Lohengrin und Philosophie der Physik: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Joachim Stiller
 
imported>Joachim Stiller
 
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:August von Heckel Lohengrin.jpg|mini|[[Wikipedia:August von Heckel|August von Heckel]]: ''Lohengrin'', Gemälde auf [[Wikipedia:Schloss Neuschwanstein|Schloss Neuschwanstein]] im Auftrag von [[Wikipedia:Ludwig II. (Bayern)|Ludwig II.]] (1886)]]
Die '''Philosophie der Physik''' kann als ein Teilgebiet der [[Wissenschaftstheorie]] oder der [[Naturphilosophie]] und damit der [[Ontologie]] verstanden werden und beschäftigt sich mit [[Philosophie|philosophischen]] Problemen, die Theorien der modernen [[Physik]] aufwerfen sowie mit konzeptionellen Grundlagen dieser Theorien.


'''Lohengrin''' ({{mhd|Loherangrîn}}) ist nach [[Wikipedia:Wolfram von Eschenbach|Wolfram von Eschenbach]]s [[Versepos]] «[[Parzival]]» ein [[Gralsritter]] und Sohn des Gralskönigs [[Parzival]] und dessen Gattin [[Condwiramur]]. Als [[Schwanenritter]] wird er der Herzogin von Brabant auf einem [[Schwan]] als Helfer und Beschützer geschickt, unter der Bedingung, dass sie niemals nach seinem [[Name]]n fragen dürfe. Als sie dieses strenge Gebot bricht, muss Lohengrin sie verlassen<ref>[http://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/13Jh/Wolfram/wol_pa16.html Wolfram von Eschenbach: ''Parzival'', Buch XVI]</ref>.
== Interpretationsprobleme physikalischer Theorien ==


Der Stoff wurde von [[Wikipedia:Richard Wagner|Richard Wagner]] in seiner [[Wikipedia:Romantik|romantischen]] [[Wikipedia:Oper|Oper]] „[[Wikipedia:Lohengrin|Lohengrin]]“ [[musik]]alisch-[[drama]]tisch gestaltet.
Zu den Themengebieten der Philosophie der Physik gehört die Interpretation physikalischer Theorien im Hinblick auf ihre ontologischen Voraussetzungen oder Implikationen: Wenn eine bestimmte physikalische Theorie unsere Welt gut beschreibt, folgt daraus, zumindest für wissenschaftstheoretische [[Realismus (Philosophie)|Realisten]], dass diese Theorien Aufschluss über die Struktur der Realität geben. Bereits die Interpretation und rationale Rekonstruktion der klassischen ([[Isaac Newton|Newtonschen]]) Partikelmechanik wirft hierbei Probleme auf. Noch weit komplizierter sind die Probleme in der Interpretation der statistischen Physik, der [[Quantenmechanik]] und [[Relativitätstheorie]].


== Geistiger Hintergrund ==
=== Thermodynamik ===


{{Siehe auch|Schwan|Schwanenritter}}
Beispielsweise wurde mehrfach versucht, die Gerichtetheit der Zeit auf die Gerichtetheit physikalischer Prozesse zurückzuführen. Denn nicht alle physikalischen Phänomene sind zeitumkehrinvariant (d.&nbsp;h. die sie regierenden Gleichungen lassen den Prozess in umgekehrter Richtung zu, wie sich einfach durch Umkehren der Vorzeichen des Zeitparameters modellieren lässt). Die Thermodynamik beispielsweise fordert ein Gleichbleiben oder eine Zunahme der [[Entropie]] im Zeitverlauf. Da aber die thermodynamischen Prozesse letztlich durch kleinste Teilchen realisiert werden, für welche eigentlich die zeitumkehrinvarianten Gesetze der klassischen Partikelmechanik gelten, ist das Verhältnis beider Theorien zueinander erklärungsbedürftig. Schon [[Ludwig Boltzmann|Boltzmann]] hat sich im 19. Jahrhundert um eine Lösung dieses Problems bemüht. Heutige Theoretiker sind sich meist einig, dass seine Erklärung fehlerhaft ist, diagnostizieren diesen Fehler jedoch teilweise unterschiedlich.<ref>Vgl. dazu u.&nbsp;a. die Diskussion bei Huw Price, Time's Arrow; Albert, Time and Chance; Mellor, Real Time; Horwich, Arrow of Time sowie die angeführten SEP-Artikel</ref>


