Medizin und Gedankenexperiment: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Klimt hygeia.jpg|miniatur|''Medizin'' (Ausschnitt eines Gemäldes von [[Wikipedia:Gustav Klimt|Gustav Klimt]])]]
[[Datei:Schrodingers cat.svg|mini|Grafische Darstellung des Gedankenexperiments ''[[Wikipedia:Schrödingers Katze|Schrödingers Katze]]'': quantenmechanisch gesehen kann sie demnach gleichzeitig tot und lebendig sein.]]
Ein '''Gedankenexperiment''' oder '''Gedankenversuch''' ist ein gedankliches Hilfsmittel, um bestimmte [[Theorie]]n zu untermauern, zu widerlegen, zu veranschaulichen oder weiterzudenken. Es wird dabei gedanklich eine Situation konstruiert, die real so nicht oder nur sehr schwer herzustellen ist (zum Beispiel eine Reise mit annähernd [[Lichtgeschwindigkeit]]). Sodann malt man sich im Geiste aus, welche Folgen sich aus dieser Situation ergeben, wenn man die Theorie auf die Situation anwendet. Ein [[Experiment]] wird also in Gedanken [[Wikipedia:Simulation|simuliert]]. Ein Gedankenexperiment ist jedoch kein Experiment im eigentlichen Sinne. Letzteres beleuchtet Theorien durch [[empirisch]]e Anschauung ''von außen'', ein Gedankenexperiment ist jedoch innerhalb der Theorie gefangen, der empirische Aspekt fehlt.


'''Medizin''' ist die Wissenschaft und Lehre von der [[Wikipedia|Prävention|Vorbeugung]], [[Wikipedia:Diagnose|Erkennung]] und [[Wikipedia:Therapie|Behandlung]] von [[Wikipedia:Krankheit|Krankheit]]en oder [[Wikipedia:Trauma (Medizin)|Verletzungen]] bei Menschen und Tieren.  
== Gedankenexperiment versus reales Experiment ==
Dennoch sind inzwischen einige Gedankenexperimente, die zu der Zeit, als sie erdacht wurden, nicht realisierbar waren, heute in echten Experimenten durchführbar. So wurde zum Beispiel der empirische Nachweis erbracht, dass Uhren abhängig von der relativen Geschwindigkeit, mit der sie bewegt werden, unterschiedlich schnell gehen.


Sie wird von medizinisch ausgebildeten [[Heilkunde|Heilkundigen]] ausgeübt mit dem Ziel, die [[Gesundheit]] der [[Patient]]en zu erhalten oder wiederherzustellen. Dabei handelt es sich meist um Ärzte, aber auch um Angehörige weiterer anerkannter [[Heilberuf]]e – wie etwa die in Deutschland zugelassenen [[Heilpraktiker]]. Zum Bereich der Medizin gehören neben der Humanmedizin die [[Zahnmedizin]], die [[Tiermedizin|Veterinärmedizin]] (Tierheilkunde) und in einem weiteren Verständnis auch die [[Phytomedizin]] (Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen). In diesem umfassenden Sinn ist Medizin die Lehre vom gesunden und kranken [[Lebewesen]].
Andere Gedankenexperimente haben sich später als prinzipiell nicht durchführbar herausgestellt. So ist beispielsweise heute bekannt, dass der [[Wikipedia:Maxwellscher Dämon|Maxwellsche Dämon]] prinzipiell nicht funktioniert, hauptsächlich aus „quantenmechanischen Gründen“. Als dieses Gedankenexperiment erdacht wurde, war aber auch noch nichts über die [[Quantenmechanik]] bekannt.


Die Kulturgeschichte kennt eine große Zahl von unterschiedlichen medizinischen Lehrgebäuden, beginnend mit den Ärzteschulen im europäischen und asiatischen Altertum, bis hin zur modernen Vielfalt von wissenschaftlichen und [[Alternativmedizin|alternativmedizinischen]] Angeboten. Die Medizin umfasst auch die anwendungsbezogene Forschung ihrer Vertreter zur Beschaffenheit und Funktion des [[Menschlicher Körper|menschlichen]] (Humanmedizin von {{laS|''humanus''}}) und [[Körper (Biologie)|tierischen Körpers]] (Veterinärmedizin von {{laS|''veterinae'', ‚Zugtiere‘}}) in gesundem und krankem Zustand, mit der sie ihre Diagnosen und Therapien verbessern will. Die (natur)[[wissenschaft]]liche Medizin bedient sich dabei seit etwa 1845<ref>[[Axel W. Bauer]]: ''Medizin, naturwissenschaftliche (1850–1900).'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 938–942; hier: S. 938.</ref> zunehmend der Grundlagen, die [[Physik]], [[Chemie]], [[Biologie]] und [[Psychologie]] erarbeitet haben.
Noch komplexer sind die Zusammenhänge bei der Arbeit von Albert Einstein und Mitarbeitern über das [[Wikipedia:Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon|Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon]]: Hier haben die Autoren im Jahre 1935 aufgrund eines zutreffenden Gedankenexperiments fälschlicherweise die Quantenmechanik als „ergänzungsbedürftig“ verworfen: Dieser Irrtum hat sich aber erst mit großer Verspätung und trotz ausschließlich richtiger und zukunftsträchtiger Schlüsse in der Analyse als solcher herausgestellt (siehe dazu u.&nbsp;a. die realen optischen Experimente von [[Wikipedia:Alain Aspect|Alain Aspect]]), nachdem durch die sog. [[Wikipedia:Bellsche Ungleichung|Bell'schen Ungleichungen]] (eine 1964 durchgeführte mathematisch rigorose theoretische Arbeit) die philosophischen Grundlagen der EPR-Veröffentlichung [[Falsifikation|falsifiziert]] werden konnten.


