode?"] – Über die epistemologische Diskussion seit Ernst Mach (PDF-Datei; 295 kB)
* Rudolf Steiner: ''Fachwissenschaften und Anthroposophie'', [[GA 73a]] (2005), ISBN 3-7274-0735-2 {{Vorträge|073a}}
* [http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:46-ep000101139 Ulrich Kühne: "Gedankenexperiment und Erklärung" (1997)] – Aufsatz über die wissenschaftsphilosophische Bedeutung von Gedankenexperimenten in den Naturwissenschaften
* [http://www.jg-eberhardt.de/philo_exp/index.html Zusammenstellung von Joachim Eberhardt]


{{GA}}
== Einzelnachweise ==
<references />


== Einzelnachweise ==
{{Normdaten|TYP=s|GND=4280370-6}}


<references />
[[Kategorie:Philosophie]]
[[Kategorie:Physik]]
[[Kategorie:Erkenntnistheorie]]
[[Kategorie:Gedankenexperiment| ]]


[[Kategorie:Physik]] [[Kategorie:Chemie]]
{{Wikipedia}}

Version vom 11. Juli 2018, 08:58 Uhr

Grafische Darstellung des Gedankenexperiments Schrödingers Katze: quantenmechanisch gesehen kann sie demnach gleichzeitig tot und lebendig sein.

Ein Gedankenexperiment oder Gedankenversuch ist ein gedankliches Hilfsmittel, um bestimmte Theorien zu untermauern, zu widerlegen, zu veranschaulichen oder weiterzudenken. Es wird dabei gedanklich eine Situation konstruiert, die real so nicht oder nur sehr schwer herzustellen ist (zum Beispiel eine Reise mit annähernd Lichtgeschwindigkeit). Sodann malt man sich im Geiste aus, welche Folgen sich aus dieser Situation ergeben, wenn man die Theorie auf die Situation anwendet. Ein Experiment wird also in Gedanken simuliert. Ein Gedankenexperiment ist jedoch kein Experiment im eigentlichen Sinne. Letzteres beleuchtet Theorien durch empirische Anschauung von außen, ein Gedankenexperiment ist jedoch innerhalb der Theorie gefangen, der empirische Aspekt fehlt.

Gedankenexperiment versus reales Experiment

Dennoch sind inzwischen einige Gedankenexperimente, die zu der Zeit, als sie erdacht wurden, nicht realisierbar waren, heute in echten Experimenten durchführbar. So wurde zum Beispiel der empirische Nachweis erbracht, dass Uhren abhängig von der relativen Geschwindigkeit, mit der sie bewegt werden, unterschiedlich schnell gehen.

Andere Gedankenexperimente haben sich später als prinzipiell nicht durchführbar herausgestellt. So ist beispielsweise heute bekannt, dass der Maxwellsche Dämon prinzipiell nicht funktioniert, hauptsächlich aus „quantenmechanischen Gründen“. Als dieses Gedankenexperiment erdacht wurde, war aber auch noch nichts über die Quantenmechanik bekannt.

Noch komplexer sind die Zusammenhänge bei der Arbeit von Albert Einstein und Mitarbeitern über das Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon: Hier haben die Autoren im Jahre 1935 aufgrund eines zutreffenden Gedankenexperiments fälschlicherweise die Quantenmechanik als „ergänzungsbedürftig“ verworfen: Dieser Irrtum hat sich aber erst mit großer Verspätung und trotz ausschließlich richtiger und zukunftsträchtiger Schlüsse in der Analyse als solcher herausgestellt (siehe dazu u. a. die realen optischen Experimente von Alain Aspect), nachdem durch die sog. Bell'schen Ungleichungen (eine 1964 durchgeführte mathematisch rigorose theoretische Arbeit) die philosophischen Grundlagen der EPR-Veröffentlichung falsifiziert werden konnten.

Gedankenexperimente sind somit verschieden von realen Experimenten und sind im Allgemeinen der theoretischen Physik zuzuordnen; aber auch in anderen Disziplinen, z. B. in der Philosophie, spielen sie eine wichtige Rolle. Hans Christian Ørsted führte als Erster den Begriff Gedankenexperiment als Beziehung zwischen mathematischer und physikalischer Erkenntnis bei Kant ein. Vor allem die von Albert Einstein gefundene spezielle Relativitätstheorie macht reichlich Gebrauch von Gedankenexperimenten. Einstein übernahm die Idee dazu von seinem zeitweiligen Lehrer Ernst Mach, auf dessen philosophisches Wirken die Bekanntheit dieses Begriffs zurückgeht.

Beliebt sind Gedankenexperimente besonders, um zu prüfen, ob eine Theorie zu paradoxen Situationen führt. So wird das bekannte Beispiel von Schrödingers Katze, die mit einer quantenmechanisch beschriebenen Wahrscheinlichkeit gleichzeitig tot und lebendig ist, normalerweise als Beleg dafür angegeben, dass die betroffene Theorie in wenigstens einer Hinsicht unvollständig ist (zum Beispiel, indem sie Verletzungen der quantenmechanischen Kohärenz nicht berücksichtigt).

Überprüfbarkeit

Gedankenexperimente gehören zur jeweiligen theoretischen Disziplin (z. B. Theoretische Physik oder Theoretische Philosophie), während reale Experimente der jeweiligen experimentellen Disziplin angehören. Der Unterschied scheint selbstverständlich zu sein, ist aber subtil, wie am Beispiel der berühmten Arbeit Albert Einsteins zum EPR-Effekt deutlich wird. In dieser Arbeit (1935) hat Einstein mit zwei Mitarbeitern nicht nur besagten Effekt aufgrund eines Gedankenexperiments vorgeschlagen (der Effekt konnte inzwischen realisiert werden), sondern vor allem auch aufgrund der ungewöhnlichen Eigenschaften des Effekts die Quantenmechanik als „unvernünftig und ergänzungsbedürftig“ zurückgewiesen.