{{GZ|Der Zeitpunkt, zu welchem die Gralslegende unter dem Einfluß
=== Relativitätstheorie ===
der großen Eingeweihten entstand, ist derjenige, wo die Herrschaft
des Bürgertums beginnt und wo von Schottland aus in England und
von dort aus in Frankreich und Deutschland die Gründung der großen
freien Städte sich ausbreitet. Der frei gewordene Mensch sehnt
sich unbewußt nach der Wahrheit und nach dem göttlichen Leben. In
der Sage von Lohengrin repräsentiert Elsa die menschliche Seele, die
Seele des Mittelalters, die nach Entfaltung strebt und die im Okkultismus
immer durch eine weibliche Gestalt dargestellt wird. Der Ritter
Lohengrin, der zu ihrer Befreiung aus einer unbekannten Welt,
von der Burg des Heiligen Gral, kommt, stellt den Meister dar, der die
Wahrheit bringt. Er ist der Bote des Eingeweihten, symbolisch herangetragen
durch den Schwan. Der Bote der großen Eingeweihten heißt
«Schwan». Man darf weder nach seinem Ursprung noch nach seinem
wahren Namen fragen. Man darf nicht an den Zeichen seiner Hoheit
zweifeln. Man muß ihm aufs Wort glauben und an seinem Antlitz den
Strahl der Wahrheit erkennen. Wer diesen Glauben nicht hat, ist nicht
fähig, ihn zu begreifen, und nicht würdig, ihn zu hören. Daher das
Verbot Lohengrins an Elsa, seinen Ursprung und seinen Namen zu
erfragen. Der Schwan ist der Chela, der den Meister herbeiführt.


Der Bote des Meisters auf dem physischen Plan ist der eingeweihte
Für die Philosophie der Zeit wirft auch die [[spezielle Relativitätstheorie]] Probleme auf. Denn die von ihr geforderte Relativität der Gleichzeitigkeit steht in Widerspruch zu bestimmten metaphysischen Theorien über die Natur von Kausalität und Modalität (beispielsweise zu einem modallogisch betrachtet dynamischen Universum mit sich abspaltenden nicht realisierten Möglichkeiten, wie es Storrs McCall, Michael Tooley und andere Metaphysiker vorschlagen).
Schüler, der zum fünften Grad aufgestiegen ist und den der Meister
 
in die Welt sendet. So drückt diese Legende aus, was sich in den
=== Quantenmechanik ===
höheren Welten ereignet. In die Mythen und Legenden läßt der
 
Logos, das Sonnen- und Planetenwort, sein Licht hineinscheinen.|94|84f}}
Im Falle der [[Quantenmechanik#Messprozess|Quantenmechanik]] ist ein Hauptproblem der Interpretationsversuche, wie sich die Zeitentwicklung der Zustandswerte zum Messprozess verhält. Erstere nämlich ist deterministisch, die Ergebnisse letzterer sind aber nur stochastisch vorhersagbar. Üblicherweise spricht man davon, dass (in den meisten Fällen) der tatsächliche Systemzustand ein sogenannter Superpositionszustand ist, welcher bei der Messung auf einen eindeutigen Zustand reduziert wird, mit einer Wahrscheinlichkeit, welche sich durch die [[Bornsche Regel]] angeben lässt. Der wissenschaftliche Realist muss nun erklären, was in der Realität einem solchen überlagerten Zustand entspricht. Hierzu existieren die unterschiedlichsten Antwortvorschläge. Alternativ wurden unterschiedliche antirealistische Interpretationen angeboten. Auch ist umstritten, wie genau sich in physikalischer oder ontologischer Sprache charakterisieren lässt, was einen Messprozess ausmacht (vgl. die Kurzübersicht im Hauptartikel [[Quantenmechanik]], die ausführlichere Darstellung in [[Interpretationen der Quantenmechanik]] und die Diskussion in angrenzenden Artikeln wie [[Wigners Freund]]).
 
Des Weiteren scheinen mehrere realistische Interpretationsmöglichkeiten, die insbesondere in der Debatte um den [[Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon|EPR-Effekt]] diskutiert wurden, nicht mit klassischen Auffassungen über die (lokalursächliche) Natur der [[Kausalität]] vereinbar.
 
== Metaphysische Probleme ==
 
Da besonders die [[Allgemeine Relativitätstheorie]] die Grundlage für moderne kosmologische Modelle ist, berührt sich die Philosophie der Raumzeit bzw. der Relativität in einigen Bereichen stark mit der [[Kosmologie]].
 