== Zum Medizinbegriff ==
Gedankenexperimente sind somit verschieden von realen Experimenten und sind im Allgemeinen der [[Theoretische Physik|theoretischen Physik]] zuzuordnen; aber auch in anderen Disziplinen, z.&nbsp;B. in der [[Philosophie]], spielen sie eine wichtige Rolle. [[Wikipedia:Hans Christian Ørsted|Hans Christian Ørsted]] führte als Erster den Begriff ''Gedankenexperiment'' als Beziehung zwischen mathematischer und physikalischer Erkenntnis bei [[Immanuel Kant|Kant]] ein. Vor allem die von [[Albert Einstein]] gefundene [[spezielle Relativitätstheorie]] macht reichlich Gebrauch von Gedankenexperimenten. Einstein übernahm die Idee dazu von seinem zeitweiligen Lehrer [[Wikipedia:Ernst Mach|Ernst Mach]], auf dessen philosophisches Wirken die Bekanntheit dieses Begriffs zurückgeht.
'''In der europäischen Tradition'''


Das Wort ''Medizin'' leitet sich ab von {{laS|''medicina'' bzw. ''ars medicina''}}, „ärztliche Kunst“ oder die „Heilkunde“, von ''mederi'', ‚heilen‘ - zu indogermanisch ''med-'', ‚Heilkundiger‘.<ref>[[Friedrich Kluge]]: ''Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache.'' De Gruyter, Berlin 1975, S. 470</ref>
Beliebt sind Gedankenexperimente besonders, um zu prüfen, ob eine Theorie zu [[Paradoxon|paradoxen]] Situationen führt. So wird das bekannte Beispiel von [[Wikipedia:Schrödingers Katze|Schrödingers Katze]], die mit einer quantenmechanisch beschriebenen Wahrscheinlichkeit ''gleichzeitig tot und lebendig'' ist, normalerweise als Beleg dafür angegeben, dass die betroffene Theorie in wenigstens einer Hinsicht unvollständig ist (zum Beispiel, indem sie Verletzungen der quantenmechanischen Kohärenz nicht berücksichtigt).


Die Lehre von der Heilkunst wird selten auch die ''Iatrik'' genannt (ausgesprochen ''Iátrik'', vom [[Griechische Sprache|griechischen]] [[Substantivierung|substantivierten]] Adjektiv {{lang|grc|ἰατρική [τέχνη]}}, [[Altgriechische Sprache|altgriechische]] Aussprache ''{{lang|grc-Latn|iatrikḗ [téchnē]}}'', „ärztliche Kunst“ oder „ärztliches Handwerk“; häufiger in Zusammensetzungen wie „[[iatrogen]]“, „[[Pädiatrie]]“, „[[Psychiatrie|psychiatrisch]]“<ref name="Duden Dt. Universalwörterbuch">[[Duden]] ''Deutsches Universalwörterbuch''. Verlag Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 5.&nbsp;Auflage, Mannheim 2003 [http://www.duden.de/rechtschreibung/Iatrik online-Fassung]</ref>).
=== Überprüfbarkeit ===
''Gedankenexperimente'' gehören zur jeweiligen theoretischen Disziplin (z.&nbsp;B. Theoretische Physik oder Theoretische Philosophie), während ''reale Experimente'' der jeweiligen experimentellen Disziplin angehören. Der Unterschied scheint selbstverständlich zu sein, ist aber subtil, wie am Beispiel der berühmten Arbeit Albert Einsteins zum [[Wikipedia:Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon|EPR-Effekt]] deutlich wird. In dieser Arbeit (1935) hat Einstein mit zwei Mitarbeitern nicht nur besagten Effekt aufgrund eines Gedankenexperiments vorgeschlagen (der Effekt konnte inzwischen realisiert werden), sondern vor allem auch aufgrund der ungewöhnlichen Eigenschaften des Effekts die Quantenmechanik als „unvernünftig und ergänzungsbedürftig“ zurückgewiesen.


'''Bei den nordamerikanischen Indianern'''
Alle mathematischen Schlüsse dieser Arbeit waren korrekt, sodass Einstein damals kein logischer Irrtum nachgewiesen werden konnte, weder durch Gedankenexperimente noch durch reale Experimente. Erst 1964 gelang es dem theoretischen Physiker [[Wikipedia:John Stewart Bell|John Bell]], zu zeigen (siehe [[Wikipedia:Bellsche Ungleichung|Bellsche Ungleichung]]), dass die Gültigkeit der explizit angesprochenen philosophischen Grundlagen der EPR-Arbeit, die Annahme der sog. ''Realität und Lokalität'' einer physikalischen Theorie, experimentell überprüfbar ist, und zwar durch reale Experimente, nicht durch Gedankenexperimente. Solche realen Experimente wurden inzwischen mehrfach durchgeführt (z.&nbsp;B. durch [[Wikipedia:Alain Aspect|Alain Aspect]]) und haben stets die erwähnten philosophischen Grundannahmen der Einstein’schen Arbeit falsifiziert; d.&nbsp;h., dass die Quantenmechanik sich in jedem Fall als ''nicht ergänzungsbedürftig'' erwiesen hat. (Zum Thema „Falsifikation einer Theorie“ siehe die Philosophie von [[Karl Popper]].)