Alle mathematischen Schlüsse dieser Arbeit waren korrekt, sodass Einstein damals kein logischer Irrtum nachgewiesen werden konnte, weder durch Gedankenexperimente noch durch reale Experimente. Erst 1964 gelang es dem theoretischen Physiker John Bell, zu zeigen (siehe Bellsche Ungleichung), dass die Gültigkeit der explizit angesprochenen philosophischen Grundlagen der EPR-Arbeit, die Annahme der sog. Realität und Lokalität einer physikalischen Theorie, experimentell überprüfbar ist, und zwar durch reale Experimente, nicht durch Gedankenexperimente. Solche realen Experimente wurden inzwischen mehrfach durchgeführt (z. B. durch Alain Aspect) und haben stets die erwähnten philosophischen Grundannahmen der Einstein’schen Arbeit falsifiziert; d. h., dass die Quantenmechanik sich in jedem Fall als nicht ergänzungsbedürftig erwiesen hat. (Zum Thema „Falsifikation einer Theorie“ siehe die Philosophie von Karl Popper.)

In diesem einen Fall hat sich also Einstein geirrt, aber gleichwohl mit dem erwähnten EPR-Effekt und der darauf aufbauenden Quantenkryptographie (siehe auch Quantenverschränkung) für die praktischen Anwendungen der von ihm so heftig bekämpften Quantenmechanik etwas ganz Wesentliches hinterlassen.

Bekannte Gedankenexperimente

Naturwissenschaften

Philosophie

Gedankenexperimente in der Philosophie haben meist ein wesentliches Merkmal, das sie von anderen illustrativen Mitteln unterscheidet: Sie gehen von kontrafaktischen Umständen aus. In einem solchen Gedankenexperiment wird gefragt, was wohl der Fall wäre, wenn die Dinge anders lägen als sie es tatsächlich tun. Der Grad der Kontrafaktizität kann verschieden hoch sein, aber im Grunde liegt immer eine hypothetische Situation vor. Die Form einer solchen Überlegung kann folgendermaßen dargestellt werden:

  • Wir gehen normalerweise davon aus und behaupten, dass der Satz S wahr ist.
  • In unserem Gedankenexperiment gehen wir jetzt aber davon aus, dass die Welt ganz anders (oder ein bisschen anders) funktioniert. Dann nehmen wir nicht mehr an, dass S wahr ist, sondern vielleicht ein anderer Satz F, der mit S unvereinbar ist.
  • Wir haben also keinen Anlass, S für absolut wahr zu halten, sondern sehen S als Resultat unserer bestimmten, (möglicherweise veränderbaren) Situation an.

Beispiele:

Von Gedankenexperimenten aus der Philosophie zu unterscheiden sind Gleichnisse, die einen abstrakten Sachverhalt mit einer anschaulichen Situation verdeutlichen sollen. Bei dem Höhlengleichnis geht es Platon um die anschauliche Darstellung seiner Erkenntnistheorie; allerdings enthält das Gleichnis insofern auch Elemente eines Gedankenexperiments, als Platon weiterhin ausführt, wie es einer Person ergehen würde, die dem in der Höhle Gefesselten von der Außenwelt berichtet.[1]

Siehe auch

  • Gleichnis, die Sicht aus einer ungewohnten Perspektive ist eine Gemeinsamkeit mit dem Gedankenexperiment

Literatur

  • Bertram, G.W. (Hg.) Philosophische Gedankenexperimente. Ein Lese- und Studienbuch. Stuttgart 2012.
  • Brooks, D. H. M. "The Method of Thought Experiment" in: Metaphilosophy, vol. 25, Nr. 1 S. 71–83.
  • Haggqvist, S. Thought Experiments in Philosophy, Stockholm 1996.
  • Behmel, A. Gedankenexperimente in der Philosophie des Geistes, Stuttgart 2001.
  • Macho, Th. u. A. WUNSCHEL (Hrsg.) Science & Fiction. Gedankenexperimente in Wissenschaft, Philosophie und Literatur. Frankfurt/M 2004.
  • Engels, H. "Nehmen wir an…" Das Gedankenexperiment in didaktischer Absicht, Weinheim und Basel 2004.
  • Kühne, U. Die Methode des Gedankenexperiments, Frankfurt/M 2005.
  • Cohnitz, D. Gedankenexperimente in der Philosophie, Paderborn 2006.
  • R. A. Sorensen: Thought Experiments, Oxford University Press 1990.
  • Michel, J. G. "Mit Gedankenexperimenten argumentieren: Eine Fallstudie in der Philosophie des Geistes." In Die Suche nach dem Geist, J. G. Michel & G. Münster (Hrsg.), S. 81–120, Münster 2013.
  • Special Issue: Ernst Mach und das Gedankenexperiment um 1900, eingeleitet von Bernhard Kleeberg, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte, März 2015, Volume 38, Issue 1, S. 1–101.

Weblinks

Commons: Thought experiments - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wiktionary: Gedankenexperiment – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Ulrich Gähde: Gedankenexperimente in Erkenntnistheorie und Physik. In: Julian Nida-Rümelin (Hrsg.): Rationality, realism, revision. Walter de Gruyter, 2000, ISBN 3110163934, S. 457.


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Gedankenexperiment aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.