Diese Interpretationsprobleme stehen meist in engem Zusammenhang mit dem Interesse an [[Ontologie|metaphysischen]] Fragen bezüglich der Natur von [[Raum (Philosophie)|Raum]], [[Zeit]] und Kausalität sowie der Konstituenten der Realität. Für letztere Thematik ist die Kontroverse darüber grundlegend, ob theoretische Termen, also die Vokabeln, die in die Formulierung einer Theorie zentral eingehen, wie etwa „Atom“, per se mit der Voraussetzung einhergehen, dass ihnen etwas in der Realität entspricht. Viele wissenschaftstheoretische Realisten fordern dies, Antirealisten, darunter insbesondere schon der klassische [[Operationalismus]] (wie ihn [[Percy Williams Bridgman]] entwickelte) verneinen es. Der moderne wissenschaftstheoretische Realist scheint dann aber in seine Ontologie nicht nur Atome, sondern auch Quanten und Felder aufnehmen zu müssen; außerdem muss er (apparente) Transformationen von „Materie“ in „Energie“ und umgekehrt erklären.<ref>Vgl. {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/equivME/|The Equivalence of Mass and Energy|Francisco Flores|beleg=1}} und die dort diskutierten Alternativpositionen und Literaturhinweise.</ref>
 
== Epistemologische Probleme ==
 
Wie die Quantenmechanik, besonders in einigen antirealistischen Interpretationen, wirft auch die spezielle [[Relativitätstheorie]] [[Epistemologie|erkenntnistheoretische]] Fragen auf.
 
== Allgemeine wissenschaftstheoretische Probleme ==
 
=== Determinismus ===
 
Relativ unabhängig von den Interpretationsproblemen der physikalischen Theorien fallen in die Philosophie der Physik auch Fragen zur allgemeinen Natur [[Physikalisches Gesetz|physikalischer Gesetze]]. Da die moderne Physik in einigen Bereichen nur statistische Aussagen treffen kann, wird dabei insbesondere die regionale oder allgemeine Geltung des [[Determinismus]] kontrovers diskutiert. Teilweise versuchen einige Philosophen, diese Diskussion mit Fragen bezüglich der Willensfreiheit (teilweise auch des göttlichen Vorherwissens) zu verbinden. In vielen Fällen werden entsprechende Rettungsversuche der Willensfreiheit von Wissenschaftstheoretikern kritisch gesehen.
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Philosophie der Physik}}
* {{WikipediaDE|Philosophie der Physik}}
* {{WikipediaDE|Philosophie der Naturwissenschaften}}
* {{WikipediaDE|Philosophie der Technik}}
* {{WikipediaDE|Philosophie der Mathematik}}


== Literatur ==
== Literatur ==
#Rudolf Steiner: ''Kosmogonie'', [[GA 94]] (2001), ISBN 3-7274-0940-1 {{Vorträge|094}}
=== Gesamtdarstellungen und Handbücher ===
* Thomas Brody: ''The Philosophy Behind Physics'', Springer 1993.
* Jeremy Butterfield, John Earman, Dov M. Gabbay, Paul Thagard, John Woods (Hrsg.): Handbook of the ''Philosophy of Physics'', Elsevier 2007, ISBN 0-444-51560-7<small>Standardwerk</small>
* James T. Cushing: ''Philosophical Concepts in Physics'', CUP, Cambridge 1998.
* Michael Esfeld (Hg.): ''Philosophie der Physik'', suhrkamp, Frankfurt/M. 2012, ISBN 978-3-518-29633-2.
* Marc Lange: ''An Introduction to the Philosophy of Physics'', Blackwell, London 2002. Besonders zu den Themen Lokalität, Felder, Energie, Masse; etwas spezieller, da nicht nur überblicksweise Darstellung, sondern auch Argumentation für eigene Position
* Norman Sieroka: ''Philosophie der Physik'', Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-66794-7.
* Lawrence Sklar: ''Philosophy of Physics'', OUP, Oxford 1992. Kurzer Abriss von Grundlagen zu Raumzeit, Wahrscheinlichkeit, Quanten
* Roberto Torretti: ''The Philosophy of Physics'', CUP, Cambridge 1999. Historisch aufgebaut, von Galileo bis Dirac
 
sowie die Handbücher zur [[Wissenschaftstheorie]], welche zumeist auch Kapitel zu Raumzeit und Quantenphysik enthalten, sowie neuere Darstellungen zur [[Naturphilosophie]]
 