Der Begriff „Medizin“ (als ''médecine'' von französischen Trappern erstmals für Heilungszeremonien der von ihnen mit Ärzten gleichgesetzten [[Schamane]]n der [[Plains-Indianer]] gebraucht)<ref>Norbert Kohnen: ''Medizinmann.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 956 f.; hier: S. 956.</ref> wird hier nicht im Sinne von ''Heilkunde'' oder ''Arznei'' gebraucht, sondern bezeichnet im [[Europäische Sprachen|europäisch]]-[[Englische Sprache|englischen]] Sprachgebrauch eine „geheimnisvolle, transzendente Kraft hinter allen sichtbaren Erscheinungen“. Das indianische Medizinsystem magisch-animistischer Prägung, auch das gesamte präkolumbische Amerika einschließend, führt Krankheiten auf Tabuverletzungen zurück, die zu einer Störung der Harmonie zwischen Mensch und seiner Umwelt führen, und lässt sich als Form des [[Schamanismus]] bezeichnen. Ein Schamane (als Heiler bzw. „Medizinmann“) nutzte verschiedene bewusstseinsverändernde, eine Himmels- oder Seelenreise ermöglichende Methoden zur Versöhnung mit nichtmateriellen Mächten und rituelle Handlungen, um diese Harmonie wieder herzustellen.<ref>Doris Schwarzmann-Schafhauser: ''Indianermedizin, nordamerikanische.'' In: [[Werner E. Gerabek]] u.a. (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 665.</ref> Erst im Laufe der Zeit erkannte man, dass indianische "Medizin", die jedoch auch die auf Heilkräuterm und physikalischen Therapieverfahren beruhende Medizin<ref>Doris Schwarzmann-Schafhauser (2005), S. 665.</ref> im engeren Sinne einschließt, weit über die Heilkunde hinausgeht<ref>Norbert Kohnen: ''Medizinmann.'' 2005, S. 956.</ref> ''(siehe [[Medizinbeutel]] oder [[Medizinrad]])''. Die indianische Medizin erinnert vielmehr an das polynesische [[Mana (religiöse Praxis)|Mana]].
In diesem einen Fall hat sich also Einstein geirrt, aber gleichwohl mit dem erwähnten EPR-Effekt und der darauf aufbauenden [[Wikipedia:Quantenkryptographie|Quantenkryptographie]] (siehe auch [[Wikipedia:Quantenverschränkung|Quantenverschränkung]]) für die praktischen Anwendungen der von ihm so heftig bekämpften Quantenmechanik etwas ganz Wesentliches hinterlassen.