=== Interpretationen physikalischer Theorien ===
;Philosophie der Raumzeit bzw. Relativität
* Robert DiSalle: ''Understanding Space-Time'': the Philosophical Development of Physics from Newton to Einstein. Cambridge: CUP 2006.
* John Earman: ''World enough and space-time''. MIT Press, Cambridge, MA 1989, ISBN 0-262-05040-4
* Michael Friedman: ''Foundations of space-time theories''. Princeton University Press, Princeton, NJ 1983, ISBN 0-691-02039-6
* Lawrence Sklar: ''Space, time, and spacetime''. University of California Press 1977, ISBN 0-520-03174-1
* Barry Dainton: ''Time and space'', Montreal u.&nbsp;a.: McGill-Queen's Univ. Press 2001, ISBN 0-7735-2302-2
* [http://plato.stanford.edu/contents.html#s verschiedene Artikel] in der Stanford Encyclopedia of Philosophy zu ''space and time''
;Philosophie der Quantenmechanik
* David Z. Albert: ''Quantum mechanics and experience''. Harvard University Press, Cambridge, MA 1992, ISBN 0-674-74112-9 <small>Die zugänglichste Darstellung zum Thema, maximale Vereinfachung des theoretischen Apparats.</small>
* Cord Friebe, Meinard Kuhlmann, Holger Lyre, Paul Näger, Oliver Passon, Manfred Stöckler: ''Philosophie der Quantenphysik. Einführung und Diskussion der zentralen Begriffe und Problemstellungen der Quantentheorie für Physiker und Philosophen.'' Springer Spektrum 2015, ISBN 978-3-642-37789-1 <small>Umfassende Darstellung des gegenwärtigen Diskussionsstands.</small>
* R.I.G. Hughes: ''The Structure and Interpretation of Quantum Mechanics'' <small>Weniger vereinfacht als Albert, aber mit Schulphysik zu bewältigen; größtenteils eine zugängliche Einführung in die physikalische Theorie – philosophische Diskussionen nehmen eher wenig Raum ein.</small>
* Michael Redhead: ''Incompleteness, nonlocality, and realism''. The Clarendon Press Oxford University Press, New York 1990, ISBN 0-19-824238-7
* [http://plato.stanford.edu/contents.html#q verschiedene Artikel] in der Stanford Encyclopedia of Philosophy zu ''quantum mechanics'' und ''quantum theory''
; Quantenfeldtheorie
* M.L.G. Redhead: ''Quantum field theory for philosophers'', in: PSA: Proceedings of the Biennial Meeting of the Philosophy of Science Association 1982, 57–99
* Paul Teller: ''An interpretive introduction to quantum field theory'', Princeton University Press 1995
;Statistische Physik / Thermodynamik
* David Z. Albert: ''Time and Chance'', Harvard University Press 2000, ISBN 0-674-00317-9 <small>[http://ndpr.nd.edu/review.cfm?id=1261 Review von N. Huggett]</small>
* P. und T. Ehrenfest: ''The Conceptual Foundations of the Statistical Approach in Mechanics'', Ithaca, NY: Cornell University Press 1959
* G. Emch, C. Liu: ''The Logic of Thermo-statistical physics'', Berlin: Springer 2002
* Huw Price: ''Time's Arrow and Archimedes' Point'', 1996, ISBN 0-19-510095-6.
* Hans Reichenbach: ''The Direction of Time'', Berkeley, CA: University of California Press 1956
* Lawrence Sklar: ''Physics and Chance: Philosophical Issues in the Foundations of Statistical Mechanics'', Cambridge: CUP 1993
* {{SEP|http://www.seop.leeds.ac.uk/entries/statphys-statmech/|Philosophy of statistical mechanics|Lawrence Sklar}}
* {{SEP|http://www.seop.leeds.ac.uk/entries/statphys-Boltzmann/|Boltzmann's work in statistical physics|Jos Uffink}}
;Chaostheorie
* Peter Smith: ''Explaining Chaos'', Cambridge: Cambridge University Press 1994.
 