== Heilkunde ==
== Bekannte Gedankenexperimente ==
Die Medizin ist eine praxisorientierte [[Erfahrungswissenschaft]]. Ziele sind die [[Krankheitsprävention|Prävention]] (Vorbeugung) von Erkrankungen oder von deren Komplikationen; die Kuration ([[Heilung]]) von heilbaren Erkrankungen, oder die [[Palliativmedizin|Palliation]] (Linderung) der Beschwerden in unheilbaren Situationen. Auch die [[Rehabilitation]] (Wiederherstellung) der körperlichen und geistigen Fähigkeiten der Patienten ist Aufgabe der Medizin. Ärzte und nichtärztliche Therapeuten erstellen dafür Behandlungspläne und überwachen den Behandlungsverlauf. In Deutschland verpflichtet das [[Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten|Patientenrechtegesetz]] im {{§|630f|BGB|buzer}} [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] den Arzt oder Zahnarzt in der [[Krankengeschichte|Patientenakte]] „sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen.“ Die Aufzeichnungspflicht der gesamten Krankengeschichte ist im Übrigen Bestandteil der [[Standesrecht|Berufsordnungen]]. Alle patientenbezogenen Unterlagen unterliegen dem [[Datenschutz]]. Im medizinischen Alltag werden im Idealfall wissenschaftliche Erkenntnisse mit den Resultaten der [[Anamnese]], [[Befund (Medizin)|Befunderhebung]] und [[Diagnose]]stellung sowie der ärztlichen Intuition und Erfahrung kombiniert, um dem einzelnen Patienten gerecht zu werden.
=== Naturwissenschaften ===
* [[Wikipedia:Braitenberg-Vehikel|Braitenberg-Vehikel]] – von [[Wikipedia:Valentino Braitenberg|Valentino Braitenberg]] erdachte [[Kybernetik|kybernetische]] [[Roboter]]fahrzeuge, die [[Verhalten (Biologie)|Verhaltensweisen]] von [[Lebewesen]] zu zeigen scheinen
* [[Wikipedia:Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon|EPR-Paradoxon]] ([[Quantenmechanik]]) (inzwischen experimentell durchgeführt)
* [[Wikipedia:Fahrstuhlexperiment|Fahrstuhlexperiment]] ([[Allgemeine Relativitätstheorie]]) in einem geschlossenen Fahrstuhl ist es nicht möglich zu entscheiden, ob die Beschleunigung einer Testmasse durch den Fahrstuhlmotor oder ein externes Gravitationsfeld hervorgerufen wird, also müssen träge und schwere Masse gleich sein. Im [[Wikipedia:Freier Fall|frei fallenden]] Fahrstuhl herrscht keine Schwere (praktisch durch [[Wikipedia:Fallturmexperiment|Fallturmexperiment]]e oder durch die [[Schwerelosigkeit]] in einem Flugzeug im [[Wikipedia:Parabelflug|Parabelflug]] gezeigt)
* [[Wikipedia:Flatland|Flatland]] – ''A Romance in many Dimensions''. [[Wikipedia:Edwin Abbott Abbott|Edwin A. Abbott]]. Reise durch geometrische Grundformen 1884
* [[Wikipedia:Freier Fall|Freier Fall]] – [[Wikipedia:Giovanni Battista Benedetti|Giovanni Battista Benedetti]] widerlegte 1554 in seinem Werk ''Demonstratio proportionum motuum localium contra [[Aristoteles|Aristotilem]] et omnes philosophos'', dass verschieden schwere Körper verschieden schnell fallen. Das Gedankenexperiment findet sich auch in den ''Discorsi'' von [[Galileo Galilei]] und wurde häufig diesem zugeschrieben.
* [[Wikipedia:Laplacescher Dämon|Laplacescher Dämon]], der nach der [[Klassische Physik|klassischen Physik]] die Vergangenheit und Zukunft der Welt berechnen könnte
* [[Wikipedia:Lichtuhr|Lichtuhr]] ([[Spezielle Relativitätstheorie]]) – eine bewegte Uhr (von außen beobachtet) läuft langsamer
* [[Wikipedia:Maxwellscher Dämon|Maxwellscher Dämon]] – bringt den [[2. Hauptsatz der Thermodynamik]] mit [[Information]] in Zusammenhang
* [[Wikipedia:Photonenwaage|Photonenwaage]] – [[Albert Einstein]] versuchte [[Niels Bohr]] von der Unvollkommenheit der [[Quantenhypothese|Quantentheorie]] zu überzeugen
* [[Wikipedia:Planiversum|Planiversum]] – beschreibt das Leben in einer zweidimensionalen Welt
* [[Wikipedia:Schrödingers Katze|Schrödingers Katze]] (Quantenmechanik) – wirft interessante Fragen zum quantenmechanischen Messprozess auf
* [[Wikipedia:Stevinsches Gedankenexperiment|Stevinsches Gedankenexperiment]] – Erklärung der [[Wikipedia:Kräftegleichgewicht|Gleichgewichtsverhältnisse]] auf [[Wikipedia:Schiefe Ebene|schiefen Ebenen]] von [[Wikipedia:Simon Stevin|Simon Stevin]] um 1600
* [[Wikipedia:Zwillingsparadoxon|Zwillingsparadoxon]] ([[Spezielle Relativitätstheorie]]) – in einem schnellen Raumschiff läuft die Zeit von außen betrachtet langsamer ab, für die Insassen sind die Entfernungen verkürzt


Dabei ist die persönliche [[Patient-Arzt-Beziehung]] wesentlich, die immer dann entsteht, wenn jemand mit einem Gesundheitsproblem bei einem Arzt Hilfe sucht. Nach Ansicht der Medizinhistoriker hat sich diese Beziehung mit dem Aufkommen der modernen Medizin fundamental gewandelt. Das Expertenwissen und die Fachautorität der einheitlich ausgebildeten Ärzte hat sie in eine dominante Rolle erhoben, die [[Barbier]]e, [[Lithotomus|Steinschneider]], aber auch akademische Mediziner früherer Zeit mit ihren oft erfolglosen Krankheitstheorien nicht hatten. Die Ärzteschaft hat heute die weitgehende Definitionsmacht, was [[Krankheit]] ausmacht und welche medizinischen und medizinisch-politischen Maßnahmen dagegen ergriffen werden sollten. Hingegen hat die bürgerliche Gesellschaft (in Deutschland seit der späten Kaiserzeit) versucht, den [[Paternalismus|paternalistischen]] Ermessenspielraum der Ärzte zurückzudrängen, etwa durch die 1884 (''Richard Keßler'') erstmals veröffentlichte juristische Einstufung ärztlicher Eingriffe als [[Trauma (Medizin)|Körperverletzung]], für die die Zustimmung des Patienten unabdingbar ist. Es wird nunmehr eine [[Deliberation|deliberative]] Leistung vom Therapeuten erwartet, dessen Fachwissen die freie Entscheidungsgewalt des Patienten stützt, nicht ersetzt. Die damit verbundene Pflicht zur [[Ärztliche Aufklärung|ärztlichen Aufklärung]] ist auch unter dem Eindruck des überwundenen NS-Regimes heute international unangefochten; sowohl in international gültigen Dokumenten wie der [[Deklaration von Helsinki]] als auch im nationalen Strafrecht und den [[Berufsordnung]]en der Medizinalberufe findet sie ihren Niederschlag.
=== Philosophie ===
Gedankenexperimente in der Philosophie haben meist ein wesentliches Merkmal, das sie von anderen illustrativen Mitteln unterscheidet: Sie gehen von kontrafaktischen Umständen aus. In einem solchen Gedankenexperiment wird gefragt, was wohl der Fall wäre, wenn die Dinge anders lägen als sie es tatsächlich tun. Der Grad der [[Kontrafaktizität]] kann verschieden hoch sein, aber im Grunde liegt immer eine hypothetische Situation vor. Die Form einer solchen Überlegung kann folgendermaßen dargestellt werden:


Sowohl Ärzte als auch andere Heilberufe verwenden einen analytischen Krankheitsbegriff: die Krankheit als Funktionsstörung des Organismus. Auf Basis einer Vertrags- und Vertrauensbeziehung können Daten zur Krankengeschichte ([[Anamnese]]) erhoben werden und eine gründliche [[klinische Untersuchung]] durchgeführt werden. Technische Verfahren zur [[Medizinische Untersuchung|medizinischen Untersuchung]] mithilfe eines [[Laboratoriumsmedizin|Labors]], [[Bildgebendes Verfahren (Medizin)|bildgebender Verfahren]] wie Röntgen und vieler anderer Untersuchungsverfahren wie des [[Elektrokardiogramm]]s ergänzen die gesammelten Informationen. Zur ärztlichen Kunst gehört es, die Vielzahl der Fakten und Beobachtungen zur [[Diagnose]] zu integrieren. Nur eine korrekte Diagnose ermöglicht die erfolgreiche [[Therapie]]. Dieser analytische Krankheitsbegriff der wissenschaftlichen Medizin hat – übernommen auch von vielen alternativen Therapeuten – die [[Ontologie|ontologischen]] Vorstellungen früherer Jahrhunderte weitgehend abgelöst. Umstrittene Grenzfälle der Krankheitsdefinition sind [[Behinderung (Sozialrecht)|Behinderungen]] und [[psychische Erkrankung]]en, deren Definition stets auch gesellschaftlich beeinflusst war.
* Wir gehen normalerweise davon aus und behaupten, dass der Satz S wahr ist.
* In unserem Gedankenexperiment gehen wir jetzt aber davon aus, dass die Welt ganz anders (oder ein bisschen anders) funktioniert. Dann nehmen wir nicht mehr an, dass S wahr ist, sondern vielleicht ein anderer Satz F, der mit S unvereinbar ist.
* Wir haben also keinen Anlass, S für absolut wahr zu halten, sondern sehen S als Resultat unserer bestimmten, (möglicherweise veränderbaren) Situation an.


== Zum Gesundheitssystem siehe auch ==
Beispiele:
* {{WikipediaDE|Gesundheitssystem}}
* {{WikipediaDE|Medizin}}


== Zum Spektrum der Medizin siehe auch ==
* [[Wikipedia:Trolley-Problem|Trolley-Problem]] – [[Wikipedia:Philippa Foot|Philippa Foot]]
* {{WikipediaDE|Medizin}}
* [[Wikipedia:Gettier-Problem|Gettier-Problem]] – [[Wikipedia:Edmund Gettier|Edmund Gettier]]
* [[Wikipedia:Chinesisches Zimmer|Chinesisches Zimmer]] – [[John Searle]]
* [[Wikipedia:Schleier des Nichtwissens|Schleier des Nichtwissens]] – [[Wikipedia:John Rawls|John Rawls]]
* [[Wikipedia:Gehirn im Tank|Gehirn im Tank]] – [[Wikipedia:Hilary Putnam|Hilary Putnam]]
* [[Wikipedia:Mühlenbeispiel|Mühlenbeispiel]] - [[Gottfried Wilhelm Leibniz]]
* [[Wikipedia:Zwillingserde|Zwillingserde]] – [[Wikipedia:Hilary Putnam|Hilary Putnam]]
* [[Wikipedia:Sumpfmann|Sumpfmann]] – [[Donald Davidson]]
* [[Wikipedia:Geiger-Beispiel|Geiger-Beispiel]] – [[Wikipedia:Judith Jarvis Thomson|Judith Jarvis Thomson]]
* [[Wikipedia:Mary (Gedankenexperiment)|Mary]] – [[Frank Cameron Jackson]]
* [[Wikipedia:Nützlichkeits-Monster|Nützlichkeits-Monster]] − [[Wikipedia:Robert Nozick|Robert Nozick]]
* [[Wikipedia:Schiff des Theseus|Schiff des Theseus]]


== Zur Geschite Geschichte der Medizin siehe auch ==
Von Gedankenexperimenten aus der Philosophie zu unterscheiden sind Gleichnisse, die einen abstrakten Sachverhalt mit einer anschaulichen Situation verdeutlichen sollen. Bei dem [[Höhlengleichnis]] geht es [[Platon]] um die anschauliche Darstellung seiner [[Erkenntnistheorie]]; allerdings enthält das Gleichnis insofern auch Elemente eines Gedankenexperiments, als Platon weiterhin ausführt, wie es einer Person ergehen würde, die dem in der Höhle Gefesselten von der Außenwelt berichtet.<ref>Ulrich Gähde: ''Gedankenexperimente in Erkenntnistheorie und Physik''. In: Julian Nida-Rümelin (Hrsg.): ''Rationality, realism, revision''. Walter de Gruyter, 2000, ISBN 3110163934, S. 457.</ref>
* {{WikipediaDE|Medizingeschichte}}
* {{WikipediaDE|Medizin}}


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
{{Portal|Medizin}}
* [[Gleichnis]], die Sicht aus einer ungewohnten Perspektive ist eine Gemeinsamkeit mit dem Gedankenexperiment
* {{WikipediaDE|Kategorie:Medizin}}
* {{WikipediaDE|Medizin}}
* {{WikipediaDE|Apparatemedizin}}
* [[Anthroposophische Medizin]]
* [[Schulmedizin]]
* [[Wikipedia:Alternativmedizin|Alternativmedizin]]
* [[Wikipedia:Ganzheitliche Medizin|Ganzheitliche Medizin]]
* [[Wikipedia:Komplementärmedizin|Komplementärmedizin]]
* [[Liste medizinischer Fachgebiete]]