=== Klassiker ===
* Carl Friedrich von Weizsäcker: ''Die moderne Atomlehre und die Philosophie.'' Die Chemie (Angewandte Chemie, neue Folge) 55(13/14), S. 99–104 und 55(15/16), S. 121–126 (1942), {{ISSN|1521-3757}}
* Carl Friedrich von Weizsäcker: ''Zum Weltbild der Physik.'' 13. Aufl., mit neuem Vorwort: „Rückblick nach 46 Jahren“ - Stuttgart : Hirzel, 1990. ISBN 3-7776-0479-8 kart.


{{GA}}
== Weblinks ==
* Anthony Leggett: {{Webarchiv | url=http://online.physics.uiuc.edu/courses/phys419/spring06/lectures/index.html | wayback=20060916160143 | text=Space, Time and Matter}} <small>Lecture Notes von einem Kurs zur Philosophie der Physik des bekannten Nobelpreisträgers</small>
* Thomas J. Hickey: [http://www.philsci.com/index.html History of Twentieth-Century Philosophy of Science], 2005.
* [http://users.ox.ac.uk/~ball0402/pofp/ Homepages] Linkliste von Webseiten von Forschern im Bereich „Philosophie der Physik“
* {{Webarchiv | url=http://carnap.umd.edu/chps/reading_list/single_list.html#1 | wayback=20060912074343 | text=Bibliographie}} von Standardwerken


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />


<references />
[[Kategorie:Philosophie der Physik|!]]


[[Kategorie:Christentum:]] [[Kategorie:Sage]] [[Kategorie:Legende]] [[Kategorie:Gral]] [[Kategorie:Parzival]] [[Kategorie:Lohengrin]]
{{Wikipedia}}

Aktuelle Version vom 21. August 2019, 08:09 Uhr

Die Philosophie der Physik kann als ein Teilgebiet der Wissenschaftstheorie oder der Naturphilosophie und damit der Ontologie verstanden werden und beschäftigt sich mit philosophischen Problemen, die Theorien der modernen Physik aufwerfen sowie mit konzeptionellen Grundlagen dieser Theorien.

Interpretationsprobleme physikalischer Theorien

Zu den Themengebieten der Philosophie der Physik gehört die Interpretation physikalischer Theorien im Hinblick auf ihre ontologischen Voraussetzungen oder Implikationen: Wenn eine bestimmte physikalische Theorie unsere Welt gut beschreibt, folgt daraus, zumindest für wissenschaftstheoretische Realisten, dass diese Theorien Aufschluss über die Struktur der Realität geben. Bereits die Interpretation und rationale Rekonstruktion der klassischen (Newtonschen) Partikelmechanik wirft hierbei Probleme auf. Noch weit komplizierter sind die Probleme in der Interpretation der statistischen Physik, der Quantenmechanik und Relativitätstheorie.

Thermodynamik

Beispielsweise wurde mehrfach versucht, die Gerichtetheit der Zeit auf die Gerichtetheit physikalischer Prozesse zurückzuführen. Denn nicht alle physikalischen Phänomene sind zeitumkehrinvariant (d. h. die sie regierenden Gleichungen lassen den Prozess in umgekehrter Richtung zu, wie sich einfach durch Umkehren der Vorzeichen des Zeitparameters modellieren lässt). Die Thermodynamik beispielsweise fordert ein Gleichbleiben oder eine Zunahme der Entropie im Zeitverlauf. Da aber die thermodynamischen Prozesse letztlich durch kleinste Teilchen realisiert werden, für welche eigentlich die zeitumkehrinvarianten Gesetze der klassischen Partikelmechanik gelten, ist das Verhältnis beider Theorien zueinander erklärungsbedürftig. Schon Boltzmann hat sich im 19. Jahrhundert um eine Lösung dieses Problems bemüht. Heutige Theoretiker sind sich meist einig, dass seine Erklärung fehlerhaft ist, diagnostizieren diesen Fehler jedoch teilweise unterschiedlich.[1]

Relativitätstheorie

Für die Philosophie der Zeit wirft auch die spezielle Relativitätstheorie Probleme auf. Denn die von ihr geforderte Relativität der Gleichzeitigkeit steht in Widerspruch zu bestimmten metaphysischen Theorien über die Natur von Kausalität und Modalität (beispielsweise zu einem modallogisch betrachtet dynamischen Universum mit sich abspaltenden nicht realisierten Möglichkeiten, wie es Storrs McCall, Michael Tooley und andere Metaphysiker vorschlagen).