== Literatur ==
== Literatur ==
* William DePrez Inlow: ''Medicine: its nature and definition''. In: ''Bulletin of the History of Medicine'' 19, 1946, S. 249–273. {{ISSN|0194-1100}}
* Bertram, G.W. (Hg.) Philosophische Gedankenexperimente. Ein Lese- und Studienbuch. Stuttgart 2012.
* Wolfgang U. Eckart: ''Geschichte der Medizin.'' 6. Auflage. Springer, Berlin 2009, ISBN 978-3-540-79215-4
* Brooks, D. H. M. "The Method of Thought Experiment" in: Metaphilosophy, vol. 25, Nr. 1 S. 71–83.
* Roy Porter: ''Cambridge illustrated history. Medicine.'' 4. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 2009, ISBN 978-0-521-00252-3
* Haggqvist, S. Thought Experiments in Philosophy, Stockholm 1996.
* Stefan Schulz, Klaus Steigleder, et al. (Hrsg.): ''Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.'' Suhrkamp, Frankfurt/M. 2006, ISBN 978-3-518-29391-1
* [[Wikipedia:Albrecht Behmel|Behmel, A.]] Gedankenexperimente in der Philosophie des Geistes, Stuttgart 2001.
* Gerhard Danzer: ''Personale Medizin'', Hogrefe, vorm. Verlag Hans Huber 2013, ISBN 978-3456851969, eBook ASIN B00UI0Q1HS
* Macho, Th. u. A. WUNSCHEL (Hrsg.) Science & Fiction. Gedankenexperimente in Wissenschaft, Philosophie und Literatur. Frankfurt/M 2004.
*[[Peter Heusser]]: ''Anthroposophie und Wissenschaft: Eine Einführung. Erkenntniswissenschaft, Physik, Chemie, Genetik, Biologie, Neurobiologie, Psychologie, Philosophie des Geistes, Anthropologie, Anthroposophie, Medizin'', Verlag am Goetheanum, Dornach 2016, ISBN 978-3723515686
* Engels, H. "Nehmen wir an…" Das Gedankenexperiment in didaktischer Absicht, Weinheim und Basel 2004.
* Kühne, U. Die Methode des Gedankenexperiments, Frankfurt/M 2005.
* Cohnitz, D. Gedankenexperimente in der Philosophie, Paderborn 2006.
* R. A. Sorensen: ''Thought Experiments'', Oxford University Press 1990.
* Michel, J. G. "Mit Gedankenexperimenten argumentieren: Eine Fallstudie in der Philosophie des Geistes." In ''Die Suche nach dem Geist'', J. G. Michel & G. Münster (Hrsg.), S. 81–120, Münster 2013.
* ''Special Issue: Ernst Mach und das Gedankenexperiment um 1900'', eingeleitet von Bernhard Kleeberg, in: ''Berichte zur Wissenschaftsgeschichte'', März 2015, [http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/bewi.v38.1/issuetoc Volume 38, Issue 1], S. 1–101.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Medicine|Medizin}}
{{Commonscat|Thought experiments}}
{{Wikibooks|Regal: Medizin}}
{{Wikiquote}}
{{Wiktionary}}
{{Wiktionary}}
{{Wikiversity|Fachbereich Humanmedizin|Fachbereich Humanmedizin}}
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/thought-experiment/}}
{{Wikinews|Kategorie:Medizin|Medizin}}
* [http://www.philosophie.uni-mainz.de/fehige/papers/gedankenexperimentSeitMach.pdf J. H. Y. Fehige, Uni Mainz "Das Gedankenexperiment – eine eigenständige Erkenntnismethode?"] – Über die epistemologische Diskussion seit Ernst Mach (PDF-Datei; 295 kB)
{{Wikisource|Heilkunde|Medizin}}
* [http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:46-ep000101139 Ulrich Kühne: "Gedankenexperiment und Erklärung" (1997)] – Aufsatz über die wissenschaftsphilosophische Bedeutung von Gedankenexperimenten in den Naturwissenschaften
* {{DNB-Portal|4038243-6|TEXT=Literatur zum Schlagwort}}
* [http://www.jg-eberhardt.de/philo_exp/index.html Zusammenstellung von Joachim Eberhardt]
 
=== Abhandlungen, Specials, Projekte ===
* [http://www.zbmed.de/ Fachinformationszentrum: Deutsche Zentralbibliothek für Medizin, Köln]
* [http://www.aezq.de/ Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ)]
* [http://www.biomedcentral.com/home/ BioMedCentral (englisch) – Open-Access-Projekt]
* {{Webarchiv | url=http://www.ub.uni-duisburg-essen.de/recherch/fachinfo/medizin/medlinks.shtml | wayback=20080215134446 | text=Ausführliche Linksammlung der Universitätsbibliothek Essen zu medizinischen Themen}}
 
=== Medizinische Suchmaschinen ===
* PubMed: Datenbank der National Library of Medicine (USA, englisch) − [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez Website]
* Medpilot: Suchmaschine der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin – [http://medpilot.de/ Homepage]
 
=== Zeitschriften ===
* Deutsches Ärzteblatt – [http://www.aerzteblatt.de/ Homepage]
* British Medical Journal – [http://bmj.bmjjournals.com/ Homepage] (englisch)
* The Lancet – [http://www.thelancet.com/ Homepage] (englisch)
* The New England Journal of Medicine – [http://content.nejm.org/ Homepage] (englisch)