Quantenmechanik

Im Falle der Quantenmechanik ist ein Hauptproblem der Interpretationsversuche, wie sich die Zeitentwicklung der Zustandswerte zum Messprozess verhält. Erstere nämlich ist deterministisch, die Ergebnisse letzterer sind aber nur stochastisch vorhersagbar. Üblicherweise spricht man davon, dass (in den meisten Fällen) der tatsächliche Systemzustand ein sogenannter Superpositionszustand ist, welcher bei der Messung auf einen eindeutigen Zustand reduziert wird, mit einer Wahrscheinlichkeit, welche sich durch die Bornsche Regel angeben lässt. Der wissenschaftliche Realist muss nun erklären, was in der Realität einem solchen überlagerten Zustand entspricht. Hierzu existieren die unterschiedlichsten Antwortvorschläge. Alternativ wurden unterschiedliche antirealistische Interpretationen angeboten. Auch ist umstritten, wie genau sich in physikalischer oder ontologischer Sprache charakterisieren lässt, was einen Messprozess ausmacht (vgl. die Kurzübersicht im Hauptartikel Quantenmechanik, die ausführlichere Darstellung in Interpretationen der Quantenmechanik und die Diskussion in angrenzenden Artikeln wie Wigners Freund).

Des Weiteren scheinen mehrere realistische Interpretationsmöglichkeiten, die insbesondere in der Debatte um den EPR-Effekt diskutiert wurden, nicht mit klassischen Auffassungen über die (lokalursächliche) Natur der Kausalität vereinbar.

Metaphysische Probleme

Da besonders die Allgemeine Relativitätstheorie die Grundlage für moderne kosmologische Modelle ist, berührt sich die Philosophie der Raumzeit bzw. der Relativität in einigen Bereichen stark mit der Kosmologie.

Diese Interpretationsprobleme stehen meist in engem Zusammenhang mit dem Interesse an metaphysischen Fragen bezüglich der Natur von Raum, Zeit und Kausalität sowie der Konstituenten der Realität. Für letztere Thematik ist die Kontroverse darüber grundlegend, ob theoretische Termen, also die Vokabeln, die in die Formulierung einer Theorie zentral eingehen, wie etwa „Atom“, per se mit der Voraussetzung einhergehen, dass ihnen etwas in der Realität entspricht. Viele wissenschaftstheoretische Realisten fordern dies, Antirealisten, darunter insbesondere schon der klassische Operationalismus (wie ihn Percy Williams Bridgman entwickelte) verneinen es. Der moderne wissenschaftstheoretische Realist scheint dann aber in seine Ontologie nicht nur Atome, sondern auch Quanten und Felder aufnehmen zu müssen; außerdem muss er (apparente) Transformationen von „Materie“ in „Energie“ und umgekehrt erklären.[2]

Epistemologische Probleme

Wie die Quantenmechanik, besonders in einigen antirealistischen Interpretationen, wirft auch die spezielle Relativitätstheorie erkenntnistheoretische Fragen auf.

Allgemeine wissenschaftstheoretische Probleme

Determinismus

Relativ unabhängig von den Interpretationsproblemen der physikalischen Theorien fallen in die Philosophie der Physik auch Fragen zur allgemeinen Natur physikalischer Gesetze. Da die moderne Physik in einigen Bereichen nur statistische Aussagen treffen kann, wird dabei insbesondere die regionale oder allgemeine Geltung des Determinismus kontrovers diskutiert. Teilweise versuchen einige Philosophen, diese Diskussion mit Fragen bezüglich der Willensfreiheit (teilweise auch des göttlichen Vorherwissens) zu verbinden. In vielen Fällen werden entsprechende Rettungsversuche der Willensfreiheit von Wissenschaftstheoretikern kritisch gesehen.

Siehe auch

Literatur

Gesamtdarstellungen und Handbücher

  • Thomas Brody: The Philosophy Behind Physics, Springer 1993.
  • Jeremy Butterfield, John Earman, Dov M. Gabbay, Paul Thagard, John Woods (Hrsg.): Handbook of the Philosophy of Physics, Elsevier 2007, ISBN 0-444-51560-7Standardwerk
  • James T. Cushing: Philosophical Concepts in Physics, CUP, Cambridge 1998.
  • Michael Esfeld (Hg.): Philosophie der Physik, suhrkamp, Frankfurt/M. 2012, ISBN 978-3-518-29633-2.
  • Marc Lange: An Introduction to the Philosophy of Physics, Blackwell, London 2002. Besonders zu den Themen Lokalität, Felder, Energie, Masse; etwas spezieller, da nicht nur überblicksweise Darstellung, sondern auch Argumentation für eigene Position
  • Norman Sieroka: Philosophie der Physik, Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-66794-7.
  • Lawrence Sklar: Philosophy of Physics, OUP, Oxford 1992. Kurzer Abriss von Grundlagen zu Raumzeit, Wahrscheinlichkeit, Quanten
  • Roberto Torretti: The Philosophy of Physics, CUP, Cambridge 1999. Historisch aufgebaut, von Galileo bis Dirac

sowie die Handbücher zur Wissenschaftstheorie, welche zumeist auch Kapitel zu Raumzeit und Quantenphysik enthalten, sowie neuere Darstellungen zur Naturphilosophie

Interpretationen physikalischer Theorien

Philosophie der Raumzeit bzw. Relativität
  • Robert DiSalle: Understanding Space-Time: the Philosophical Development of Physics from Newton to Einstein. Cambridge: CUP 2006.
  • John Earman: World enough and space-time. MIT Press, Cambridge, MA 1989, ISBN 0-262-05040-4
  • Michael Friedman: Foundations of space-time theories. Princeton University Press, Princeton, NJ 1983, ISBN 0-691-02039-6
  • Lawrence Sklar: Space, time, and spacetime. University of California Press 1977, ISBN 0-520-03174-1
  • Barry Dainton: Time and space, Montreal u. a.: McGill-Queen's Univ. Press 2001, ISBN 0-7735-2302-2
  • verschiedene Artikel in der Stanford Encyclopedia of Philosophy zu space and time
Philosophie der Quantenmechanik
  • David Z. Albert: Quantum mechanics and experience. Harvard University Press, Cambridge, MA 1992, ISBN 0-674-74112-9 Die zugänglichste Darstellung zum Thema, maximale Vereinfachung des theoretischen Apparats.
  • Cord Friebe, Meinard Kuhlmann, Holger Lyre, Paul Näger, Oliver Passon, Manfred Stöckler: Philosophie der Quantenphysik. Einführung und Diskussion der zentralen Begriffe und Problemstellungen der Quantentheorie für Physiker und Philosophen. Springer Spektrum 2015, ISBN 978-3-642-37789-1 Umfassende Darstellung des gegenwärtigen Diskussionsstands.
  • R.I.G. Hughes: The Structure and Interpretation of Quantum Mechanics Weniger vereinfacht als Albert, aber mit Schulphysik zu bewältigen; größtenteils eine zugängliche Einführung in die physikalische Theorie – philosophische Diskussionen nehmen eher wenig Raum ein.
  • Michael Redhead: Incompleteness, nonlocality, and realism. The Clarendon Press Oxford University Press, New York 1990, ISBN 0-19-824238-7
  • verschiedene Artikel in der Stanford Encyclopedia of Philosophy zu quantum mechanics und quantum theory
Quantenfeldtheorie
  • M.L.G. Redhead: Quantum field theory for philosophers, in: PSA: Proceedings of the Biennial Meeting of the Philosophy of Science Association 1982, 57–99
  • Paul Teller: An interpretive introduction to quantum field theory, Princeton University Press 1995
Statistische Physik / Thermodynamik
Chaostheorie
  • Peter Smith: Explaining Chaos, Cambridge: Cambridge University Press 1994.

Klassiker

  • Carl Friedrich von Weizsäcker: Die moderne Atomlehre und die Philosophie. Die Chemie (Angewandte Chemie, neue Folge) 55(13/14), S. 99–104 und 55(15/16), S. 121–126 (1942), ISSN 1521-3757
  • Carl Friedrich von Weizsäcker: Zum Weltbild der Physik. 13. Aufl., mit neuem Vorwort: „Rückblick nach 46 Jahren“ - Stuttgart : Hirzel, 1990. ISBN 3-7776-0479-8 kart.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. dazu u. a. die Diskussion bei Huw Price, Time's Arrow; Albert, Time and Chance; Mellor, Real Time; Horwich, Arrow of Time sowie die angeführten SEP-Artikel
  2. Vgl. Francisco Flores: The Equivalence of Mass and Energy. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy. und die dort diskutierten Alternativpositionen und Literaturhinweise.


Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Philosophie der Physik aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.