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


{{Gesundheitshinweis}}
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{{Normdaten|TYP=s|GND=4038243-6|LCCN=sh/85/083064}}


[[Kategorie:Wissenschaft]]
[[Kategorie:Philosophie]]
[[Kategorie:Naturwissenschaft nach Fachgebiet]]
[[Kategorie:Physik]]
[[Kategorie:Naturwissenschaftliches Fachgebiet]]
[[Kategorie:Erkenntnistheorie]]
[[Kategorie:Medizin|!103]]
[[Kategorie:Gedankenexperiment| ]]
[[Kategorie:Gesundheit]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 11. Juli 2018, 08:58 Uhr

Grafische Darstellung des Gedankenexperiments Schrödingers Katze: quantenmechanisch gesehen kann sie demnach gleichzeitig tot und lebendig sein.

Ein Gedankenexperiment oder Gedankenversuch ist ein gedankliches Hilfsmittel, um bestimmte Theorien zu untermauern, zu widerlegen, zu veranschaulichen oder weiterzudenken. Es wird dabei gedanklich eine Situation konstruiert, die real so nicht oder nur sehr schwer herzustellen ist (zum Beispiel eine Reise mit annähernd Lichtgeschwindigkeit). Sodann malt man sich im Geiste aus, welche Folgen sich aus dieser Situation ergeben, wenn man die Theorie auf die Situation anwendet. Ein Experiment wird also in Gedanken simuliert. Ein Gedankenexperiment ist jedoch kein Experiment im eigentlichen Sinne. Letzteres beleuchtet Theorien durch empirische Anschauung von außen, ein Gedankenexperiment ist jedoch innerhalb der Theorie gefangen, der empirische Aspekt fehlt.

Gedankenexperiment versus reales Experiment

Dennoch sind inzwischen einige Gedankenexperimente, die zu der Zeit, als sie erdacht wurden, nicht realisierbar waren, heute in echten Experimenten durchführbar. So wurde zum Beispiel der empirische Nachweis erbracht, dass Uhren abhängig von der relativen Geschwindigkeit, mit der sie bewegt werden, unterschiedlich schnell gehen.

Andere Gedankenexperimente haben sich später als prinzipiell nicht durchführbar herausgestellt. So ist beispielsweise heute bekannt, dass der Maxwellsche Dämon prinzipiell nicht funktioniert, hauptsächlich aus „quantenmechanischen Gründen“. Als dieses Gedankenexperiment erdacht wurde, war aber auch noch nichts über die Quantenmechanik bekannt.

Noch komplexer sind die Zusammenhänge bei der Arbeit von Albert Einstein und Mitarbeitern über das Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon: Hier haben die Autoren im Jahre 1935 aufgrund eines zutreffenden Gedankenexperiments fälschlicherweise die Quantenmechanik als „ergänzungsbedürftig“ verworfen: Dieser Irrtum hat sich aber erst mit großer Verspätung und trotz ausschließlich richtiger und zukunftsträchtiger Schlüsse in der Analyse als solcher herausgestellt (siehe dazu u. a. die realen optischen Experimente von Alain Aspect), nachdem durch die sog. Bell'schen Ungleichungen (eine 1964 durchgeführte mathematisch rigorose theoretische Arbeit) die philosophischen Grundlagen der EPR-Veröffentlichung falsifiziert werden konnten.

Gedankenexperimente sind somit verschieden von realen Experimenten und sind im Allgemeinen der theoretischen Physik zuzuordnen; aber auch in anderen Disziplinen, z. B. in der Philosophie, spielen sie eine wichtige Rolle. Hans Christian Ørsted führte als Erster den Begriff Gedankenexperiment als Beziehung zwischen mathematischer und physikalischer Erkenntnis bei Kant ein. Vor allem die von Albert Einstein gefundene spezielle Relativitätstheorie macht reichlich Gebrauch von Gedankenexperimenten. Einstein übernahm die Idee dazu von seinem zeitweiligen Lehrer Ernst Mach, auf dessen philosophisches Wirken die Bekanntheit dieses Begriffs zurückgeht.

Beliebt sind Gedankenexperimente besonders, um zu prüfen, ob eine Theorie zu paradoxen Situationen führt. So wird das bekannte Beispiel von Schrödingers Katze, die mit einer quantenmechanisch beschriebenen Wahrscheinlichkeit gleichzeitig tot und lebendig ist, normalerweise als Beleg dafür angegeben, dass die betroffene Theorie in wenigstens einer Hinsicht unvollständig ist (zum Beispiel, indem sie Verletzungen der quantenmechanischen Kohärenz nicht berücksichtigt).

Überprüfbarkeit

Gedankenexperimente gehören zur jeweiligen theoretischen Disziplin (z. B. Theoretische Physik oder Theoretische Philosophie), während reale Experimente der jeweiligen experimentellen Disziplin angehören. Der Unterschied scheint selbstverständlich zu sein, ist aber subtil, wie am Beispiel der berühmten Arbeit Albert Einsteins zum EPR-Effekt deutlich wird. In dieser Arbeit (1935) hat Einstein mit zwei Mitarbeitern nicht nur besagten Effekt aufgrund eines Gedankenexperiments vorgeschlagen (der Effekt konnte inzwischen realisiert werden), sondern vor allem auch aufgrund der ungewöhnlichen Eigenschaften des Effekts die Quantenmechanik als „unvernünftig und ergänzungsbedürftig“ zurückgewiesen.

Alle mathematischen Schlüsse dieser Arbeit waren korrekt, sodass Einstein damals kein logischer Irrtum nachgewiesen werden konnte, weder durch Gedankenexperimente noch durch reale Experimente. Erst 1964 gelang es dem theoretischen Physiker John Bell, zu zeigen (siehe Bellsche Ungleichung), dass die Gültigkeit der explizit angesprochenen philosophischen Grundlagen der EPR-Arbeit, die Annahme der sog. Realität und Lokalität einer physikalischen Theorie, experimentell überprüfbar ist, und zwar durch reale Experimente, nicht durch Gedankenexperimente. Solche realen Experimente wurden inzwischen mehrfach durchgeführt (z. B. durch Alain Aspect) und haben stets die erwähnten philosophischen Grundannahmen der Einstein’schen Arbeit falsifiziert; d. h., dass die Quantenmechanik sich in jedem Fall als nicht ergänzungsbedürftig erwiesen hat. (Zum Thema „Falsifikation einer Theorie“ siehe die Philosophie von Karl Popper.)

In diesem einen Fall hat sich also Einstein geirrt, aber gleichwohl mit dem erwähnten EPR-Effekt und der darauf aufbauenden Quantenkryptographie (siehe auch Quantenverschränkung) für die praktischen Anwendungen der von ihm so heftig bekämpften Quantenmechanik etwas ganz Wesentliches hinterlassen.

Bekannte Gedankenexperimente

Naturwissenschaften

Philosophie

Gedankenexperimente in der Philosophie haben meist ein wesentliches Merkmal, das sie von anderen illustrativen Mitteln unterscheidet: Sie gehen von kontrafaktischen Umständen aus. In einem solchen Gedankenexperiment wird gefragt, was wohl der Fall wäre, wenn die Dinge anders lägen als sie es tatsächlich tun. Der Grad der Kontrafaktizität kann verschieden hoch sein, aber im Grunde liegt immer eine hypothetische Situation vor. Die Form einer solchen Überlegung kann folgendermaßen dargestellt werden:

  • Wir gehen normalerweise davon aus und behaupten, dass der Satz S wahr ist.
  • In unserem Gedankenexperiment gehen wir jetzt aber davon aus, dass die Welt ganz anders (oder ein bisschen anders) funktioniert. Dann nehmen wir nicht mehr an, dass S wahr ist, sondern vielleicht ein anderer Satz F, der mit S unvereinbar ist.
  • Wir haben also keinen Anlass, S für absolut wahr zu halten, sondern sehen S als Resultat unserer bestimmten, (möglicherweise veränderbaren) Situation an.

Beispiele:

Von Gedankenexperimenten aus der Philosophie zu unterscheiden sind Gleichnisse, die einen abstrakten Sachverhalt mit einer anschaulichen Situation verdeutlichen sollen. Bei dem Höhlengleichnis geht es Platon um die anschauliche Darstellung seiner Erkenntnistheorie; allerdings enthält das Gleichnis insofern auch Elemente eines Gedankenexperiments, als Platon weiterhin ausführt, wie es einer Person ergehen würde, die dem in der Höhle Gefesselten von der Außenwelt berichtet.[1]

Siehe auch

  • Gleichnis, die Sicht aus einer ungewohnten Perspektive ist eine Gemeinsamkeit mit dem Gedankenexperiment

Literatur

  • Bertram, G.W. (Hg.) Philosophische Gedankenexperimente. Ein Lese- und Studienbuch. Stuttgart 2012.
  • Brooks, D. H. M. "The Method of Thought Experiment" in: Metaphilosophy, vol. 25, Nr. 1 S. 71–83.
  • Haggqvist, S. Thought Experiments in Philosophy, Stockholm 1996.
  • Behmel, A. Gedankenexperimente in der Philosophie des Geistes, Stuttgart 2001.
  • Macho, Th. u. A. WUNSCHEL (Hrsg.) Science & Fiction. Gedankenexperimente in Wissenschaft, Philosophie und Literatur. Frankfurt/M 2004.
  • Engels, H. "Nehmen wir an…" Das Gedankenexperiment in didaktischer Absicht, Weinheim und Basel 2004.
  • Kühne, U. Die Methode des Gedankenexperiments, Frankfurt/M 2005.
  • Cohnitz, D. Gedankenexperimente in der Philosophie, Paderborn 2006.
  • R. A. Sorensen: Thought Experiments, Oxford University Press 1990.
  • Michel, J. G. "Mit Gedankenexperimenten argumentieren: Eine Fallstudie in der Philosophie des Geistes." In Die Suche nach dem Geist, J. G. Michel & G. Münster (Hrsg.), S. 81–120, Münster 2013.
  • Special Issue: Ernst Mach und das Gedankenexperiment um 1900, eingeleitet von Bernhard Kleeberg, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte, März 2015, Volume 38, Issue 1, S. 1–101.

Weblinks

Commons: Thought experiments - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wiktionary: Gedankenexperiment – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Ulrich Gähde: Gedankenexperimente in Erkenntnistheorie und Physik. In: Julian Nida-Rümelin (Hrsg.): Rationality, realism, revision. Walter de Gruyter, 2000, ISBN 3110163934, S. 457.


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